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Angriff auf AfD-KommunalpolitikerWieder Gewalt in Mannheim

In Mannheim hat ein Mann ein AfD-Mitglied mit einem Messer angegriffen. Laut Polizei gibt es Hinweise auf eine psychische Erkrankung.

Erneut soll es in der Innenstadt von Mannheim zu einer Gewalttat gekommen sein, diesmal gegen AfD-Politiker Heinrich Koch Foto: imagebroker/imago

Berlin taz | Erneut ist es zu einem Messerangriff in Mannheim gekommen. Laut AfD-Chef Tino Chrupalla wurde der Mannheimer AfD-Gemeinderatskandidat Heinrich Koch mit einem Messer verletzt, als er „Plakatzerstörer stellte“. Co-Parteichefin Alice Weidel sprach von „einer erschreckenden Tat, die einen fassungslos macht“.

Laut einer gemeinsamen Pressemitteilung von Staatsanwaltschaft und Polizei Mannheim ist es am Dienstagabend um 22:30 Uhr in der Schwabenheimer Straße in Mannheim zur Festnahme eines 25-jährigen Tatverdächtigen gekommen. Dieser habe zuvor auf der Relaisstraße mehrere Wahlplakate beschädigt und entwendet, „aufmerksame Zeugen“ hätten die Polizei verständigt.

Ein AfD-Politiker, der ebenfalls auf das Geschehen aufmerksam geworden war, habe den Tatverdächtigen verfolgt und gestellt. Daraufhin habe der Tatverdächtige den AfD-Politiker mit einem Cuttermesser verletzt. Danach sei der 25-Jährige geflohen, konnte aber durch die Polizei widerstandslos festgenommen werden, so die Polizei gegen Mittag.

Laut Polizei haben sich bei dem 25-jährigen Tatverdächtigen während der Festnahme deutliche Hinweise auf eine psychische Erkrankung ergeben, weswegen er in ein psychiatrisches Krankenhaus eingeliefert worden sei. „Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand liegen keine konkreten Hinweise vor, dass der Tatverdächtige bei dem Angriff erkannt hatte, dass es sich bei dem Geschädigten um einen AfD-Politiker handelt“, schrieb die Polizei.

Am Mittwochnachmittag wurde der Tatverdächtige dem Ermittlungsrichter vorgeführt. Dieser erließ den von der Staatsanwaltschaft Mannheim beantragten Unterbringungsbefehl wegen versuchten Totschlags und ordnete die einstweilige Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an.

AfD spricht von drei Männern

In einem 21 Sekunden langen Video, das die Tat zeigen soll und offenbar von Koch gefilmt wurde, sieht man, wie dieser einem jungen Mann mit AfD-Plakaten unter dem Arm und einem Cuttermesser in der Hand hinterherläuft. „Halt, bleiben Sie stehen“, fordert der Filmer auf. „Hinlegen!“ Wortlos holt der Gefilmte daraufhin aus, das Bild verwackelt, man hört einen Schmerzensschrei. Der Gefilmte läuft davon, der Filmer ruft nach der Polizei. Dann endet das Video, das der taz vorliegt.

Für Mannheims AfD-Vorsitzenden Rüdiger Ernst war klar, dass Koch „durch einen Linksextremisten“ angegriffen worden sei, nachdem er diesen beim Plakateabreißen „ertappt“ habe. Nach AfD-Angaben seien drei Personen beteiligt gewesen. Als Koch den „Plakatabreißer“ angesprochen habe, sei er „unvermittelt“ angegriffen und „schwer verletzt“ worden. Koch selber habe die Tat gefilmt. Die beiden anderen Männer hätten entkommen können. Laut Ernst erlitt Koch eine Schnittwunde am Bauch und eine am Kopf. Er werde am Mittwoch das Krankenhaus wieder verlassen können.

Bereits bevor die Polizei sich geäußert hatte, klang es von Seiten der AfD recht eindeutig. Rechtsextremist und Geschichtslehrer Björn Höcke bemühte gar den historisch schiefen Vergleich mit den 1920er Jahren, als paramilitärische Kampfverbände der Nazis und Kommunisten sich häufiger Straßenschlachten mit zahlreichen Todesopfern lieferten: „Mannheim ist das nächste Weimar. Eskalation des Islamismus. Eskalation der Antifa. Wir werden beides beenden müssen.“ Es ist nicht das erste Mal, dass Höcke bürgerkriegsähnliche Zustände herbeireden will.

AfD mobilisiert zu Freitag für Demo nach Mannheim

Parteichef Chrupalla behauptete auch: „Unsere Mitglieder und Repräsentanten sind am häufigsten Opfer politischer Gewalt und Zerstörung“ – obwohl die Statistiken fürs Jahr 2023 belegen, dass die Grünen am häufigsten attackiert wurden.

Die AfD mobilisiert nach dem Angriff auf den Anti-Islam-Aktivisten Michael Stürzenberger Ende vergangener Woche ohnehin zu einer Demonstration am Freitagabend in Mannheim. „Für Meinungsfreiheit und Sicherheit im öffentlichen Raum“, lautet der Titel. Der Aufzug dürfte angesichts des Vorfalls um Heinrich Koch nicht weniger hitzig werden.

Am Freitag hatte der 25-jährige Sulaiman A. eine Kundgebung des Anti-Islam-Aktivisten Michael Stürzenberger mit einem Messer angegriffen und sechs Personen verletzt, darunter den Polizisten Rouven L. tödlich. Die Tat hatte breites Entsetzen ausgelöst, inzwischen ermittelt die Bundesanwaltschaft zu dem Fall. Die Ermittler gehen von einer „religiösen Motivation“ aus.

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22 Kommentare

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  • Menschen gehören anständig und friedlich behandelt, egal, ob sie eine andere Hautfarbe haben, was Zufall ist, oder auch noch so seltsame ausländerfeindliche Sprüche klopfen, was zuzurechnen ist.



    ADis (oder andere) dann einfach anzeigen, unser Rechtsstaat funktioniert.

  • Bei Angriffen auf Repräsentanten liegt die AfD ganz vorne, nur 2022 hatten die Grünen mehr Angriffe auf Repräsentanten, davor wiederum lange Jahre die AfD. Allerdings sind Angriffe nicht unbedingt körperliche Angriffe, Beleidigungen usw. zählen dazu. Die Atmosphäre ist aufgeheizt, und dazu tragen nicht nur die Rechten bei. Übrigens erfolgen Taten gegen die Grünen auch von links, weil sie teilweise als "Verrâter" gesehen werden...

  • Interviewen Sie Ahmed Toprak.

  • Diese Sympathien-Welle für Stürzenberger und AfD empört mich! Als Reaktion auf bisherige Kälte noch mehr Kälte?!



    Nein, die Aufnahme der über eine Millionen Menschen aus Syrien und dem Mittleren Osten war richtig und notwendig. Und viele tausend Freiwillige setzten ihre Unterstützung auch nach dem Charlie Hebdo-Massaker und nach den Silvesterangriffen auf Frauen 2016 fort.



    Es kann vieles Negatives aufgezählt werden.



    Genau deshalb sollten wir alle die Arbeit am gemeinsamen Lernen verstärken und nicht folgern "Das Maß ist voll".



    Alles ist Beziehung, Interaktion. Wenn islamisch geprägte Menschen schnell mit Aggression auf Kränkungen reagieren - wie können sie es ändern?



    Dafür bitte eine ganzseitige Erörterung. KIgA, Ambiguitätstoleranz, Derviş Hizarcı?



    Wie lernen Menschen aus grauenvollen Kriegs-Herrscher-Regionen sich in den westlichen Gesellschaften zurecht zu finden?



    Nicht "Arbeit" Häkchen, "Sprachkurs" Häkchen = Integration. Der Prediger idealisiert ja eine Islam-Fantasiewelt. Als Flucht aus der Realität.

  • @TS80

    Was wollen Sie damit sagen? Dass uns die Polizei etwa anlügt? Oder was sonst?

    Nur raunen bringt nix und ist feige.

  • Die AfD gibt an, dass es sich um drei Personen gehandelt habe. Ob die anderen beiden, sollten sie noch gefasst werden, sich auch als psychisch krank erweisen werden?

  • natürlich ist sie das, hinzu kommt die Tatsache, dass stets psychisch gesunde Unschuldige angegriffen werden.

  • „Parteichef Chrupalla behauptete auch: „Unsere Mitglieder und Repräsentanten sind am häufigsten Opfer politischer Gewalt und Zerstörung“ – obwohl die Statistiken fürs Jahr 2023 belegen, dass die Grünen am häufigsten attackiert wurden.“



    Das ist falsch. Die AfD erleidet die meisten Übergriffe. Die Statistik sagt das glasklar. Bei der Statistik zu den Grünen etc. werden auch Beleidigungen, Pöbeln usw. dazugezählt. Das sagt aber nichts dazu aus, wieviel Gewalt im Spiel war.

    • @Ernie:

      @ERNIE ehrliche Frage. Ich war überrascht über deine Aussage und hatte deshalb mal kurz nachgeschaut und keine Statistik gefunden, die dir recht gibt. Egal ob mit oder ohne Beleidigung, die Grünen führen die Statisitik immer an.

      Aber wie gesagt, nur kurz recherchiert, daher die ehrliche Bitte, wo hast du deine Informationen her? Das würde mich interessieren.

      LG

    • @Ernie:

      Es gibt Artikel, auch hier, die das stärker differenzieren. Sie finden sie.

  • Die unterschiedliche Kommunikation treibt der AfD die Unzufriedenen in die Arme. Beim Polizistenmörder mutmaßt man nach Tagen noch, ob Islamismus ein Motiv sein könnte, in diesem Fall wird der Täter sofort von der Polizei als psychisch erkrankt bezeichnet. Man muss sich über die Entfremdung der Bürger von Politik, Medien und Staatsorganen sowie in Folge über die Wahlergebnisse wahrlich nicht wundern. Das wird nicht gut enden, wenn Probleme nicht offen angesprochen werden.

    • @TS80:

      Vielleicht gibt es den Unterschied, weil hier der Täter am Wegrennen war, bevor er jemanden verletzte.

      Wie das Video des AfD’ers beweist.

    • @TS80:

      es wäre nicht so einfach, der Tat des jungen Cutters seine christlichen Werte als Motiv zu unterstellen. Der zufällig muslimische Attentäter war auch psychisch angegriffen.

    • @TS80:

      Was wird nicht sehr umfänglich und ausgebreitet angesprochen?

      Während der vierte in den süddeutschen Extremwetterfluten umgekommen ist.

  • Psychische Erkrankung, ok. Das ist politisch unverfänglich.

  • Unsere Polizei erkennt eine psychische Erkrankung direkt vor Ort . Die Polizeiausbildung ist also auch in psychiatrischer Hinsicht sehr gut, Respekt.

    • @Filou:

      Mit Diagnosen ist in der Tat Vorsicht geboten.







      Ich kann nur mutmaßen, dass da halt jemand sehr auffällig wirres Zeugs redete. Sie kennen doch auch die Leute in den Fußgängerzonen oder an der Dorfhalle, die gegen alle und alles sind und einfach Dinge runterreißen etc.

    • @Filou:

      Die Hinweise auf eine Erkrankung zu erkennen, gehört zu ihrem Job.

      Sonst würde sie ja nie Leute in der Psychiatrie vorstellen können.

      Mittlerweile wird teilweise erwartet, dass Polizistinnen die Hinweise differenziert zuordnen können und sich entsprechend korrekt verhalten.

      Kein einfacher Job, richtig.

  • "Unsere Mitglieder und Repräsentanten sind am häufigsten Opfer politischer Gewalt und Zerstörung“ -stimmt ->de.statista.com/st...-parteimitglieder/



    "obwohl die Statistiken fürs Jahr 2023 belegen, dass die Grünen am häufigsten attackiert wurden." -stimmt auch ->de.statista.com/st...eirepraesentanten/

    Immer auch eine Frage welche Statistik man zur Meinungsbildung nutzen möchte

    • @Buddy:

      Richtig. Es ist ein Unterschied jemand mit einem Messer zu verletzen oder jemand zu beleidigen. So gesehen erleidet die AfD zu meisten Übergriffe. Das ist schlimm und eines Demokraten nicht würdig.

  • Da hier ausschließlich von 25 jährige männlichen Personen eine Gefahr für die AfD ausgeht, macht das eine Rasterfahndung geradezu unumgänglich.

  • Die Zahlen bei Statista zu Angriffen auf die unterschiedlichen Parteien sind durchaus interessant. Bei zerstörten Wahlplakaten, Angriffen auf Parteibüros usw. liegen die großen Parteien alle im vergleichbaren Größenordnungen. Bei den Angriffen auf Parteivertreter haben die Grünen dann aber mehr Angriffe auf sich vereint als alle anderen zusammen. Allerdings sind dabei bei 1400 Angriffen fast 1000 reine "Äußerungsdelikte" verzeichnet, während diese Kategorie bei der AfD komplett zu fehlen scheint. Wahrscheinlich rührt die große Diskrepanz also eher von einem unterschiedlichen Anzeigeverhalten her.