EU-Ägypten-Abkommen: Europas neuer Lieblings-Diktator Sisi
Die EU und Ägypten unterschreiben ein neues Abkommen: Eine gut gefüllte Finanzspritze für Herrscher al-Sisi und vielleicht weniger Migranten für die EU.
Staatspräsident Abdel Fatah al-Sisi möchte mit dem so vereinbarten Finanzierungspaket in Höhe von 7,4 Milliarden Euro die strauchelnde Wirtschaft seines 106-Millionen-Einwohnerlands vor dem Absturz retten. Der Krieg in Gaza, schwindende Einnahmen auch aus dem Tourismus und der Absturz des ägyptischen Pfunds haben die sozialen Spannungen im Land in den vergangenen Wochen ansteigen lassen. Im Gegenzug für das EU-Geld verpflichtet sich al-Sisi, die Migration über das Mittelmeer nach Europa einzudämmen. Konkret geht es um Kredite in Höhe von 5 Milliarden Euro, Investitionen im Umfang von 1,8 Milliarden Euro, 400 Millionen Euro für bilaterale Projekte sowie 200 Millionen Euro für Programme im Bereich Migration.
Kooperationen im Bereich der Terrorismusbekämpfung und des Grenzschutzes könnten – ähnlich wie mit Tunesien vereinbart – außerdem zu gemeinsamem Training mit europäischen Spezialeinheiten führen. Das im letzten Sommer mit dem tunesischen Präsidenten Kais Saied unterzeichnete Migrationsabkommen dient als Blaupause für den Deal mit Ägypten. Die EU hofft auf Ägypten als strategischen Partner, der die Grenze zu Libyen dichtmacht. Immer mehr der Millionen Kriegsfliehenden aus dem Sudan durchqueren Ägypten und werden dann von Schmugglern über die libysch-ägyptische Grenze gebracht.
„In Bussen transportieren die Schmuggler die Migrant:innen und Flüchtlinge innerhalb von zwei Tagen vom Grenzübergang Sallum zwischen Libyen und Ägypten nach Westlibyen oder nach Sfax in Tunesien“, sagt der libysche Migrationsexperte Muftah Lawhel. Dort legen dann die Boote nach Europa ab. Mit dem nun auf dem Mittelmeer erwarteten Frühlingswetter rechnen Menschenrechtsaktivisten mit neuen Rekordzahlen von nach Italien ablegenden Schmugglerbooten.
Kritik von NGOs: „Migranten stoppen, Missstände ignorieren“
Die bis 2027 festgelegten Überweisungen aus Brüssel sind daher wohl an die tatsächliche Umsetzung der Versprechen al-Sisis geknüpft. Eine Milliarde Euro Makrofinanzhilfe soll sofort fließen, die restlichen 4 Milliarden Euro der Kredite müssen noch vom Europäischen Parlament genehmigt werden. Der Großteil der Gelder sei in enger Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds ausgearbeitet worden, so ein Beamter der EU-Kommission gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sieht in dem EU-Abkommen mit Kairo die Fortsetzung von Unrecht: „Der Plan ist derselbe wie bei den fehlerhaften EU-Abkommen mit Tunesien und Mauretanien: „Migranten stoppen, Missstände ignorieren.“
Die Lage nahe der tunesischen Küstenstadt Sfax zeigt außerdem, wie schwer es ist, den im Geheimen operierenden Migrationsnetzwerken beizukommen. Bei Sfax hausen derzeit Tausende Migranten und Geflüchtete auf Feldern und warten auf ihre Abfahrt nach Europa. 105 Millionen Euro hatte Brüssel nach Tunis überwiesen, um die Kooperation im Bereich Migration zu verbessern. Die tunesischen Behörden wählten eine einfachere Lösung und vertrieben die aus Subsahara-Afrika stammenden Menschen aus Sfax, und damit aus der Öffentlichkeit, in nahe Dörfer.
„Migrant:innen und Flüchtlinge bleiben für Autokraten ein Faustpfand für die Gespräche mit Europa“, sagt der tunesische Migrationsexperte Zied Meluli. „Egal, wie viel überwiesen wird.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei