piwik no script img

Nathan Thrall über Israel und Palästina„Ich hatte Tränen in den Augen“

In „Ein Tag im Leben von Abed Salama“ beschreibt Nathan Thrall die Situation der Palästinenser. Ein Gespräch über die Entstehung des Buchs.

Zwei Städte, getrennt durch eine Mauer: die palästinensische Gemeinde Anata (rechts) und die israelische Siedlung Pisgat Ze’ev Foto: Depositphotos/imago
Leon Holly
Interview von Leon Holly

taz: Herr Thrall, in Ihrem Buch geht es um einen tragischen Busunfall in Jerusalem. Dieser Unfall, behaupten Sie, habe aber auch eine politische Dimension. Können Sie das erklären?

Nathan Thrall: In dem Bus, der verunglückte, saßen palästinensische Kindergartenkinder. Sie lebten im Großraum Jerusalem, in der von Mauern umgebenden Gemeinde Anata. Die Hälfte der Menschen dort wohnt in einem Gebiet, das Israel im Juni 1967 annektiert hat. Die Menschen zahlen Gemeindesteuern an Jerusalem, erhalten aber praktisch keine Dienstleistungen. Sie leben ohne Bürgersteige, Spielplätze und mit baufälligen Straßen. Sie sind gezwungen, ihren Müll mitten in der Nacht auf der Straße zu verbrennen. Und genau auf der anderen Seite dieser Mauer in Ostjerusalem befinden sich wohlhabende jüdische Siedlungen.

taz: Wie erfuhren Sie von dem Unfall?

Bild: Judy Heiblum
Im Interview: Nathan Thrall

Die Person

Der US-amerikanische Autor und Journalist stammt aus einer jüdischen Familie und lebt seit 2011 in Jerusalem. Bis 2020 arbeitete er als Analyst für die International Crisis Group mit Fokus auf Israel, Gaza und das Westjordanland.

Das Buch

2021 erschien Thralls Essay über einen Busunfall im Großraum Jerusalem in der New York Review of Books. Die deutsche Buchfassung ist kürzlich im Pendragon Verlag erschienen.

Thrall: Ich war mit einer palästinensischen Kollegin auf dem Weg nach Hebron. Wir hörten die Nachrichten über den Unfall im Radio. Von dem Moment an, als ich die Einzelheiten erfuhr, wurde mir klar, dass er für eine viel umfassendere Politik steht, die Palästinenser absichtlich vernachlässigt.

taz: Was meinen Sie damit?

Thrall: Die Kinder haben sich darauf gefreut, einen Ausflug zu einem Spielplatz am Rand von Ramallah zu machen, denn in der ummauerten Enklave, in der sie lebten, gab es keine Spielplätze. Da die Kinder aus Familien kamen, die nicht die richtigen Ausweise haben, um einfach zu den Spielplätzen auf der anderen Seite der Mauer zu gehen, waren sie gezwungen, einen langen Umweg entlang der Mauer zu nehmen und einen Kontrollpunkt zu passieren. Kurze Zeit später wurde der Bus von einem riesigen Sattelschlepper erfasst, wodurch er umkippte und Feuer fing. Sechs Kinder und ein Lehrer starben.

taz: Wer hat den Opfern geholfen?

Thrall: An diesem Morgen waren ausschließlich Palästinenser auf der Straße unterwegs. Die Route 4370 ist eine getrennte Straße mit israelischem Verkehr auf der einen und palästinensischem Verkehr auf der anderen Seite, sie steht aber unter israelischer Verwaltungs- und Sicherheitskontrolle. Die Menschen, die den brennenden Bus sahen, waren ganz normale Menschen auf dem Weg zur Arbeit, die am Straßenrand anhielten und verzweifelt versuchten, das Feuer zu löschen – mit wenig Erfolg.

Zwei Personen, eine Lehrerin und ein Mann, der in der Nähe wohnte, stiegen in den brennenden Bus, zogen die rußverschmierten Kinder heraus und setzen sie auf die Rücksitze von Privatfahrzeugen, die am Straßenrand angehalten hatten. Die Autos mit den Kindern fuhren in verschiedene Richtungen, je nachdem welche Rechte die Inhaber hatten. So konnten einige Kinder in die besseren Jerusalemer Krankenhäuser gefahren werden. Die meisten jedoch nicht.

taz: Sie nahmen dann Kontakt zu den Eltern der Kinder auf, um mit ihnen über das Unglück zu reden.

Thrall: Viele Eltern hatten ein großes Bedürfnis, ihre Geschichte zu erzählen, denn sie lebten in einer Wolke des Schweigens. Ihre eigenen Verwandten erwähnten den Unfall nicht in ihrer Gegenwart, weil es zu erschütternd war. Und als ich kam und sagte, ich würde gerne die ganze Geschichte und Ihre Lebensgeschichte hören, waren sie begierig, sie mir zu erzählen. Ich war der Erste, der zu ihnen kam und ein bedeutsames Ereignis darin sah.

taz: Eine besondere Beziehung entwickelten Sie zu Abed Salama, den Vater des verunglückten Milad.

Thrall: Abed war einer der Ersten, mit dem ich sprach. Von dem Moment an, als er mir in seinem Haus in Anata seine Geschichte erzählte, dachte ich, dass er der Mittelpunkt eines Buches sein könnte. Seine Geschichte hat mich tief bewegt. Ich hatte immer Tränen in den Augen, wenn er erzählte. Auch er hatte Tränen in den Augen, wegen der Dinge, die ich ihn zu erinnern bat. Und jedes Mal entschuldigte ich mich bei ihm und sagte: Es tut mir leid, dass ich das wieder hervorgeholt habe und dir Schmerz bringe. Und er sagte immer das Gleiche: Entschuldige dich nicht. Ich bin wirklich froh, dass ich dieses Gespräch führe, weil ich mich meinem Sohn näher fühle. Wenn ich über ihn spreche, spüre ich, dass er jetzt bei uns ist.

taz: Die Mauer, die Jerusalem trennt, spielt in Ihrem Buch eine große Rolle. Viele Israelis sehen darin einen effektiven Schutz gegen Terror. Können Sie das verstehen?

Thrall: Für mich war es sehr wichtig, in dem Buch beide Blickweisen darzustellen: Sowohl die der Juden als auch die der Palästinenser. So zeige ich die Perspektive des Architekten dieser Mauer, der ihren Verlauf in Jerusalem bestimmte und entschied, dass die Mauer die Gemeinde, aus der die Kinder stammten, umschließen würde. Auch gibt es einen israelischen Armeechef, der als einer der ersten Israelis am Unglücksort war und der glaubt, dass die Mauer die israelische Sicherheit erhöht hat. Es gibt aber einen Unterschied zwischen der Errichtung einer Mauer einerseits und der Errichtung einer Mauer, die explizit bevölkerungspolitischen Zwecken dient. Das offen kommunizierte Ziel dieser Mauer war es, im Raum Jerusalem so viele Palästinenser wie möglich aus dem Stadtzentrum auszuschließen.

taz: Nach dem Busunfall habe es in Israel empathielose Reaktionen gegeben, schreiben Sie.

Thrall: Einige junge Israelis feierten den Tod der Kindergartenkinder im Netz unter ihren Klarnamen. Das zeigt die völlige Entmenschlichung der Palästinenser. Ich behaupte nicht, dass die meisten Israelis so denken, aber es ist eine wichtige Strömung innerhalb der israelischen Gesellschaft und sie wird stärker. Heute sehen wir Soldaten, die Videos von sich posten, in denen sie zivile Infrastruktur in Gaza in die Luft jagen und Palästinenser demütigen. Politiker sprechen offen genozidal über das Aushungern von zwei Millionen Palästinensern oder den Abwurf einer Atombombe auf Gaza. Und der zentristische Präsident Israels sagt, es gebe keine Unschuldigen in Gaza.

taz: Wie hat sich nach dem Angriff der Hamas auf Israel das Leben in Ostjerusalem verändert?

Thrall: In Abeds Gemeinde leben 130.000 Menschen in einer ummauerten Enklave mit zwei Ausgängen. Nach dem 7. Oktober schloss Israel beide Ausgänge. Es brauchte nicht mehr als vier Soldaten, um 130.000 Menschen einzukesseln, und seine Familie konnte die Stadt nicht mehr verlassen. Dazu fielen alle Arbeitsplätze in Israel und den Siedlungen weg. Wie die meisten Großfamilien im Westjordanland ist Abeds Familie für ihren Lebensunterhalt auf diese Arbeitsplätze angewiesen, die wesentlich besser bezahlt sind als die Arbeitsplätze im palästinensischen Sektor. Diese Einschränkung hielt nicht sehr lange an. Aber die weiteren Einschränkungen der Bewegungsfreiheit im Westjordanland bestehen auch heute noch, und es dauert jetzt Stunden, um Entfernungen zurückzulegen, die früher eine halbe Stunde dauerten.

taz: Was hat sich im Westjordanland noch verändert?

Thrall: In den sechs Wochen nach dem 7. Oktober wurden mehr als 1.200 Palästinenser vertrieben und zwangsumgesiedelt. Das Militär setzt bei Luftangriffen jetzt im Westjordanland Waffen ein, die es seit vielen Jahren – seit der Zweiten Intifada – nicht mehr verwendet hat, wie Drohnen und Raketen. Die israelische Armee hat diese Waffen öfter in Gaza eingesetzt, und jetzt tut sie das auch wieder im Westjordanland.

taz: Die englische Originalausgabe Ihres Buches erschien wenige Tage vor dem 7. Oktober. Wie kam Ihr Buch danach an?

Thrall: Seit dem 7. Oktober findet im Jerusalem nur sehr wenig kulturelles Leben statt. Aber Anfang Juli gab es eine Buchvorstellung, bei der Abed und ich gemeinsam sprechen wollten. Wir haben uns sehr bemüht, von den Behörden eine Genehmigung für Abed zu bekommen. Letztlich erhielt er aber keine Genehmigung für eine Veranstaltung, bei der es um sein Leben ging, nur ein paar Kilometer von seinem Haus entfernt, in der Stadt, in der er aufgewachsen ist. Es war ein Spiegelbild der Realität, die dieses Buch beschreiben möchte.

taz: Sie beschäftigen sich auch mit der Geschichte der israelisch-palästinensischen Friedensverhandlungen. Wie könnte der Gazakrieg zu einem Ende kommen?

Thrall: Wenn sich die internationale Gemeinschaft um die Gewaltspirale sorgt, ist sie eher gewillt, Vorschläge zur Lösung zu unterbreiten. Und das sehen wir heute. Seit dem 7. Oktober zeigen andere Staaten mehr Interesse an einer Lösung, sowohl in den USA als auch in Europa. In den letzten Monaten haben europäische Regierungen erstmals den Staat Palästina anerkannt. Wenn Israel in der Vergangenheit territoriale Zugeständnisse gemacht hat, tat es das wegen Gewalt seitens der besetzten Bevölkerung oder wirtschaftlichem oder politischem Druck von außen. Die EU könnte etwa ihr Assoziierungsabkommen mit Israel infrage stellen. In den USA könnten wir dazu übergehen, die Hilfe an Israel an Bedingungen zu knüpfen oder Militärhilfe einzustellen. Davon sind wir noch weit entfernt. Aber diese Schritte könnten Israels Kosten-Nutzen-Kalkulation ändern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

40 Kommentare

 / 
  • Vielen Dank für dieses Interview.



    Es ist schon sehr lange her, aber es gab mal eine Zeit in meinem Leben, da habe ich in jeder Vollmondnacht für die Lösung der Konflikte zwischen Israel und Palästina gebetet.



    Nicht weil ich so besonders gläubig gewesen wäre oder so.



    Es war das einzige was mir einfiel zu tun, weil ich schon mein ganzes Leben (ich bin jetzt 66 J.) lang diesen Konflikt so unerträglich furchtbar empfunden habe.

  • Der IGH geht davon aus, dass Israel gegen Artikel 3, der UN-Rassen­diskriminierungs­konvention verstösst. Artikel 3 verbietet Segregation und Apartheid.



    Wie Nathan Thrall hier die Leben der Menschen dies- und jenseits der Mauer schildert, illustriert weshalb der IGH zu dieser Einschätzung kommt.

  • Wer das liest, muss seine Einstellung zur derzeitigen Politik Israels doch überdenken. So etwas ist unterirdisch, unmenschlich, tragisch und höchst verwerflich.

  • Danke für das Interview. Beim Thema Israel und Palästina schalten die meisten westlichen Politiker ihr Gehirn aus und lassen der verbalen Tadelung israelischer Verletzung des Völkerrechts keine konkreten Taten folgen.



    Mit ihrer Vogel-Strauss-Politik und "Drei Weisen Affen" -Opportunismus wird das nichts mit dem Frieden in Nahost.

  • Nurit Peled-Elhanan beschreibt in ihrem Buch «Palästina in israelischen Schulbüchern» (deutsch im Verlag Stiftung Hirschler, 2012), wie das Thema Palästina in israelischen Schulbüchern behandelt wird (Spoiler: gar nicht), und wie die Palästinenser (in den Schulbüchern konsequent «Araber» genannt) beschrieben werden. Nach der Lektüre war mir klar, wieso die jungen Israeli so absolut kein Verständnis für die Palästinenser aufbringen. Wie sollten sie auch, wenn sie rein gar nichts über die Nakba erfahren, sondern die «Araber» nur als «rückständig» und «ein Problem» beschrieben und gezielt und konsequent als Feindbild aufgebaut werden? Das Buch ist stellenweise mühsam zu lesen, aber die Lektüre lohnt sich. Und so ganz nebenbei erkennt man erschreckt die Parallelen zu unseren eigenen Schulbüchern.

    • @K.M.:

      Beides: in Israel baut sich eine Ideologie der Ungleichheit auf, die an Sparta erinnert, vielleicht irgendwann südafrikanische Ausmaße annimmt.



      Palästinensische Schulbücher wären dabei nicht zwingend empathischer.

      Wobei ich bei den Besetzten und Unterdrückten das ein Quentchen eher verstehe als bei den Unterdrückern.

    • @K.M.:

      Von Geschichte haben Sie nicht so viel Ahnung, kann das sein?



      Noch bei der Gründung des Staates Israel waren "Palästinenser" schlicht und ergreifend Araber.



      Erst nach dem Aufstieg der PLO nach dem Sechstagekrieg etablierte sich der Begriff "Palästinenser" - eine propagandistische Meisterleistung Arafats.



      Was die "Nakba" betrifft: In Israel wird so ungefähr im Monatstakt ein Buch veröffentlicht, das sich kritisch mit der eigenen Geschichte auseinandersetzt. Etwas vergleichbares ist auf arabischer/palästinensischer Seite nicht zu sehen. I wo! Die haben nie Fehler gemacht, die waren IMMER nur Opfer!



      Selbst nach dem widerwärtigsten Massaker seit dem 2. Weltkrieg - im Gegenteil, im letzten Teil des Interviews hört es sich fast so an, als ob Nathan Thrall doch ganz zufrieden wäre mit der Wirkung: "(...)Seit dem 7. Oktober zeigen andere Staaten mehr Interesse an einer Lösung, sowohl in den USA als auch in Europa. In den letzten Monaten haben europäische Regierungen erstmals den Staat Palästina anerkannt(...)"

      • @Puck:

        "Palästinenser" war schlicht die Bezeichnung für alle Bürger des britischen Mandats Palästina. Da die Juden es vorzogen, den von ihnen genannten Staat Israel zu nennen, bezeichnete "Palästinenser" zunehmend den Rest der Bevölkerung, also vor allem die arabischen Bewohner. UN-Dokumente sprechen z. B. von Beginn an von "palästinensischen Flüchtlingen".

    • @K.M.:

      Zu erwähnen sind dann aber auch die antisemitischen palästinensischen Schulbücher, finanziert mit EU-Mitteln, und wie dort Juden dargestellt werden ... Ich weiß, es ist z. Zt. völlig illusorisch, aber wäre nicht für die Zukunft ein gemeinsames Geschichtsbuch (wie das deutsch-polnische) ein interessantes Projekt?

  • Im anderen nicht mehr den gleichwertigen Menschen sehen, damit fängt es an. Oder einen "reinen" XYZ-Staat wollen.



    Oder andersherum. Der mit weniger Rechten, ... muss ja irgendwie minderwertig sein, muss ja weg ... Ideologie folgt der Realität. Und die ist dort schlimmer als der Schulhof mit seinem Mobbing.

    Universal denken, also auch anderswo das wahrnehmen und auf Änderung drängen - und ja, das geht natürlich auch gegenüber Israel. Je länger die Ungleichheit bleibt, desto mehr wird nämlich die israelische Gesellschaft in die Ideologie der Ungleichheit gehen. Südafrika muss kein weiteres Mal entstehen.

  • Die Schilderungen Thralls zeigen deutlich die apartheid-ähnlichen Strukturen, unter denen die palästinensische Bevölkerung in Ost-Jerusalem und im besetzten WJL zu leiden hat. Auch für die Israelis, die auf der anderen Seite der Mauer leben, können keine Sicherheit und kein Frieden einkehren, so lange diese inhumanen, ungerechten und völkerrechtswidrigen Strukturen fortbestehen.



    Kein Staat dieser Erde kann sein Wohlergehen auf solche himmelschreienden Ungerechtigkeiten gründen.



    Es war von der zionistischen Gründergeneration so nicht gewollt und mir ist bewusst, dass Israels Existenz vielen Bedrohungen von außen ausgesetzt ist. Es gab aber auch sehr frühe Warnungen vor einer Entwicklung, wie wir sie heute sehen, in den dreißiger Jahren beispielsweise schon von Hannah Arendt.



    Auch wenn es derzeit illusorisch und tagträumerisch erscheinen mag und wirklich ALLES dagegen spricht: Peace now! Das gebieten die Opfer dieser Busunglücks, des 7. Oktobers und des Krieges in Gaza.



    Thrall hat aufgezeigt, was der Westen, was Deutschland dazu tun kann. Dem schließe ich mich an. Und jeder einsichtige, human denkende Mensch müsste doch erkennen, dass es so wie bisher nicht weiter geht.

    • @Abdurchdiemitte:

      "Es war von der zionistischen Gründergeneration so nicht gewollt"...



      oooops: Lesen Sie Theodor Hertzl. Der hat schon 1909 in Briefen seinen Zionismus als Koloniales Landnahmeprojekt beschrieben, dass die allmähliche vollständige Vertreibung der arabisch-muslimischen Bevölkerung beinhaltet - und dass dieses Ziel nach außen geleugnet werden muss.

      • @Monomi:

        Ich hatte mit meiner Formulierung allerdings mehr die Ausgangslage von 1948 im Blick … tatsächlich war der Zionismus eine sehr vielschichtige Bewegung, wenn man überhaupt von einer einheitlichen Bewegung sprechen kann. Heute muss man feststellen, dass sich politisch der zionistisch-revisionistische Standpunkt Jabotinskys durchgesetzt hat.



        Wenn ich auf die damaligen maßgeblichen Protagonisten schaue, setzte Buber wohl eher auf Verständigung und Ausgleich mit der arabischen Bevölkerung im damaligen Palästina, wohingegen Jabotinsky hinsichtlich der Gründung eines Judenstaates von vornherein auf Konfrontation und gegebenenfalls Vertreibung der Araber aus war. Die zentristische Strömung um Ben-Gurion und Weizmann hingegen blendete das heikle Thema fast vollständig aus, obwohl die Zeichen schon lange vor Gründung des Staates Israel auf Sturm standen.



        www.bpb.de/themen/...e-arabische-frage/



        Im Grunde sind es die Palästinenser, die diese ungelösten Konflikte innerhalb des Zionismus und damit der gesamten jüdisch-israelischen Gesellschaft bzw. des staatlichen Selbstverständnisses Israels jetzt ausbaden müssen.

  • Bei aller Abneigung gegen Hamas und Co: Am Tod von Kindern gibt es nichts zu feiern und es gibt Unschuldige im Gaza-Streifen.

    • @aujau:

      Und, jawohl, es ist ein Unterschied, ob Schutz- und Rücksicht in den Aktionen erkennbar werden und 5 oder 10 Unschuldige (Kinder, Frauen, Männer) sterben.



      Oder ob die Behauptung solcher Schutzmaßnahmen sich immer wieder als Farce erweist, und 16.000 Kinder sterben. Und die Schutzmaßnahmen selbst zur Waffe umfunktioniert werden.

    • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin
      @aujau:

      Es gab unschuldige, minderjährige Nichtkombattanten auch in der deutschen Zivilbevölkerung während des Zweiten Weltkrieges. Trotzdem war der robuste, großangelegte Einsatz gegen das Dritte Reich und dessen Städte gerecht.

      Hitler, der heute vor 85 Jahren den Krieg begonnen hatte, musste gestoppt werden. Auch nachdem er sich feige umgebracht hat, kämpften Wehrmacht und SS eine furiose Woche lang munter weiter gegen die Alliierten.

      Die Hamas kann den Krieg in Gaza zu jedweder Zeit beenden.

      • @Michaela Dudley:

        Äh .... nein, kann sie nicht. Netanjahu hat nie zugesichert, dass nach Freilassung der Geiseln seine Angriffe enden. Mal abgesehen davon, dass sein Wort nichts wert ist. Wer 20 Jahre lang in Verhandlungen stolz darauf ist, jedes Ergebnis zu verhindern und zu sabotieren - mit dem lohnen keine Verträge.



        Und ihre analogie zu Hitler ist unangemessen. Man kann mit Hitler vergleichen - aber Sie setzen gleich.



        Und zum Zeitpunkt der Luftangriffe auf Hamburg und Dresden gab es das heutige Kriegs- und Völkerrecht nicht.



        Es steht bereits fest, dass nach heutigem Recht beide Luftangriffe am Ende des Krieges als Kriegsverbrechen gälten.

      • @Michaela Dudley:

        "Die Hamas kann den Krieg in Gaza zu jedweder Zeit beenden."

        Kann sie nicht - empirisch bewiesen. 2006 erklärte die Hamas eine einseitige Waffenruhe und hielt sich daran - drei Monate lang. In diesen 3 Monaten sind im Schnitt auf jeden Quadratkilometer des Gaza-Streifens 17 israelische Geschosse niedergegangen.

        Also: In der jetzigen Situation einseitig die Kämpfe einzustellen würde Israel nicht dazu bringen, die Zivilbevölkerung zu verschonen.

      • @Michaela Dudley:

        Ähm „Nichtkombattanten“ ?

        Haben Sie den Artikel gelesen. Es geht um Kinder, die in dem annektierten Gebiet, in dem sie wohnen, Spielplätze vorenthalten werden.

        Dafür müssen Sie mit Bussen zu anderen Spielplätzen hin gekarrt werden und das auf Straßen, wo die Menschen ethnisch, getrennt auf verschiedenen Fahrspuren fahren.

        Das ist kein Krieg. Das ist die israelische Familienpolitik palästinensischen Kindern gegenüber.

      • @Michaela Dudley:

        Nun war das dritte Reich eine Weltmacht mit gigantischen Kriegsmitteln, das die ganze Welt in einen sechs Jahre dauernden Krieg zwang.



        Und Gaza? Nur mit viel Ideologie lässt sich so ein Vergleich stemmen. Eine Ideologie, die in Israel nur bei den rechtsextremen zu finden ist, die derzeit leider an der Macht sind. Die Linke in Israel findet natürlich keine solchen Vergleiche um das Leid zu rechtfertigen.



        Dass viele Menschen nicht davon ablassen können all die Toten Kinder oder Opfer der internationalen Hilfskräfte in Palästina als notwendig zu verstehen ist offensichtlich ein Verdrängungsmechanismus. Auf Kosten der Leben vieler weiterer Kinder.



        Die rechtsextremen in Israel befürworten das Töten der Palästinenser ganz allgemein. Und betonen, dass die Hamas gar nichts tun kann, um diesen Krieg zu beenden.

      • @Michaela Dudley:

        Ich kann mich nur der Antwort @Aujaus auf Ihren Kommentar anschließen.



        Und meinen Sie nicht, dass es problematisch ist, im Kontext mit dem Bombenkrieg gegen deutsche Städte und den Todesopfern - überhaupt im Zusammenhang mit Krieg wie jetzt in der Ukraine oder in Gaza - von „Gerechtigkeit“ zu sprechen? Gerechtigkeit könnte schließlich jede Seite für sich reklamieren.



        Angebrachter finde ich es, in solchen Zusammenhängen von „notwendigem Übel“ zu reden. Das Ziel der Zerschlagung der Hamas wäre ein derartiges Übel … und die Frage der Verhältnismäßigkeit ist auch da zu stellen.

      • @Michaela Dudley:

        Ich bestreite auf keinen Fall das Recht und die Notwendigkeit für Israel, sich gegen die völlig ausserhalb jeder Legitimität agiererende Hamas und deren Steuerer Maßnahmen zu ergreifen. Wir sind uns ebenfalls darin einig, dass die propalestinensische Szene kaum noch inhaltlich und formell diskursfähig ist. Das muss klar bleiben. Trotzdem gibt es Gründe für Kritik an israelischen Ultras .

        • @aujau:

          Einen Mangel an Diskursfähigkeit kann man primär bei den Unterstützern Israels beobachten, die hartnäckig die israelische Rolle in diesem Konflikt leugnen, und auf absurdeste Arten jegliche israelischen Verbrechen relativieren und rechtfertigen. Ich habe noch keinen einzigen selbsternanten Israelunterstützer erlebt, der anerkennt, daß Israel kein unschuldiges Opfer ist. Nicht einen. Das ist der Beleg für totale Diskursunfähigkeit.

      • @Michaela Dudley:

        Ein verstörender Vergleich angesichts des Artikels auf den er sich bezieht. Schon erstaunlich, hier ein derart geschichtsverdrehenden Kommentar zu lesen. Das letzte Aufgebot des Nationalsozialismus in seinem Welteroberungs- und Rassenwahn mit den zivilen Opfern in der palästinensischen Bevölkerung unter israelischer Besatzung zu vergleichen, empfinde ich als zynisch und intellektuell unaufrichtig. Ich fürchte, wer so etwas schreibt, schreckt potenziell auch nicht davor zurück, Alleinstellungsmerkmale anderer historischer Vorgänge zu verdrehen oder zu relativieren, wenn es in das eigene politische Schema passt.

      • @Michaela Dudley:

        Vielen Dank, dass Sie immer wieder dagegen halten!

      • @Michaela Dudley:

        Das Problem, um das es hier geht, sind schwere Kriegs- und Völkerrechtsverbrechen, welche durch die USA und Deutschland unterstützt werden.

        Dies mit dem damaligen Krieg gegen Hitler zu vergleichen, grenzt nicht nur an, sondern geht direkt in Geschichtsrevisionismus über.

    • @aujau:

      Leider wird viel zu oft relativiert mit den Worten: 07.10. und Hamas. Sieht man auch hier. Sieht man unter jeder Meldung. In Deutschland sind die medien auch sehr darauf aus nur eine Seite dar zu stellen.

      Man darf die Opfer auf beiden Seiten beweinen und man darf verstehen das dieser Konflikt kein schwarz oder weis kennt. Er ist Brutal und menschenverachtent. Er ist das aushaengeschild unserer Gesellschaft die nur noch Hass und mord kennt.

      • @Welt Bürger:

        Es muss festgehalten werden, dass Hamas anstatt die Palästinenser im Gazastreifen weiterzuentwickeln, die Gelder aus Entwicklungshilfe größtenteils für Tunnel und Raketen verwendet und die jetzt bestehende Situation bewusst geplant hat. Hamas ist schuldig an der Situation der Palästinenser.

        • @aujau:

          Ich kann kaum anders, als mitIhrem Usernamen zu reagieren: Au Au...



          Man muss die Hamas nicht mögen, um die Verantwortung für die gruselige Lage zunächst einmal bei Israel zu suchen: Das alles hat nicht am 7.Okt. angefangen, auch nicht mit Netanjahu. Aber 20 Jahre Netanjahu Politik, Ben G'vir, Katz und Smotrich als Minister sind zu 100% israelische, nein: jüdisch-israelische Verantwortung.



          Ebensowenig, wie die Apartheid von den schwarzen Südafrikanern eingeführt wurde, liegt im Nahen Osten die Verantwortung für die Lage bei der Hamas oder Palästinensern im allgemeinen.



          BTW: Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela hat als Terrorist angefangen. So ändern sich Bewertungen im Lauf der Zeit. Dasselbe galt mal für einen israelischen Premier - der ebenfalls Friedensnobelpreisträger wurde.



          Solche Leute wurden von Israelis vom Schlage Ben G'virs und Smotrichs getötet....



          Das alles kann man nicht einfach ausblenden mit "die Hamas ist schuld".

          • @Monomi:

            Mandela hat nicht als Terrorist angefangen. Aber er wurde zum Terroristen als Reaktion auf den Terror der südafrikanischen Regierung.

        • @aujau:

          Genau das meine Ich. Die Geschichte diese Konflikts ist 75 Jahre lang. Wir müssen verstehen das terroristen nur dort Anhänger finden wo etwas fehl läuft.



          Wenn es den palästinensern in Ihrer Heimat gut ginge hätten die Hamas kaum unterstützer. Wenn sie fair leben könnten auf Land was Jahrhunderte Ihnen gehörte anstat zu leben wie in der Westbank?

          Glauben sie wirklich dieser konflikt aus einem friedlichen Nachbarschaftsverhältnis entstand? Wenn ja dann bitte ich sie mehr darüber zu lesen. Leider sind hier 75 Jahre Streit gemündet in einem Terrorakt und einer retaliation die genutzt wird ein für alle mal zur auslöschung zu führen.

          • @Welt Bürger:

            Ok, halten wir fest: Der Hamas blieb gar nichts anderes übrig, als den 7. Oktober zu veranstalten?



            Antisemitismus? Islamismus?



            Und dieses völkische "Land, was Jahrhunderte ihnen gehörte". Auf dem Land haben schon immer Juden, Christen, Drusen, Muslime, Beduinen, ... gelebt. Einige davon sogar ein paar Jahrhunderte länger als die heutigen Palästinenser...

            • @Kai Ayadi:

              Die Gruppe der heutigen Palästinenser besteht aus Nachfahren aller möglichen Menschen, die dort früher gelebt haben. Darunter auch Juden, die zum Islam oder Christentum konvertiert sind, aus Nachkommen der Griechen und Römer, die dort vor 2000 Jahren lebten oder von Philistern, Kanaanitern, Edomitern und Samaritanern. Dass die Bezeichnung "Palästinenser" sich aus neueren Bezeichnung für das Land (nicht zuletzt daraus, dass das britische Mandat so hieß) ableitet, spielt für historische Betrachtungen überhaupt keine Rolle. Und für die politischen Rechte der Bevölkerung spielt es weniger eine Rolle, wer dort vor Jahrhunderten lebte, sonder wer heute dort lebt.

            • @Kai Ayadi:

              Es ist einigermaßen schlechter Stil, anderen Foristen Aussagen in den Mund zu legen - in dem Beitrag, auf den Sie antworten, wird nicht behauptet, das Massaker nicht als Notwendigkeit beschrieben oder anders gerechtfertigt, sondern lediglich auf eine Vorgeschichte eskalierender Gewalt hingewiesen, die man nicht ausblenden kann, wenn man über den NO-Konflikt spricht.



              Und dazu gehört eben auch die Tatsache, dass die Gründung Israels mit Vertreibungen einhergegangen ist - übrigens durch Menschen, die dort nicht unbedingt seit Jahrhunderten gelebt haben: Sie argumentieren hier im Grunde ethnonationalistisch, weil sie nicht zwischen der alteingesessenen jüdischen Bevölkerung Palästinas und den erst mit dem Aufkommen des Zionismus Eingewanderten unterscheiden. Das ist eine Entwicklung, die nicht mehr umkehrbar ist - aber man kann vielleicht zur Kenntnis nehmen, dass andere dafür einen schrecklichen Preis bezahlen mussten.

  • Hat nach diesem Artikel noch irgend jemand ein Problem damit Israel einen Apartheid Staat zu nennen? Getrennte Straßenseiten für die einen und die anderen?



    Warum braucht es offenbar 50 Jahre und einen tödlichen Unfall mit Kindern, bis die Nachricht solcher Regeln in deutschen Medien veröffentlicht werden?

    • @Monomi:

      Das ist eigentlich nichts neues.

      Wer sich mit der Region einmal beschäftigt hat, kennt die Zustände.

      Neue Israelische Siedler:innen werden mit guter Infrastuktur und staatlicher Unterstützung gelockt.

      Wie es bei den Palästinensern im selben Gebiet aussieht schildert der Artikel ja ganz gut.

      Illegale Siedlungen von israelischen Siedlern werden nachträglich legalisiert.

      Illegale Häuser von Palästinensern hingegen werden abgerissen.

      Palästinenser bekommen meist keine Baugenehmigungen (über 90% werden abgelehnt) weder für Häuser, noch für Brunnen.

      Die Liste ist endlos

  • Das Interview strotzt an Belegen dafür, daß Israel de facto ein Apartheidsstaat ist. Die palästinensischen Kinder und der Lehrer, die bei dem Unfall ums Leben gekommen sind, sind direkte Opfer der israelischen Apartheidspolitik. Ein Staat wie Israel kann kein Partner sein. Er gehört sanktioniert und international isoliert.

  • Getrennt zu befahrene Straßen!



    Das kannte man nicht mal und in Südafrika.

    • @Rudolf Fissner:

      nunja die einen müssen durch Checkpoints und die anderen nicht.

      Getrennte Straßen sind somit nur eine logische Konsequenz, sonst würden die Siedler:innen auch im Stau stehen, vor den Kontrollen.