Walfang in Island: Qualvoller Tod der Meeressäuger

Eine Studie bestätigt die Grausamkeit der Jagd auf Wale: Ihnen droht ein zweistündiger Todeskampf. Die isländische Regierung will Konsequenzen.

Zwei Walkadaver im Wasser

Brutaler Todeskampf: Zwei Walkadaver in Island im August 2022 Foto: Anadolu

STOCKHOLM taz | Nur zwei Drittel der Wale starben oder verloren das Bewusstsein nach weniger als einer Minute, nachdem sie von einer Sprengharpune getroffen worden waren. Fast ein Viertel musste mehrfach harpuniert werden, einige drei- oder viermal. Im Schnitt zeigten die Tiere erst gut elf Minuten nach Eindringen der Harpune kein Lebenszeichen mehr. Bei einzelnen Walen dauerte der Todeskampf ein bis zwei Stunden.

Diese Details über den isländischen Finnwalfang des vergangenen Jahres zählt eine Studie von Matvælastofnunar (MAST), der Lebensmittel- und Veterinärbehörde des Landes auf, die in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde. Es ist die erste offizielle isländische Regierungsstudie dieser Art, die bestätigt, was Wal- und Tierschutzorganisationen dieser Art des Walfangs schon lange vorwerfen: eine ebenso unnötige wie grausame Tierquälerei.

„Die Studie liefert den unzweifelhaften Beweis, wie grausam der Walfang ist“, kommentierte Patrick Ramage vom Tierschutzfonds IFAW (International Fund for Animal Welfare): „Kein Tier, unabhängig davon, wie es getötet wird, sollte über einen so langen Zeitraum leiden müssen.“ Und für die isländische Tierschutzorganisation Dýraverndarsamband Íslands (DÍS) gibt es jetzt nur eine Konsequenz: „Es darf in Island nie mehr Lizenzjagd auf Wale geben.“

2003 hatte der Inselstaat nach einer 13-jährigen Pause den Walfang wieder aufgenommen, seit 2006 auch als weltweit einziges Land die kommerzielle Jagd auf die gefährdeten Finnwale erlaubt. Seither waren rund 1.500 Zwerg- und Finnwale getötet worden. 2018 wurden von der Regierung Fanglizenzen für den Zeitraum von 2019 bis 2023 erteilt. Weil sich der Fang allerdings wirtschaftlich nicht lohnte, fand er zwischen 2019 und 2021 nicht statt.

Fänge mussten dokumentiert werden

2022 nahm Hvalur, die dem Walfänger Kristján Loftsson gehörende letzte aktive Walfangfirma, die Finnwaljagd wieder auf. Zwischen Juni und September wurden 148 Finnwale getötet. Das Fleisch wurde nach Loftssons Aussagen zu 90 Prozent nach Japan exportiert, weil es in Island selbst dafür so gut wie keine Nachfrage gibt. Die meisten Experten meinen, dass dieser Fang mit enormen Verlusten verbunden war. Loftsson selbst bestreitet das.

Die Studie kam zustande, weil die Regierung im August 2022 neue Bestimmungen einführte, die Hvalur zwangen, den Fang von Vertretern der norwegischen Fischereibehörde an Bord und mit Überwachungskameras dokumentieren zu lassen. Bis dahin hatte es nur eine nachträgliche Kontrolle durch Veterinäre nach dem Anlanden der harpunierten Meeressäuger gegeben.

Die Auswertung zeige eindeutig, dass es zu lange dauert, bis die Wale sterben, sagte Hrönn Ólína Jörundsdóttir, Chefin der Lebensmittel- und Veterinärbehörde MAST: „Bei der Jagd auf Wildtiere sollte die Jagd so durchgeführt werden, dass die Tötung so wenig Zeit wie möglich in Anspruch nimmt und so wenig Schmerzen wie möglich verursacht. Das ist das Ziel des Gesetzes.“ Nach Meinung ihrer Behörde werde der Walfang „diesen Zielen nicht gerecht“. Jörundsdóttir: „Wir halten diese Ergebnisse für inakzeptabel und nicht im Sinne des Gesetzes.“

Gleichzeitig liege aber formaljuristisch kein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz vor, denn der Fang sei eben nach der derzeit bestmöglichen Praxis erfolgt, konstatierte sie. Was allerdings die Frage aufwerfe, ob es jemals eine Jagd auf Großwale unter Einhaltung der Ziele des Tierschutzgesetzes geben könne. Die Behördenleiterin forderte die Politik auf, dies schnellstmöglichst zu klären und zu entscheiden, ob über 2023 hinaus Fanglizenzen erteilt werden sollten.

Auch Fischereiministerin Svandís Svavarsdóttir bezeichnet das Resultat der Studie als „schockierend“. Die Fanglizenz für dieses Jahr könne zwar aus juristischen Gründen nicht zurückgezogen werden. Es stelle sich aber ernsthaft die Frage, ob der Walfang noch eine Zukunft habe. Sie selbst sei der Auffassung, dass er „eher Teil unserer Vergangenheit als unserer Zukunft“ sei.

IsländerInnen gegen Walfang

Die Links-Grünen, der die Ministerin und auch Regierungschefin Katrín Jakobsdóttir angehören, sind schon lange gegen den Walfang, hatten mit dieser Meinung aber bislang weder in ihrer Dreiparteienkoalition mit der konservativen Selbstständigkeitspartei und der rechtsliberalen Fortschrittspartei noch im Parlament eine Mehrheit.

Das könnte sich nun aufgrund der Studie ändern. Bei einer Parlamentsdebatte am Donnerstag signalisierte auch die der Selbstständigkeitspartei angehörende Außenministerin Þórdís Kolbrún Gylfadóttir ein Umdenken. Sie halte zwar nachhaltigen Walfang für moralisch ebenso akzeptabel wie anderen Fischfang: „Aber das muss korrekt geschehen.“ Man müsse auch bewerten, ob er wirtschaftlich sinnvoll ist. Die IsländerInnen sind weiter als ihre Regierung: Hatte vor zehn Jahren noch eine Mehrheit von 57 Prozent den Walfang unterstützt, war es zuletzt nur noch eine Minderheit von 33 Prozent.

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