Thomas Heilmann über Heizungsgesetz: „Die Reihenfolge ist falsch“

CDU-Politiker Thomas Heilmann hat per Verfassungsklage das Gebäudeenergiegesetz vorerst verhindert. Nun will er mit der Union eigene Vorschläge machen.

Heilmann, lächelnd, blickt zur Seite

Heilmann: „Ich bin für ein Verbot von Öl- und Gasheizungen im Neubau.“ Foto: Frederic Kern/Future Image/imago

Herr Heilmann, Sie sind Vorsitzender der Klima-Union, die sich in der CDU und der CSU für eine „pragmatische Klimapolitik“ einsetzt. Was ist das?

Thomas Heilmann: Na ja, pragmatisch ist ja kein kompliziertes Wort. Nehmen wir das Beispiel Heizung, weil es gerade aktuell ist. Die Klima-Union ist fest davon überzeugt, dass wir Gas- und Ölheizungen auf Dauer in Deutschland nicht haben dürfen. Warum wurde nicht so schnell wie möglich die kommunale Wärmeplanung forciert, damit die Hauseigentümer wissen, was sie machen können? Und zwar bitte so, dass die Anzahl der mit Nah- und Fernwärme versorgten Gebäude dramatisch steigt.

ist Vorsitzender der Klima-Union. Der 59-jährige Unternehmer sitzt seit 2017 im Bundestag. Von 2012 bis 2016 war der gebürtige Dortmunder Senator für Justiz und Verbraucherschutz in Berlin.

Sie haben mit Ihrem Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht die Verabschiedung des Heizungsgesetzes, des Gebäudeenergiegesetzes, im Bundestag vor der Sommerpause verhindert. Sie sagen, das sei ein Erfolg für den Klimaschutz. Wieso?

Durch die Verschiebung gibt es eine Chance, das Gesetz zu verbessern und die Maßnahmen so anzupassen, dass sie auch tatsächlich ihre Ziele erreichen. Ich bedaure, wie die Ampelkoalition das Thema Heizung angegangen ist, weil das im Ergebnis dazu geführt hat, dass der Einbau von Wärmepumpen zurückgegangen ist und der Einbau von Öl- und Gasheizungen dramatisch gesteigert wurde im Jahr 2023.

Aber auch deshalb, weil der Absatz von Wärmepumpen 2022 so hoch gewesen ist.

Ja, aber man hätte auf dieser Welle weiter surfen können. Stattdessen haben sich die Förderanträge für Wärmepumpen nach den neusten Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums im ersten Halbjahr 2023 sogar halbiert. Im Januar hat die Ampel die Förderung von Wärmepumpen zurückgenommen, ohne ein weiterführendes Konzept zu haben. Insofern sind es nicht nur die besonders guten Absatzzahlen im Jahr 2022 gewesen, die übrigens auf der Grundlage der Gesetze der Großen Koalition entstanden sind. Die Ampel hat durch ihr Handeln den positiven Trend gebrochen.

Aber ist die Verunsicherung der Bür­ge­r:in­nen jetzt nicht noch viel größer?

Das hat mit meinem Antrag in Karlsruhe nichts zu tun. Die war schon vorher maximal groß. Und im Übrigen wundere ich mich sehr über die Äußerung der Ampelvertreter, die das Gesetz weiterhin nicht verändern wollen. Das Gericht hat nicht angeordnet, die Akte soll ein bisschen Staub bekommen, sondern hat klar gesagt, wir müssen in der Sache beraten.

Glauben Sie, dass es noch Änderungen geben wird?

Das kann ich Ihnen nicht sagen. Das hängt jetzt auch von uns ab, was wir vorschlagen werden. Daran arbeiten einige in der Union, unter anderem ich.

Was sollen das für Vorschläge sein?

Das möchte ich noch nicht ausführen, weil wir das intern noch nicht final abgestimmt haben. Aber die Themen Förderungen, Quartiere, Beratungspflicht werden sicher behandelt. Es gibt auch die Haltung bei uns, das Heizungsgesetz einfach komplett umzubauen. Dafür spricht zwar in der Sache einiges, aber es ist leider unrealistisch, die Ampel davon zu überzeugen.

Wo ist der Unterschied zu dem, was Sie wollen und was die Regierung will?

Ich hätte beim Gebäudeenergiegesetz nicht, wie Robert Habeck es selbst genannt hat, einen so radikalen Entwurf vorgelegt. Aber nicht, weil ich weniger Klimaschutz will.

Was wollen Sie anders machen? Auch die Regierung wollte und will funktionierende Gasheizungen nicht austauschen.

Die Reihenfolge der Regierung ist meines Erachtens falsch. Ich muss zuerst die Voraussetzungen schaffen, dass ein Umstieg machbar, vor allem bezahlbar ist. Ich kann leider im Bestand nach einer Havarie nicht überall gleich auf fossilfreie Systeme umstellen. Das aber war vorgesehen.

Nur bei einem Totalschaden. Herausgerissen werden sollte eine funktionierende Heizung nie.

Nein, rausreißen war nie der Plan, das haben wir auch nicht behauptet. Der Ersatz ist in der überwiegenden Zahl von Fällen auch ganz gut möglich, aber eben keineswegs in allen Fällen.

Da gab's Übergangsregeln.

Also, Sie wollen jetzt sagen, dass die erste Fassung des Heizungsgesetzes nicht radikal gewesen wäre und ich und alle anderen sich eigentlich umsonst aufgeregt haben.

Wir würden nur gerne einen ganz konkreten Punkt hören, von dem Sie sagen, dieser Punkt war falsch, der war zu radikal.

Radikal war, erst kommt das Verbot, dann kommen die Hilfen, bei dem bis heute viele Fragen offen sind und dann kommt die kommunale Wärmeplanung. Man sollte pragmatisch die Heizungswirtschaft und – ganz wichtig – auch die Handwerker und mit ihnen die Bürger ins Boot holen. Wir würden zuerst überlegen, wie kann ich Anreize schaffen, bevor ich anfange, etwas vorzuschreiben.

Sie sind gegen ein Einbauverbot von Öl- und Gasheizungen?

Ich bin für ein Verbot von Öl- und Gasheizungen im Neubau.

Und bei Havarien in Bestandsgebäuden nicht?

Also, wenn ich das Gesetz selber verantwortet hätte, hätte ich Kategorien gebildet. Immer dann, wenn die Wärmepumpe genug Leistung bringt, ohne dass ich ansonsten in die Haussubstanz massiv eingreifen muss, dann baue ich eine Wärmepumpe ein. Das ist aber keineswegs für alle Häuser der Fall. Ich kenne Leute, die sagen, sie müssten 150.000 Euro in ihr Haus investieren, um das umzubauen.

Wird es ein eigenes Konzept der Union zur staatlichen Förderung für neue Heizungen geben?

Darüber diskutieren wir gerade. Aber darin kann ja stehen, was will. Wir wissen, dass es von der Ampel abgelehnt wird.

Wieso wird die Union in der Frage als destruktive Opposition wahrgenommen, die einfach nur dagegen ist?

Es ist leider so, dass die Haltung der Union stark durch einzelne Stellungnahmen geprägt ist. Wenn Sie sehen, was wir zur Wärmewende an Beschlussanträgen gestellt haben, ergibt sich ein anderes Bild.

Hat die Klima-Union ein konkretes Projekt, das in der Union durchgesetzt werden soll?

Es gibt nicht das eine politische Ziel, von dem ich sage, das müssen wir jetzt endlich verabschiedet haben und schon ist der Klimaschutz erreicht.

Es gibt kein konkretes Projekt?

Nein, es gibt kein konkretes Projekt, weil wir wissen, das einzelne Punkte allein die notwendige Transformation nicht schaffen werden. Eine Polarisierung auf einzelne Forderungen erscheint mir eher kontraproduktiv. Wir haben in unserer Satzung stehen, wir wollen, dass die Pariser Klimaziele eingehalten werden. Bis dahin ist ja noch ein weiter Weg.

Die Frage ist ja, welches politische Ziel ein Zusammenschluss hat. Wollen die Mitglieder nur Informationen austauschen oder politischen Einfluss nehmen?

Natürlich streben wir politischen Einfluss an. Wir wollen kompetente Klimapolitik, die sich vereinen lässt mit den sonstigen politischen Vorstellungen. Wir wollen wirtschaftsfreundlich sein und bleiben, und wir wollen sozialpolitisch bleiben. Dem Klimaschutz begegnet leider auch viel Widerspruch, insbesondere wenn es ums individuelle Verhalten von Bürgern geht. Wir versuchen das mit einer Haltung, einer Kommunikation, zu vermitteln, die sachlich überzeugend und sympathisch und werbend ist, aber nicht belehrend.

Ein Tempolimit auf Autobahnen wäre pragmatische Klimapolitik. Wie sieht es damit aus?

Die Klima-Union und genauso ich persönlich sind für Tempo 120 drei Jahre zur Probe. Dann kennt man auch die genaue CO₂-Ersparnis.

Versucht die Klima-Union diese Position in der CDU und CSU durchzusetzen?

Die traurige Nachricht ist: Kurzfristig sehe ich keine Chance, dass wir dafür eine Mehrheit kriegen. Auch da bin ich pragmatisch.

M it Carsten Linnemann hat die CDU einen neuen Generalsekretär bekommen. Welche Auswirkungen auf die Klimapolitik der CDU hat das?

Ich glaube, die Berufung von Carsten Linnemann zum Generalsekretär hat für die Klimapolitik der CDU keine Auswirkung – weder positiv noch negativ.

Und für das klimapolitische Profil der Union?

Ich habe mich mehrfach intensiv mit ihm über das Grundsatzprogramm und diesen Aspekt unterhalten. Ich glaube, im Grundsatzprogramm wird der Klimaschutz einen ordentlichen Platz finden. Da bin ich ganz optimistisch.

Wieso kommt die Union in den Umfragen nicht voran, obwohl die Regierung schwächelt?

Das hat sicher mehrere Ursachen. Ich sehe mit großen Bedenken die sie sich wechselseitig aufschaukelnde Polarisierung zwischen den Grünen und der AfD. Die Grünen laben sich ja gerade darin, die AfD-Leute für bescheuert zu erklären. Ich habe null Sympathie mit den Inhalten der AfD, aber diese herabsetzende Art und Weise, mit deren Forderungen umzugehen, verstärkt das Problem massiv. Wer mit ganz starken Argumenten, aber in herabsetzender Art und Weise kommt, stärkt die AfD. Deswegen gibt es leider auch einen großen Anteil gerade grüner Funktionäre am Erstarken der AfD.

Im europäischen Parlament gab es vor kurzem bei der Abstimmung über das Naturschutzgesetz eine Koalition von Konservativen, extrem Rechten und Liberalen. Ist das der richtige Weg?

Die EVP-Fraktion hat sich dazu entschieden. Ich bin nicht sicher, ob ich das auch so gemacht hätte. Die haben gesagt, das Gesetz ist eine Überforderung des ländlichen Raums. Wenn das stimmt, müssen Sie als Parlamentarier doch sagen, diesem Gesetz stimme ich nicht zu. Wenn dann Liberale und osteuropäische Rechtspopulisten das auch so sehen, dann kann ich doch nicht nur deswegen für eine Überforderung des ländlichen Raums stimmen. Dann lassen wir uns ja die Agenda völlig diktieren.

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