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Wahlalter 16Ziemlich spät

Kommentar von Marlena Wessollek

Die CDU hat ihren zähen Widerstand gegen das Wahlalter aufgegeben. Ein Schritt, der mehr als überfällig ist.

Künftig sollen in Berlin auch 16-Jährige das Abgeordnetenhaus wählen dürfen Foto: Wolfgang Kumm/picture alliance/dpa

E ndlich wählen ab 16! Am Dienstag dieser Woche hat der schwarz-rote Senat den Gesetzentwurf für eine entsprechende Änderung der Berliner Landesverfassung beschlossen. Vorausgegangen waren jahrelange Debatten, passiert ist – abgesehen davon – herzlich wenig. Und das lag insbesondere an der CDU, die sich in der Vergangenheit mit Händen und Füßen gegen eine Absenkung des Wahlalters für die Abgeordnetenhauswahlen gewehrt hat.

Immer wieder hieß es seitens der CDU, dass Jugendlichen die nötige Reife fehle und es nicht nachvollziehbar sei, dass 16-Jährige im Falle einer Wahlrechtsreform zwar nicht voll geschäftsfähig seien, aber wählen gehen dürften. Damit ließ die CDU völlig außer Acht, dass Jugendliche von Politik genauso betroffen sind wie volljährige Menschen und durch ein früheres Wahlalter aktiv in die Gestaltung ihrer Zukunft eingebunden werden. Initiativen wie Fridays for Future zeugen dabei davon, dass sich auch 16-Jährige schon politisch engagieren und für ihre Belange einstehen.

In Jubelstürme bricht man bei den Christ­de­mo­kra­t*in­nen auch jetzt nicht aus, das Projekt Wahlalter 16 hatte letztlich die SPD in den Koalitionsverhandlungen durchgedrückt. Klar ist: Das ganze Vorhaben wird trotzdem reichlich spät umgesetzt. Und es wirft wieder einmal die generelle Frage auf, warum sich Berlin und andere Bundesländer so lange gegen eine Wahlrechtsreform gesträubt haben beziehungsweise immer noch sträuben.

Was das Wahlalter angeht, ist Deutschland ein einziger Flickenteppich. Direkt hinter der Berliner Stadtgrenze in Brandenburg dürfen 16-Jährige bereits seit 2014 den Landtag mitwählen. Im Saarland oder in Sachsen sind 16-Jährige dagegen nicht einmal zu Kommunalwahlen zugelassen. Immerhin an diesem Punkt ist Berlin weiter: Die Bezirksverordnetenversammlungen darf man bereits mit 16 wählen.

Nur rund zwei Prozent zusätzliche Stimmberechtigte

Der zähe Widerstand der CDU gegen eine Reform legt den Verdacht nahe, dass es ihr lange nicht um ernsthafte politische Teilhabe ging. Vielleicht liegt dem plötzlichen Kurswechsel eine Einsicht zugrunde. Vielleicht hatte man auch kein Vertrauen in die Arbeit der Lehrkräfte, die das Fach „Politische Bildung“ an Berlins Schulen unterrichten. Vielleicht ist der CDU aber auch aufgefallen, dass die rund 50.000 zusätzlichen Stimmberechtigten nur rund zwei Prozent der 2,5 Millionen Wäh­le­r*in­nen in Berlin ausmachen und ihr damit nicht im Wesentlichen gefährlich werden.

Sei's drum. Mit dem Senatsentwurf zur Verfassungsänderung geht Berlin zwar nun wahrlich nicht als innovativer Pionier voran, entgeht aber zumindest dem Schlamassel, in puncto zeitgemäßes Wahlrecht den Entwicklungen hinterzuhinken.

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20 Kommentare

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  • Warum nicht gleich auf 14 absenken. Ab da ist man strafmündig.

    • @Der Cleo Patra:

      Ja eben leider nicht vollständig sondern nur sehr eingeschränkt - eingeschränkte Wahlmündigleit gibt es aber nicht.

    • @Der Cleo Patra:

      Aber nur nach dem Jugendstrafrecht. Und voll geschäftsfähig ist man in dem Alter auch noch nicht.

      • @Tom Tailor:

        Das mit den 14 Jahren war auch nur ironisch gemeint.



        Genauso könnten man sagen, wählen darf man erst mit 24 Jahren. Denn dann kann man Entscheidungen besser abschätzen was sie bedeuten.

        • @Der Cleo Patra:

          War früher so, da durfte man erst ab dem 21. Lebensjahr wählen.

  • Überzeugt mich nicht. Das Wahlalter sollte mit der rechtlichen Volljährigkeit übereinstimmen. Wer über die Geschicke des Landes mitentscheiden darf, sollte ja wohl auch für sein persönliches Handeln voll verantwortlich sein bzw. gemacht werden können.

    Statt jedoch die Volljährigkeit auf 16 zu senken,wäre ich eher für einen Verbleib beim Wahlalter 18, weil zwischen 16 und 18 ein erheblicher Reifesprung gemacht wird. 16jährige sind meist geistig näher an 14jährigen als an 18jährigen.

  • "Die CDU hat ihren zähen Widerstand gegen das Wahlalter aufgegeben."



    Das ist nicht konsequent. Es gibt ja auch Leute, die leugnen das Klima, warum soll man dann nicht gegen das Wahlalter sein?



    Aber im Ernst: Manche könnten schon mit 15 eine gut informierte Entscheidung treffen, manche lernen das nie. Wichtig ist, dass man irgendwann lernt, Information von Populismus zu unterscheiden und idealerweise noch, dass es langfristig besser für alle ist, bei der Wahlentscheidung nicht nur seine eigenen kurzfristigen Bedürfnisse zu berücksichtigen.

    • 1G
      14231 (Profil gelöscht)
      @Karl Klammer:

      Nur sind die eigene Peer Group und persönliche Idole für die Meinungsbildung in diesem Alter wesentlich ausschlaggebender als sachliche Informationen und selbständiges Denken. Und ich habe meine Zweifel, dass das viel besungene FFF-Engagement so eindrucksvoll ausgefallen wäre, wenn die Jugendlichen dafür nicht einen Schultag sondern einen Samstag oder Sonntag geopfert hätten.

  • Rechte und Pflichten sollten sich die Waage halten. Also wenn man die Rechte ausweitet, müssen sich auch die Pflichten ändern.

    Aber darüber spricht man heutzutage nicht gern. Alle wollen nur noch Rechte...

  • Was für ein undurchdachter Kommentar!

    Das Prinzip "1 Mensch 1 Stimme" - natürlich ab der Geburt - ist richtig, aber selber wählen darf natürlich nur mit voller Verantwortungsübernahme für das eigene Handeln einhergehen, Stichworte Geschäftsfähigkeit, Haftung, Straffähigkeit.

    Es geht übrigens ausdrücklich nicht um "Wissen", wie von den Pro-16-Befürwortern als Popanz oftmals gern unterstellt.

    Ich denke über ein variables Modell der Volljährigkeit nach, weiß aber noch nicht, wie das praktikabel umgesetzt werden könnte...

  • "Damit ließ die CDU völlig außer Acht, dass Jugendliche von Politik genauso betroffen sind wie volljährige Menschen und durch ein früheres Wahlalter aktiv in die Gestaltung ihrer Zukunft eingebunden werden."

    Das sind auch Babys - finde ich als Argument schwierig. Nicht geschäftsfähig, nicht strafmündig, ... Naja.

  • Solange frustrierten Schwerdenkern die geistige Reife zugetraut wird, die AFD zu wählen hat mE jede*r 16-Jährige*r das Recht, aktiv an politischen Entscheidungen Anteil zu nehmen.

    • @Ceridwen:

      Und sie meinen die würden nicht u.U. auch die AfD wählen? :D

      Aber mal ernsthaft: wenn die Politik schon meint, das 16 jährige mündig genug sind um die Tragweite ihrer Wahlentscheidung abschätzen zu können, wäre es nur konsequent auch die volle Strafmündigkeit mit 16 Jahren zu erhalten als auch die volle Geschäftsfähigkeit und dem Recht, Verträge aller Art abschließen zu dürfen. Nur Rosinenpickerei wie es hier betrieben wird ist überaus schal.

  • Und die Causa Eiwanger ändert nichts an diesem Vorhaben ?

    Thomas Dräger, D-67098

    • @Thomas Dräger:

      Dass es keinen Mangel an Leuten gab, die das damalige Verhalten der Brüder Aiwanger mit unmissverständlichen Worten kritisierten, *bestätigt* dieses Vorhaben höchstens.

      Wären die Aiwangers nicht mit ihrer Naziapologetik unter den Gleichaltrigen isoliert gewesen, hätten sie die Flugblätter nicht im Alleingang verteilen bzw einsammeln brauchen.

  • Viele sind mit 16 noch Schüler. Ich bin mal gespannt welche Wahlempfehlung die Lehrer dann abgeben.



    Normalerweise sollten die sich neutral verhalten, glaube ich aber nicht.Aber warten wir es ab.



    Ich persönlich halte 16 jährige noch nicht reif wichtige Wahlentscheidungen zu treffen, sonst würde man ihnen auch zutrauen verantwortlich Verträge jeglicher Art abzuschließen, bei voller Haftung.

  • Wenn Jugendliche heute den schon so früh reif sein sollten, weshalb wird nicht zeitgleich über eine Absenkung der Stufen der Strafmündigkeit nachgedacht?

    • @DiMa:

      Genau deiner Meinung. Wenn die Wahlreife schon zwei Jahre runtergesetzt werden soll, dann bitte auch die Strafmündigkeit!

  • Das ist doch eine scheinheilige Debatte. Links ist man für die Absenkung, weil man sich mehr Stimmen erhofft, rechts ist man genau deshalb dagegen. Mehr ist da nicht.

    • @Jochen Laun:

      ...und dann wählen die wieder alle FDP:D