Die Verständnisfrage: SUVs stehen doch auch im Weg!
Warum stellt ihr eure E-Roller mitten auf den Gehsteig, fragt ein Leser. Weil man kaum etwas zu befürchten hat, antwortet eine Mobilitätsforscherin.
In der Verständnisfrage geht es jede Woche um eine Gruppe, für deren Verhalten der Fragesteller_in das Verständnis fehlt. Wir suchen eine Person, die antwortet.
Heinz Fischer, Rentner, 86, aus Frankfurt fragt:
Liebe E-Roller-Fahrende, warum stellt ihr die Scooter so ab, dass sie andere Verkehrsteilnehmende behindern?
***
Uta Bauer, Mobilitätsforscherin, 66, aus Berlin antwortet:
Man bezahlt die E-Roller pro Minute. Das verleitet viele dazu, lieber Kosten zu sparen als in Ruhe über den optimalen Abstellort nachzudenken. Das Geschäftsmodell der Elektroscooter-Unternehmen ist der Tür-zu-Tür-Service. Viele nutzen E-Roller eben, weil man sie einfach und unkompliziert vor der Haustür stehen lassen kann.
Außerdem kennen viele Nutzende die Regeln für den Gebrauch der E-Roller nicht genau – oder gar nicht. Sie sind aber auch kompliziert und schwer zu kommunizieren: E-Scooter sind Kraftfahrzeuge, deshalb gelten zum Beispiel die gleichen Promillegrenzwerte wie bei Autos. Man darf mit den Rollern aber nur auf Radwegen fahren. Gibt es keinen, müssen Fahrer:innen auf die Straße ausweichen. Das erscheint vielen als zu gefährlich. Auf dem Gehweg zu fahren ist aber nicht erlaubt. Nur geparkt werden sollen die Fahrzeuge dort – sofern es keine für sie vorgesehenen Abstellflächen gibt.
Einige Kommunen versuchen die chaotische Situation durch sogenannte Sondernutzungsvereinbarungen zu steuern. Das heißt, in Berlin können beim Abstellen der Roller andere Regelungen gelten als in München, Köln, Stuttgart oder Castrop-Rauxel. Oft sind es Tourist:innen, die das Angebot nutzen. Ich halte es für unrealistisch, dass jemand die Sondernutzungsvereinbarung googelt, wenn er oder sie schnell in Berlin zur nächsten U-Bahn-Station fahren will.
Und obwohl es Regeln gibt, haben Fahrer:innen bei Verstößen kaum etwas zu befürchten. Die Unternehmen haften nicht, weil sie den Verstoß nicht begangen haben. Sie können die letzten Nutzenden zwar ermitteln, aber diese Person kann einfach widersprechen und sagen, dass der Roller ordnungsgemäß abgestellt wurde und ihn jemand anderes in den Weg gerückt habe. Im Grunde kann man Falschparkende nur überführen, wenn man sie auf frischer Tat ertappt.
Lieber Rollerparkplätze statt dicke Autos
Als Lösung bleibt vor allem, dass die Kommune Flächen definiert, auf denen die E-Scooter abgestellt werden müssen, und dass der Mietvorgang nur dort beendet werden kann. Damit Menschen die Roller weiterhin nutzen, bräuchte es ein engmaschiges Netz von Abstellmöglichkeiten, alle 150 bis 200 Meter.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
In einigen Städten wie München gibt es das bereits. Bestenfalls werden dabei Autoparkplätze im Bereich von Kreuzungen umgewidmet. Durch parkende E-Roller oder Fahrräder hindurch lassen sich die Straßen besser einsehen, als wenn dort ein SUV steht. So werden Kreuzungen sicherer und man schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe.
Meiner Meinung nach ist die Aufregung um die falsch geparkten Roller etwas übertrieben. Natürlich will ich das Problem nicht verharmlosen. Besonders für blinde, mobilitätseingeschränkte oder alte Personen sind im Weg stehende E-Scooter ein riesiges Problem.
Doch jeder fünfte innerörtliche Unfall bei stehendem Verkehr und mit Personenschaden von zu Fuß Gehenden und Radfahrenden geht auf parkende Autos zurück. Das hat die Unfallforschung der Versicherer im Jahr 2020 in einer umfangreichen Studie herausgefunden. Darüber regt sich kaum noch jemand auf. Denn an Pkws, die im Weg stehen, haben wir uns leider gewöhnt.
Häh? Haben Sie manchmal auch diese Momente, wo Sie sich fragen: Warum, um alles in der Welt, sind andere Leute so? Wir helfen bei der Antwort. Wenn Sie eine Gruppe Menschen besser verstehen wollen, dann schicken Sie Ihre Frage an verstaendnis@taz.de.
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