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Psychologe über Klima-Angst„Das ist eine rationale Reaktion“

Besonders Jugendliche fürchten sich vor der Klimakrise, sagt Umweltpsychologe Gerhard Reese. Ein Gespräch über die psychischen Folgen der Klimakrise.

Kämpferisch und hoffungsvoll: Kundgebung der Fridays-for-Future-Bewegung in Berlin im März 2023 Foto: Monika Skolimowska/dpa
Interview von Christian Mihatsch

taz: Der IPCC hat im sechsten Sachstandsbericht zum ersten Mal die psychischen Folgen der Erwärmung erläutert. Womit ist zu rechnen, wenn es wärmer wird?

Im Interview: Gerhard Reese

ist 41 und Professor für Umweltpsychologie an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau.

Gerhard Reese: Der IPCC-Bericht gibt eigentlich wenig Grund zu Optimismus. Daraus folgt, dass die Klimakrise einen stärkeren negativen Einfluss auf die mentale Gesundheit haben wird – weltweit. Besonders betroffen sind Kinder, Jugendliche, Ältere und Vorerkrankte – also Gruppen von Menschen, die in besonderem Maße schutzbedürftig sind. Die sogenannte „Klimaangst“, die Menschen bereits verspüren, ist aus meiner Sicht eine völlig rationale und nachvollziehbare Reaktion.

Wie verbreitet ist „Klimaangst“ in Deutschland?

Es gibt mittlerweile ein paar Studien, die zeigen, dass es das Phänomen „Klimaangst“ gibt, wenngleich ich persönlich die konkreten Messungen dazu noch unzureichend finde. Bisher ist es kein flächendeckendes Phänomen, auch nicht bei jungen Menschen. Aber vieles deutet darauf hin, dass das stärker wird.

Internationale Studien haben gezeigt, dass eine Mehrheit der Befragten zwischen 16 und 25 sich sehr große klimabedingte Sorgen um die Zukunft macht. Wir müssen aber unterscheiden zwischen einer Klimaangst, wie wir sie in Deutschland empfinden, und einer wirklich existenziellen Angst, wenn die Heimat buchstäblich weggeschwemmt wird, wie bei gefährdeten Inselstaaten.

Was kann man gegen „Klimaangst“ tun?

Wirklich etwas dagegen tun im Sinne von „heilen“ oder „verringern“ können wir nicht. Viel wichtiger ist die Frage: Wie gehen wir mit Klimaangst und allgemein mit Ängsten um unsere Lebensgrundlage um? Die Angst ist ja nach allem, was wir wissen, durchaus begründet. Wir sollten also schauen: Was macht die Klimaangst mit den Leuten und was sind die Bedingungen, unter denen Menschen trotz – oder wegen – einer solchen Angst bereit sind, sich zu engagieren, statt in Apathie zu verfallen.

Trotz der Warnungen der Klimawissenschaftler reagieren Politik und Gesellschaft nur langsam. Welche psychologischen Gründe gibt es hierfür?

Es liegt nicht daran, dass wir nicht wüssten, was zu tun ist – die Lösungen liegen auf dem Tisch. Auf politischer Ebene ist sicherlich ein Problem, dass es mächtige Lobbys gibt, die Klimaschutz verzögern. Auf gesellschaftlicher Ebene dürfen wir nicht vergessen, dass wir in einer Konsumgesellschaft leben, die Konsum fördert, belohnt, verinnerlicht hat. Wir brauchen Regelungen, die eine nachhaltigere Form von Konsum vereinfachen und Unternehmen etwa zu Kreislaufwirtschaft verpflichten.

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15 Kommentare

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  • Ein klimabedingtes Ende der Menschheit mag realistisch sein. Ob die alleinige Fokussierung auf diese eine Gefahr rational ist, sei dahin gestellt. Ursächlich mögen auch im Angesicht globaler Krisen und Kriege und wirtschaftlicher Unsicherheiten unterschiedlichste Zukunftsängste sein. Eine Kanalisierung individueller und kollektiver Ängste in eine wie auch immer geartete "Klimaangst" ist aus psychologischer Sicht nicht unwahrscheinlich.

  • "... die Lösungen liegen auf dem Tisch."



    Nein, die Lösungen liegen eben nicht auf dem Tisch. Ein Großteil dessen, was als "Lösung" angepriesen wird, ist im Gegenteil dazu geeignet, die Klimakrise zu verschärfen, z.B. mit Braunkohlestrom betriebene E-Autos und Wärmepumpen. Und das Problem der Saisonspeicher erfreut sich weitestgehender Ignoranz.



    Ich habe keine Angst vor der Klimakrise. Die ließe sich technisch und wirtschaftlich durchaus bewältigen. Ich habe Angst vor Schlangenölverkäufern und "Aktivisten", deren Aktivitäten mich deutlich an so Sachen erinnern wie den "Großen Sprung nach vorn" oder die Kulturrevolution.

    • @sollndas:

      Auch Speichertechnologie ist schon erfunden. Wird aber nicht gefördert und dümpelt vor sich hin, weil die Energielobby damit weniger Geld verdienen würde.



      Die Lösung für die Dunkelflaute liegt also tatsächlich auf dem Tisch. Auch wenn es noch 5 bis 10 dauert dauert, sie wirklich umzusetzen. Diese Zeit vergeht aber nicht, solange niemand startet.

    • @sollndas:

      "Ich habe keine Angst vor der Klimakrise. Die ließe sich technisch und wirtschaftlich durchaus bewältigen."



      Nur wenn eine Begrenzung der Erwärmung auf höchstens etwa 2° gelingt, weil Technik Wirtschaft braucht und die wiederum braucht zumindest halbwegs stabile Rahmenbedingungen. In einem von Hungerrevolten erschüttertem Failed State wird man weder grünen Kapitalismus noch ambitionierte Geoengineering Projekte verwirklichen können.

  • Also simple Zukunftssorgen, powered by Influencern...oder Majestix, der mir schon als Kind sagte das uns allen ggf. der Himmel auf den Kopf fällt.

  • Ich habe den Eindruck, dass die taz zu Klimathemen fast nur Psychologen, Soziologen, Philosophen und Aktivisten zu Wort kommen lässt, die wenig bis nichts zu einer Lösung beitragen können. Warum interviewt ihr nicht stattdessen Ingenieure und Naturwissenschaftler, die machbar uns effejtive Lösungen kennen?

  • Was mich mal ernsthaft interessiert: Welches Weltbild haben eigentlich die verängstigten Klimaaktivisten? Sind das in der Mehrzahl Atheisten, für die mit dem Tod alles vorbei ist? Oder gibt es darunter auch viele Christen, Buddhisten usw., die an ein Leben nach dem Tod glauben?

    • @Horst Flugfeld:

      Nach der Kriminalisierung kommt nun offenbar Psychologisierung und Pathologisierung und die Positionierung der "verängstigten Klimaaktivisten" als Anhänger*innen eines obskuren Endzeitkults. Hauptsache man muss sich dabei nicht dem Umstand stellen, dass die Prognosen der Wissenschaft eben tatsächlich relativ endzeitliche Szenarien ankündigen. Wenn etwa ständige Trockenheit dazu führt, dass die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Trinkwasser ins Wanken gerät wird das irgendwann auch zu einer Erosion der Stabilität staatlicher und wirtschaftlicher Strukturen führen. Wenn eine weitere Zunahme von Extremwettern dazu führt, dass wir es jedes Jahr wieder eine Ahrtalflut haben wird man dem ab einer gewissen Frequenz auch nicht mehr einfach mit Geld und Wiederaufbau begegnen können. Und wenn sich Prognosen wie die des PKI das vor langfristig um bis zu 60m steigenden Meeresspiegeln warnt wird das auch nicht nur entfernte Inselstaaten betreffen, sondern weite Teile der norddeutschen Tiefebene.

      • @Ingo Bernable:

        Was stört Sie denn so sehr an meiner Frage? Vielleicht kommt ja heraus, dass die, die da so viel Angst haben, eine vollkommen heterogene Gruppe sind. In einer so wichtigen Angelegenheit zählt jeder Erkenntnisgewinn.

        • @Horst Flugfeld:

          Mich stört der Subtext der das Problem in die Psyche der "verängstigten Klimaaktivisten" verschiebt und das eigentliche Problem und dessen von der internationalen Wissenschaftsgemeinde prognostizierten Folgen damit en-passant beiseite wischt. Folgen zumal die von etwaigen religiösen Jenseitsvorstellungen komplett unabhängig sind weil sie die (Über)Lebenden treffen werden.

          • @Ingo Bernable:

            In dem Artikel geht es doch ausdrücklich um "Klima-Angst". Der Punkt ist doch: Wer davon überzeugt ist, dass nach dem Leben auf der Erde noch etwas anderes kommt, für den ist der Klimawandel vermutlich nicht so existenziell schlimm wie für jemanden, der davon ausgeht, dass im Augenblick seines Todes alles vorbei ist. Das könnte vielleicht auch ein bisschen erklären, warum es viele Christen, Muslimen, Hindus und Buddhisten beim Klimaschutz aus Sicht vieler Aktivisten relativ zu langsam angehen lassen.

            • @Horst Flugfeld:

              In der Schöpfungsgeschichte der Buchreligionen übergibt Gott die Erde den Menschen mit der Auflage über sie zu walten. Wer dann aber die Schöpfung derart ruiniert hinterlässt wie wir es derzeit tun wird wohl kaum ernsthaft ein paradiesisches Nachleben erwarten dürfen, sondern doch wohl eher Gottes Zorn und ewige Verdammnis.

              • @Ingo Bernable:

                Sicher. Aber die Mehrheit der Menschen ist eben nicht schuld am "Ruin" der Schöpfung. Hinzu kommt, dass jedenfalls nach christlicher Überzeugung die Menschheit auch nicht durch den Klimawandel an ihr Ende kommen wird.

            • @Horst Flugfeld:

              Der Gedankengang funktioniert schon mal mit Hinduismus und Buddhismus nicht, denn die glauben an eine Wiedergeburt. Und ansonsten, vielen Dank für den Knoten im Hirn.