TV-Debatte im US-Wahlkampf: Klarer Sieg, wenig Substanz

Beim TV-Duell lockte Vizepräsidentin Harris Ex-Präsident Trump in jede mögliche Falle und gewann performativ. Wie sie regieren will, sagte sie nicht.

Kamala Harris im schwarzen Jackett ist im Halbprofil zu sehen und hebt lächelnd den rechten Zeigefinger

Harris' Strategie ging in jeder Beziehung auf Foto: Alex Brandon/AP/dpa

Kein Zweifel: Kamala Harris hat die erste TV-Debatte gegen Donald Trump klar gewonnen. Sie brauchte das Wort „weird“ gar nicht auszusprechen, um Trump genau so aussehen zu lassen. Entgegen der Ratschläge seiner Be­ra­te­r*in­nen sprang der Ex-Präsident über jedes Stöckchen, das Harris ihm hinhielt – bis hin zu der vollkommen irren Behauptung, in Springfield, Ohio, würden Mi­gran­t*in­nen die Haustiere der Einheimischen aufessen.

Harris' Strategie ging in jeder Beziehung auf. Trump lief in jede Falle, die sie ihm stellte. Die Vorstellung, welch leichtes Spiel die Wladimir Putins und Xi Jinpings dieser Welt mit einem so konditionierten US-Präsidenten hätten, sollte die US-Amerikaner*innen erschaudern lassen.

Ob das aber irgendetwas an der Dynamik der letzten Wochen des US-Wahlkampfes ändern wird, darf bezweifelt werden. Die erste TV-Debatte Ende Juni zwischen Joe Biden und Trump hatte einen nie gesehenen politischen Donnerknall zur Folge: Der amtierende Präsident stieg aus dem Rennen aus. Diese Debatte hier wäre ein Knockout für jeden normalen Politiker, aber nicht für Donald Trump, dessen An­hän­ge­r*in­nen solches Auftreten gewohnt sind, seit er das erste Mal für die Präsidentschaft kandidierte.

Zu vieles blieb vage

Umgekehrt aber hat Kamala Harris zwar jeglichen Zweifel daran zerstreuen können, dass sie, anders als Biden, tatsächlich einen Wahlkampf gegen Trump bestehen kann. Wer aber darauf hoffte, sie würde nunmehr mit einem leidlich kohärenten Programm aufwarten, sieht sich nach wie vor enttäuscht.

Zwar brachte sie mehrfach ihr Schlagwort von der „opportunity economy“ unter, einer Wirtschaft also, die allen eine Chance gibt. Aber außer der Idee, jungen Familien einen Steuernachlass von 6.000 Dollar zu gewähren und Start-ups eine Abschreibungsmöglichkeit von 50.000 Dollar, kam da nichts. Das könnte zu wenig sein, um jener Mehrheit von US-Amerikaner*innen Vertrauen einzuflößen, die sich wirtschaftliche Veränderungen wünschen.

Ähnlich beim zweiten Großthema Migration: Zu Recht konfrontierte sie Trump damit, jene überparteiliche Gesetzesinitiative im Kongress erstickt zu haben, die schon vor vielen Monaten zusätzliche Kräfte an die Südgrenze gebracht und die Lage entschärft hätte. Wie sie aber selbst das Thema angehen will, bleibt auch nach der Debatte unklar.

Abtreibung sollte wieder zentraleres Thema werden

Einzig beim Thema Abtreibung war sie nicht nur persönlich leidenschaftlich, sondern auch inhaltlich klar: Alle Schutzmechanismen, die ein halbes Jahrhundert lang bestanden, sollen wieder her. Das ist ein wichtiger Pluspunkt, und wenn ihre Kampagne es schafft, das Thema wieder mehr ins Zentrum zu holen, kann das wirklich helfen.

Als Person hat Harris klargemacht, dass sie nicht Joe Biden ist, dass sie eine andere Ansprache pflegt, eine andere Energie ausstrahlt. Ihre Kritik an Trump war scharf, pointiert, bisweilen beißend und entwaffnend. Anders als Biden Ende Juni verwandelte sie die ganzen Steilvorlagen, die Trump ihr bot. Das gibt eine glatte 1 in der B-Note.

Politisch aber – übrigens auch außen- und verteidigungspolitisch – hat sie bestenfalls eine Regierung Biden 2.0 angekündigt. Angesichts von Umfragen, in denen sich über 60 Prozent der Befragten mit der politischen Ausrichtung des Landes unzufrieden erklären, könnte das ein bisschen wenig sein.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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