Die Jungen rutschen nach rechts

Bei unter Dreißigjährigen ist die AfD in Hessen und Bayern beliebt. Warum?

Von Adefunmi Olanigan

Unerwartet viele junge Wäh­le­r:in­nen machten bei den Landtagswahlen bei der Alternative für Deutschland (AfD) ihr Kreuz, gleichermaßen in Bayern wie auch in Hessen. Laut Befragung am Wahltag gab die Gruppe der unter 30-Jährigen in Bayern 18 Prozent ihrer Stimmen der AfD. Wesentlich mehr als in ihrem Gesamtergebnis, in dem sie 14,6 Prozent erhielten. Zur letzten Landtagswahl 2018 waren es nur 10 Prozent der Jungen, die die Rechtspopulisten wählten.

Zwar war der Anteil in Hessen etwas weniger, dennoch haben 17 Prozent der Wäh­le­r:in­nen der zwischen 18- und 29-Jährigen die AfD gewählt. Im Vergleich zu 18,4 Prozent, die die Partei insgesamt einfuhr. Das sind bislang die höchsten Ergebnisse bei Landtagswahlen in westdeutschen Bundesländern.

Schon davor überraschten die Ergebnisse der U18-Wahlen in Bayern. Dadurch zeigte sich: Auch die, die noch gar nicht wählen dürfen, würden die AfD mit 15 Prozent wählen, hinter der CSU, die 26 Prozent der Stimmen erhielt. Diese Entwicklung zeigte sich bereits in den ostdeutschen Bundesländern. „Aber dass dies nun auch ein Trend in Bayern ist, kommt überraschend“, sagte die Politologin Ursula Münch dem Evangelischen Pressedienst am 2. Oktober. Es scheint kein rein ostdeutsches Phänomen zu sein.

Woran liegt es, dass so viele junge Menschen die AfD wählen? Gilt die junge Generation nicht als sehr weltoffen und klimabewusst?

Für Gründe lohnt es sich, zurück auf die Bundestags- und Landtagswahlen 2021 in Sachsen-Anhalt zu schauen. Dort wählten vor zwei Jahren die unter 30-Jährigen die AfD zur stärksten Kraft – auch wenn insgesamt dann doch die CDU gewonnen hatte. Die jungen Wäh­le­r:in­nen fühlen sich von vielen der anderen Parteien nicht ausreichend abgeholt und vernachlässigt. Politikwissenschaftlerin Kerstin Völkl von der Universität Halle glaubte, die Wahlentscheidung 2021 in Sachsen-Anhalt habe vor allem drei Gründe: Menschen im ländlichen Raum fühlten sich abgehängt, fehlende Zulaufstellen in Form von Jugendclubs und die Pandemie, die junge Menschen hart traf. Die multiplen Krisen der heutigen Zeit sind für viele junge Menschen eine große Last. Zu den Wahlen 2021 erklärte Jugendforscher Klaus Hurrelmann den Wahlerfolg unter anderem mit Perspektivangst. Damals war die Analyse: Die AfD schaffe es, sich als Kümmerer zu präsentieren. Die Spaltung zwischen Stadt und Land ist kein rein ostdeutsches Problem. Nicht nur im Osten gibt es strukturschwache Regionen.

Zudem haben grundsätzlich etwa 10 Prozent der jüngeren Wäh­le­r:in­nen eine autoritäre, nationalistische und rechtsradikaler Orientierung. Bei denen könne sich die AfD sicher sein, dass sie gut ankomme, sagt Hurrelmann. Zu dem Ergebnis der Landtagswahlen in Bayern und Hessen sagt er: Hinzu kämen viele enttäuschte Jugendliche, vor allem junge Männer, die trotz der guten konjunkturellen Lage schlechte Chancen in Ausbildung und Arbeit hätten, weil sie ihre schulische Ausbildung nicht erfolgreich geschafft haben. Diese Gruppe sei seit der Pandemie deutlich größer geworden. Viele seien zudem enttäuscht von der Bundesregierung. „Damals hatten vor allem FDP und Grüne bei den jungen Leuten stark gepunktet, durch den Alltag mit politischen Kompromissen aber haben sie an Attraktivität und Vertrauen stark verloren.“ Diese Stimmung, so sehe es aus, habe die AfD als Oppositionspartei voll ausnutzen können, so Hurrelmann.