Erica Zingher
Grauzone
: Reißt euch mal zusammen, liebe CDU!

Foto: Stefanie Loos

Keine Panik. „5 vor 1933“, wie es im Titel des gerade erschienenen Buchs des Aktionskünstlers Philipp Ruch vom Zen­trum für Politische Schönheit (ZPS) behauptet wird, ist es in Ostdeutschland nicht.

Dabei überrascht diese schamlos geschichtsvergessene Übertreibung nicht, hat sich Ruchs ZPS mit seinen Aktionen in der Vergangenheit doch wenig sensibel und informiert präsentiert, wenn es um Geschichte ging. Ich bleibe lieber bei der Realität, die sieht ohne NS-Vergleich düster genug aus.

Die bedrohliche Prognose für den Wahl­ausgang im Osten im September lautet: Die AfD wird stärkste Kraft werden. Entscheidend wird sein, wie die demokratischen ­Parteien mit diesem Ergebnis umgehen werden.

Wenig hoffnungsvoll hat mich da der Blick nach Thüringen gestimmt. Dort will die CDU nicht mit der AfD, aber auch nicht mit der Linken. Dafür gibt es einen Parteitagsbeschluss. Die Lösung könnte das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sein, so konnte man CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann diese Woche verstehen.

Dabei ist über das BSW schon genug bekannt, das einem CDUler wie ihm zu denken geben sollte.

Kurze Erinnerungsstütze: Wagenknechts Partei ist linksreaktionär, antiwestlich und populistisch; sie verharmlost Putin und dessen Kriegsverbrechen, ist ein Verstärker für die russische Propaganda, gibt vor, friedensbewegt zu sein, klammert dabei aber bewusst diejenigen aus, die, anders als der Kriegstreiber Putin, tatsächlich für den Frieden kämpfen.

Aber das weiß Linnemann natürlich. Für die CDU in Thüringen und in den anderen ostdeutschen Bundesländern geht es darum, nach der Wahl in Machtpositionen zu kommen.

Das ist weder überraschend noch verwerflich.

Erica Zingher arbeitet als Journalistin für den Verein democ.

Hier ­erscheinen zwei Kolumnen im Wechsel. Nächste Woche: „Geraschel“ von Doris Akrap

Aber es ist absurd, sich dafür ausgerechnet das BSW als Rettung auszusuchen, wenn die Linkspartei unter Bodo Ramelow doch in entscheidenden Fragen viel weniger problematisch ist. Ramelow spricht sich zwar grundsätzlich gegen Waffenlieferungen in Kriegsgebiete aus, schafft es aber wenigstens, sich verbal mit der Ukraine zu solidarisieren und Russland als Aggressor zu benennen.

Und was sagt das BSW? „Wir werden uns nur an einer Landesregierung beteiligen, die auch bundespolitisch klar Position für Diplomatie und gegen Kriegsvorbereitung bezieht“, meint Wagenknecht. Heißt übersetzt: Wer die Ukraine finanziell in ihrem Überlebenskampf gegen das imperiale Russland unterstützt, kann die Zusammenarbeit mit dem BSW auf Landesebene vergessen.

Linnemann und die Thüringer CDU müssen sich jetzt zusammenreißen. Diesen Herbst steht die demokratische Zukunft ostdeutscher Bundesländer auf dem Spiel. Für Thüringen plant AfD-Chef Björn Höcke nämlich eine völkische Zukunft. Anders lässt sich das Wahlprogramm mit dem Titel „Alles für Thüringen“, der an den Slogan der nationalsozialistischen SA erinnert, den Höcke in der Vergangenheit verwendete und wofür er zweimal verurteilt wurde, nicht verstehen.

Wagenknecht ist keine Alternative zur AfD

Wenn der CDU daran gelegen ist, dass in Thüringen künftig weder AfD noch BSW regieren, sollte sie dort ihren Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Ramelow-Linken überdenken. Für eine konservative Partei ist das verständlicherweise schwer. Doch weil Grüne und FDP wohl aus dem Landtag fliegen werden und die SPD im Osten in einer noch schwereren Krise steckt als im Westen, sollte sie sich dazu durchringen, pragmatisch auf den Wählerwillen zu reagieren.

Ein Bündnis mit dem BSW sollte nicht dazugehören. Denn eine Partei, deren Chefin darauf aus ist, ihre Putin-freundliche Propaganda zu verbreiten, ist in entscheidenden Punkten keine Alternative zur AfD.