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Haftbefehl gegen PutinPlädoyer für Regimewechsel

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Mit dem Haftbefehl des Haager Tribunals wird Putin in Demokratien zum Pariah. Ein Frieden wird erst möglich sein, wenn Putin nicht mehr regiert.

Muss aufpassen, wohin er künftig reist, wenn er nicht vor Gericht will: Wladimir Putin Foto: Russisches Fernsehen/via ap

E in internationaler Haftbefehl gegen Wladimir Putin – dieser Beschluss des Internationalen Strafgerichtshofs gibt den Bemühungen um ein Ende des russischen Kriegs gegen die Ukraine eine unerwartete Wendung. Russland ist ab sofort ein Staat, dessen Präsident nicht mehr gesellschaftsfähig ist. Ein gesuchter mutmaßlicher Kriegsverbrecher kann sein Land nicht mehr auf Augenhöhe vertreten.

Für die Staaten, die das Völkerrecht respektieren und die sich dem Haager Tribunal angeschlossen haben oder zumindest seine Beschlüsse achten – ist Putin nun ein Paria. Ab sofort birgt nahezu jede Auslandsreise für ihn das Risiko eines One-Way-Tickets. Es wäre nicht nur legal, sondern strenggenommen sogar zwingend, ihn auf seinen Reisen durch die Welt bei der erstbesten Gelegenheit festzuhalten und nach Den Haag zu verfrachten. Natürlich werden viele Länder darauf pfeifen und mit Putin kooperieren wie bisher.

Chinas Staatschef Xi Jinping wird das an diesem Montag in Moskau zur Schau stellen. Aber selbst Länder wie China, die glücklicherweise in der Minderheit sind, werden sich vor jeder Interaktion mit Putin nun sehr genau überlegen, ob es sich wirklich lohnt und ob man sich da nicht mitschuldig macht.

Als Den Haag 2008 Haftbefehl gegen Sudans damaligen Militärherrscher Omar Hassan al-Bashir wegen Völkermords in Darfur erhob, solidarisierten sich viele Staatschefs in Afrika ausdrücklich mit ihm gegen eine als parteiisch wahrgenommene Weltjustiz. Aber sie merkten auch, dass jede Zusammenarbeit mit Sudan nun überschattet wurde von der Frage, wie man es mit der Verfolgung von Kriegsverbrechern hält. Sudan wurde international erst wieder respektabel, nachdem Bashir 2019 gestürzt wurde – durch einen Putsch der Generäle im Zuge eines Volksaufstands.

Kein Verrat an der Ukraine

Auch Russland wird nun erst wieder respektabel, wenn Putin es nicht mehr regiert. Der Haftbefehl aus Den Haag ist das Startsignal zum Regimewechsel in Moskau im Namen des Rechts. Russlands Weg zurück auf die Weltbühne führt ab sofort über die Auslieferung Putins. Wer das schafft, wird international ein Held, egal wie viel Blut an seinen eigenen Händen klebt. Und umgekehrt? Wenn Putin weltweit ausreichend Sympathie findet, um Den Haag zu ignorieren? Für den Internationalen Strafgerichtshof wäre das fatal.

Seine Haftbefehle wären reine Symbolpolitik, nicht mehr wert als Appelle von Menschenrechtsorganisationen. Das müssen alle bedenken, die eine diplomatische Lösung mit Moskau auf dem Rücken der Ukraine suchen. Nun ginge es nur noch ohne Putin. Frieden mit Putin – also nicht bloß mit Russland, sondern mit Präsident Putin – wäre nun nicht nur Verrat an der Ukraine, sondern auch ein Todesstoß für die Weltjustiz.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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75 Kommentare

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  • Hauptsache keine Diplomatie, richtig?

    Jetzt also unter dem Vorwand, die "Weltjustiz" zu retten - obwohl die USA, deren Präsident als 'Führer der freien Welt' gilt, diese, jedenfalls in Form des Internationalen Strafgerichtshofs gar nicht anerkennt.

    Gerade wurde das Getreideabkommen per Diplomatie um 60 Tage verlängert is.gd/wkJRJw - also keine weitere Verlängerung in zwei Monaten?

    'Sollen sie doch Kuchen essen'?

    Und was ist mit Verhandlungen wie denen hier

    》Ukraine-Krieg: Bericht zeichnet brisante Verhandlungen in Mariupol nach

    Nun wird bekannt: Als Putin befahl, die Schlinge um den riesigen Fabrikkomplex [Asowstal] enger zu ziehen, war eine kleine Gruppe dabei, geheime Verhandlungen zur Beendigung der Belagerung aufzunehmen. Involviert waren zwei von Putins ranghöchsten Generälen ausMoskauund ein ukrainischer Politiker, der einst als sowjetischer Fallschirmjäger diente. DasberichtetCNN [...] Wochenlang beschossen russische Truppen die Anlage Tag und Nacht. Nahrungsmittel- und Wasservorräte der Ukrainer gingen zur Neige. Dann kam lautCNNKowalow ins Spiel. Kowalow vertritt einen Wahlkreis der Region Donezk im Osten des Landes, wo er sich für die Aufhebung eines Gesetzes starkmachte, das Ukrainisch als Amtssprache festschreibt. Angesichts des andauernden Angriffs auf Mariupol und Asowstal habe er gedacht, dass jemand versuchen müsse, den Wahnsinn zu stoppen, berichtete er nun dem US-Sender [...] Um die Gruppe herum tobte weiter der Krieg: „Tatsächlich explodierte alles. Wir haben alles für Asowstal getan, damit es ruhig wird.“ Die Zivilisten hätten Priorität gehabt. Kowalow betonte seine Rolle bei ihrer Freilassung und sagte CNN, er habe dazu beigetragen, „die andere Seite davon zu überzeugen, dass die Rettung von vor allem Kindern, Frauen und Verwundeten ein Akt der Vernunft, ein Akt des Humanismus sein wird“《 is.gd/3Bxnce

    Bloß keine Diplomatie, solange Putin nicht ausgeliefert ist?

    • @ke1ner:

      Diplomatie ist leider zu einem Schimpfwort geworden!

      Und wenn man nicht alle seine Ziele in Verhandlungen erreichen kann, dann stellt man fest, dass die andere Partei gar nicht bereit ist zu verhandeln.

      Die heutige Welt ist schon sehr komisch geworden...ich hätte mir vor wenigen Jahren noch nicht vorstellen können zu was für einem Tunnelblick aufgeklärte westliche Gesellschaften fähig sind!

      • @Alexander Schulz:

        Das "Maximalziel" der Ukraine ist nicht mehr als ihre völkerrechtlich garantierte Souveränität und eine Einstellung der kriegerischen Gewalt gegen ihre Bevölkerung und ihr Territorium, sowie dass der Aggressor für seine Taten geradestehen muss. Das Minimalziel dürfte dasselbe ohne das Geradestehen sein.

        Folgendes Problem: Jedes Zurückgehen hinter das beschriebene Minimalziel würde bedeuten, dass Putin mit seiner Strategie einen Gewinn erzielt hat, dass also Krieg als "Fortsetzung einer aggressiven Expansionspolitik mit anderen Mitteln" FUNKTIONIERT (und im Zweifel wieder funktionieren wird).

        Das käme einer Kapitulation (in Tateinheit mit internationaler Brandstiftung) gleich und ist daher genauso unerträglich, wie es aktuell für Putin unerträglich wäre, diese Minimalforderung zu erfüllen. Er würde vielleicht "verhandeln", aber nur über besagte effektive Kapitulation. Das ist kein Verhandlungsangebot sondern ein (versuchtes) Diktat.

        Es ist müßig, das JEDESMAL irgendwelchen Putinverstehern auswalzen zu müssen, also fasst man sich kurz und sagt: "Putin will nicht verhandeln."

    • @ke1ner:

      Diplomatie wird es immer geben. Sie bringen ja die Beispiele.

      Und am langen Ende wird man wohl auch lieber Frieden mit Putin schließen, als für die Ehre des Strafgerichtshofs unnötig Krieg mit Russland führen - so pathetisch unser alter Vorkämpfer des Multilaterlismus Dominic "Nicht-Boris" Johnson die auch hervorheben mag. Nur dass Russland vielleicht mitkriegt, dass wenn Den Haag schon derart der Kragen platzt, die Geschichte mit der "Sonderaktion" vielleicht doch nich tso gut für die Große und über Maßen Ehrenwerte Russissche Nation ausgehen wird, könnte ein Effekt sein.

      Aber worüber JETZT sinnvoll verhandelt werden kann, richtet sich eben nach den Umständen. Und die sind im Moment, dass über das Eine oder Andere sicher zu reden ist und geredet wird, über einen Waffenstillstand und eine Friedenslösung aber nicht. Dazu liegen die Vorstellungen der Kriegsparteien, wie dieser Krieg enden muss und wird, noch zu weit auseinander.

    • @ke1ner:

      "Und was ist mit Verhandlungen wie denen hier"



      Ja, was ist damit? Eingekesselte Soldaten haben aufgegeben, und das Procedere wurde von Offizieren beider Seiten vereinbart. Und was haben solche Absprachen (wie auch der "Getreidedeal") mit Diplomatie für eine Friedenslösung zu tun?



      Die Frage an die russische Elite, bzw. die russische Gesellschaft, ob sie Kriegverbrecher ausliefern will, wird sich sowieso erst stellen, wenn der Krieg vorbei ist.

  • Momentan scheint P. seine Freiheit zu genießen, indem er am Steuer seines Autos durch das zerbombte Mariopol kurvt .

    • @Konfusius:

      Traut er sich aber erst nach Einbruch der Dunkelheit . .

    • @Konfusius:

      ...sein Double geniesst (vermutet) für ihn.

  • Der Artikel steigert die Spannung darauf, ob Xi am Montag Putin die Hand lange für ein gemeinsames Foto reichen wird. Natürlich kann Xi seine Macht demonstrieren, in dem er zeigt, daß China unabhängig von westlichen Meinungen ist. Es gibt allerdings 2 Risiken. Im Anschluß fassen nur noch kleine unwichtige Politiker - wie z.B. aus Deutschland – die Hand von Xi an, aber nicht mehr englische und US-amerikanische. Das wäre ein Gesichtsverlust. Noch größer wäre der Gesichtsverlust, wenn Putin in den nächsten 2 Monaten keine militärischen Erfolge vorweisen kann oder sogar weitere Verluste verbuchen würde. Dann gäbe es ein tolles Foto von Xi an der Seite eines erbärmlichen Losers.

    Lösungen für das Dilemma wären, noch heute einen Vorwand für die Absage der Reise zu finden, oder direkt nach Moskau Kyiv zu besuchen und auch Selensky die Hand zu schütteln. Dann ließe sich noch alles super als Vermittlungsversuch für einen Friedensschluß verkaufen.

    Ein Erfolg wäre es auch, wenn Xi Verhandlungen über chinesische Gebiete - die die Sowjetunion am Ende des 2. Weltkriegs China gestohlen hat – aufnehmen würde.

    • @Donald Duck:

      Nicht nur diese Gebiete. Auch jene die das Zarenreich im 19. Jhdt. im Rahmen der "Ungleichen Verträge" erbeutet hat, würde ich an Chinas Stelle ansprechen.



      Klar kommt da wenig bei rum, Russland kann das Amurgebiet inkl. Wladiwostok und die Insel Sachalin nicht aufgeben. Das wäre geostrategisch ähnlich fatal wie ein Verlust der Krim.

  • Gegen Assad gibt es keinen internationalen Haftbefehl?

    • @Land of plenty:

      Spielt das eine Rolle? Er versöhnt sich gerade mit seinen Feinden...

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Er versöhnt sich grad mit seiner Bevölkerung? Im Folterkeller?

        • @dites-mois:

          Die Bevölkerung ist ihm egal. Er versöhnt sich mit den Machthabern am Golf und in der Türkei. Sind ja Seelenverwandte.

  • Gibt es aus den letzten 30 Jahren irgend ein Beispiel, wo ein von außen erzwungener Regimewechsel positives bewirkt hat?

    • @Christian Ziems:

      Wäre denn positiveres zu erwarten wenn man Kriegsverbrecher und Völkermörder einfach unbehelligt machen lässt? Natürlich ist es zwangsläufig unmöglich seriös zu sagen ob und wieviele weitere Massaker an den Hazara durch die Taliban die westliche Intervention dort verhindert hat. Sehr wohl aber kann man sagen ob man Verbrechen gegen die Menschlichkit aktiv und gggf. auch robust entgegen wirken sollte oder ob man glaubt, dass die Welt eine bessere wäre wenn man es nicht täte.

  • Also der Ruf des Strafgerichtshof der Welt - den die selbsterklärte Weltpolizei USA nicht annerkennt - der leidet, wenn Staaten die ihn auch nicht annerkennen weiter ignorieren?

    Zuständigkeit:

    "Er nahm seine Tätigkeit am 1. Juli 2002 auf und ist für 123 Staaten (60 % aller Staaten der Erde mit etwa 30 % der Weltbevölkerung) zuständig."

    und viel krasser:

    "Durch den Abschluss bilateraler Verträge mit IStGH-Vertragsparteien und anderen Staaten versuchen die USA, eine Überstellung von US-Staatsangehörigen an den IStGH vorsorglich auszuschließen. 2002 wurde der American Service-Members’ Protection Act rechtskräftig, der den US-Präsidenten implizit dazu ermächtigt, eine militärische Befreiung von US-Staatsbürgern anzuordnen, die sich in Den Haag vor dem IStGH verantworten müssten."

    ...

    • @Diana Klingelstein:

      Schlimmer ist, dass Russland und China den nicht anerkennen.

      • @Chris McZott:

        wieso ist das schlimmer?



        Das Ignorieren von Russland und China finde ich weniger schlimm, als die explizite Androhung von militärischer Gewalt durch die USA.

        Es ist insgesamt ein Armutzeugnis, dass 3 von 5 Vetomächten den Gerichtshof nicht anerkennen. Er ist ein Feigenblatt. Er ist eine Marionette.

    • @Diana Klingelstein:

      US-Staatsbürgern, das geht noch viel weiter: "(b) specifies this authority shall extend to "Covered United States persons" [...] and "Covered allied persons" (military personnel, elected or appointed officials, and other persons employed by or working on behalf of the government of a NATO member country [...], a major non-NATO ally including..." u.a. Pakistan. Ja, der US-Präsident darf auf dem Papier so manches, das heißt nicht, dass er's alles tun muss, wollte oder realistisch könnte. Dass die USA andererseits ihre Bürger nicht selbst ausliefern würden, an ein Gericht, das sie nun mal nicht anerkennen, ist die triviale Note, deren Betonung ich nicht ganz verstehe. Zu betonen ist nur eines, es liegt kein Haftbefehl vor gegen den amerikanischen Präsidenten. Sondern einer gegen den russischen. Und ich glaub nicht dass man viel durchschaubarer versuchen kann, davon abzulenken. Die Aussage mit dem Blut an den Händen im Artikel gefällt mir nicht, die Ukrainer sagen und aus guten Gründen klipp und klar das ist nur der Anfang. Es gilt auch anzuerkennen, dass Putin hier zunächst ja nur sehr bestimmte Vorwürfe gemacht werden, das sind lange nicht die schlimmsten, was auch den Hintergrund, dass er beileibe nicht für alle dieser zahllosen Kriegsverbrechen überhaupt heranzuziehen sein wird. Also nicht mal theoretisch. Sollen die ungesühnt bleiben? Oder sollte sich etwa jemand Verantwortliches dadurch rein waschen, dass er Putin einmal ausliefert, und womöglich erst, wenn der eh im Weg steht oder nur noch stört? Ich weiß nicht, wer das unterstützen sollte. Eher besteht die Gefahr und für manche vielleicht Verlockung, da auch was auf Putin zuzuspitzen, zu versuchen, die Schuld und das Böse zu individualisieren, ein Gesicht zu geben, sei es weil's schön einfach ist. Oder man andere schützen will. Das darf nicht sein. Russland hat angegriffen, Russland wird dafür zahlen und wenn Putin lange tot ist. In Nürnberg war es auch sehr voll und da fehlten schon sehr viele.

    • @Diana Klingelstein:

      👍👍

  • Auslieferung Putins bedeutet nicht zwingend Regimewechsel in Russland. Putin hat das Geschäftsmodell der russischen Oligarchie versaut: Geld verdienen in Russland und ausgeben im Westen funktioniert nicht mehr, seitdem Putin einen auf Generalissismus macht. Für Russlands FSB-Oligarchie ist Putin mittlerweile lästig geworden so wie der etwas schrullige Opa für die herzlose Familie. Der Opa kommt ins Altersheim und Putin nach Den Haag. Ansonsten bleibt alles beim Alten. Nur ohne den Ärger, den Opa in seinem Bunker andauernd gemacht hat. Irgendein farbloser Apparatschik so wie Putin am Anfang einer war, wird sich für seine Nachfolge problemlos finden. Das System bleibt intakt, lediglich Nachbarländer überfallen wird ersatzlos gestrichen.

    • @Michael Myers:

      "Auslieferung Putins bedeutet nicht zwingend Regimewechsel in Russland. "



      Doch. Sie scheinen Putin für eine austauschbare Marionette einer hinter den Kulissen regierenden Oligarchenherrschaft zu halten. Damit unterliegen Sie einem grundsätzlichen Missverständnis, was die Natur dieses Systems angeht.

      • @Barbara Falk:

        „Damit unterliegen Sie einem grundsätzlichen Missverständnis, was die Natur dieses Systems angeht.“



        Aber das ist doch genau der springende Punkt. Um was für ein politisches System handelt es sich im Falle Russlands eigentlich. Ist Putin der neue Zar eines imperialistischen Großreichs die Wiederauferstehung Stalins, handelt es sich bei Russland um einen durch und durch faschistischen Staat oder um eine erzkapitalistische Oligarchenherrschaft, deren Marionette Putin ist, die nach Bedarf ausgetauscht werden kann? Alles zusammen geht ja wohl nicht.



        Klären Sie uns auf, denn ich möchte - polemisch formuliert - gerne wissen, gegen welche Sorte Schurken meine Kinder eigentlich in den Krieg ziehen sollen.



        Ich denke aber, der internationale Haftbefehl gegen Putin ist in jedem Fall berechtigt, aufgrund der von ihm zu verantwortenden russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine.

        • @Abdurchdiemitte:

          "Um was für ein politisches System handelt es sich im Falle Russlands eigentlich. "



          Es handelt sich um eine personalisierte autokratische Diktatur, in der der Herrscher selbst die Etablierung formeller und informeller Nachfolgeregelungen gezielt und systematisch unterbunden hat. Deswegen wird dieses System zusammen mit Putin untergehen.

          • @Barbara Falk:

            Die informellen Nachfolgekandidaten wurden doch bereits in Stellung gebracht, Patruschew Junior z.B. Der Nachwuchs der Silowiki besetzt doch bereits Schlüsselpositionen in Wirtschaft und Staatsapparat. Wenn wir den Gerüchten glauben dürfen, soll Dimitri Patruschew als Nachfolger aufgebaut werden. Putin hat gar keine andere Wahl als einen informellen Nachfolger aufzubauen, wenn er nicht Strafverfolgung von innen riskieren will. Dikaturen können vererbt werden, siehe Nordkorea oder Syrien. In Russland dürfte die Vererbung mindestens genauso einfach funktionieren, Den Haag hin oder her.

            • @Michael Myers:

              "Wenn wir den Gerüchten glauben dürfen, soll Dimitri Patruschew als Nachfolger aufgebaut werden. "



              Ein anderes, aktuell kursierendes Gerücht besagt, dass demnächst Medwedjew als Putins Nachfolger aufgebaut werden soll.



              Wenn sie solchen Gerüchten glauben schenken wollen, dann gibt es Dutzende Menschen, die "demnächst als Nachfolger aufgebaut werden sollen"., und das seit vielen Jahren. Diese Gerüchte sind Informationsrauschen, es gibt sie dauernd.



              "Dikaturen können vererbt werden, siehe Nordkorea oder Syrien. In Russland dürfte die Vererbung mindestens genauso einfach funktionieren."



              Gutes Stichwort. Kim absolviert seit einiger Zeit offizielle Termine zusammen mit seiner noch minderjährigen Tochter. Tut Putin irgendetwas in der Art? Er versteckt, ja verleugnet seine Familie regelrecht, seine volljährigen Töchter haben geänderte Familiennamen angenommen. Darauf einmal öffentlich angesprochen (von einem selten mutigen Journalisten) hat er sie als "diese Frauen" bezeichnet. Außerdem hat er drei oder vier weitere Kinder von zwei weiteren Frauen, deren Existenz offiziell geleugnet wird.



              Es gibt keine Vererbung einer Diktatur ohne Repräsentanz.



              "Putin hat gar keine andere Wahl als einen informellen Nachfolger aufzubauen, wenn er nicht Strafverfolgung von innen riskieren will."



              Natürlich hat er eine Wahl, und zwar selbst an der Macht bleiben. Das wird er anstreben, die nächsten Präsidentschaftswahlen sind im Mai 2024. Nicht, dass das echte Wahlen wären, es ist reine Akklamation, die Ergebnisse werden gefälscht. Aber die Durchführung des Rituals ist aufwändig und komplex, die Weichenstellungen müssen deutlich vorher erfolgen - Sparringkandidaten auswählen, die dem ganzen Legitimität verleihen, etc., es gibt Formalia wie Fristen.



              Das heißt nicht, dass nicht eine oder mehrere Gruppen in seiner Umgebung irgendwann versuchen werden, einen Ersatz zu finden, aber dass die Übertragung all der informellen Machtstrukturen auf diese Person gelingt, ist sehr unwahrscheinlich.

          • @Barbara Falk:

            Einverstanden mit der Definition … nur erscheint mir die Prognose des Untergangs dieses Systems außerordentlich düster, weil solche Autokraten und ihr Anhang, der von dessen Herrschaft profitiert, versuchen werden, alles mit in den Untergang zu reißen, was sich ihnen in den Weg stellt, wenn sie ihre Macht schwinden sehen.



            Und ich bin mir nicht sicher, ob Putins Werk nicht weitere Nachahmer findet, global betrachtet der Siegeszug der Demokratie also ausbleibt und sich sogar in sein Gegenteil verkehren kann.



            Ich bin fest davon überzeugt, dass die Durchsetzung der bellizistischen Logik als “Konfliktlösungsstrategie” - auch um Diktatoren und Gewaltverbrecher in die Schranken zu weisen -, genau diesen Effekt erzeugt und vorantreibt statt ihn, wie erhofft, einzudämmen.



            Genau aus diesem Grund bleibe ich bei meiner grundsätzlich pazifistischen Haltung, auch wenn ich hier für die militärische Unterstützung der Ukraine plädiere.

            • @Abdurchdiemitte:

              "alles mit in den Untergang zu reißen, was sich ihnen in den Weg stellt, "



              Und womit? Und schreiben Sie jetzt bitte nicht, mit Atombomben.

      • @Barbara Falk:

        Ich halte ihn für keine Marionette, aber ich halte ihn für austauschbar. Den Haag wird seine Haftbefehle erweitern. Wieso sollten sich die, die dann noch übrig bleiben, von den Fleischtöpfen vertreiben lassen? Von wem? Mit Oligarchie meine ich nicht die Jelzin-Generation. Ich meine die Geheimdienstoligarchie, die nicht direkt verwickelt ist in den Krieg und die unbehelligt bleibt von Den Haag. Autoritäre Kleptokratie, repressiv nach Innen minus die imperialen Abenteuer. Damit könnte der Westen sehr gut und sehr lange leben.

        • @Michael Myers:

          Bleibt noch das Szenario einer instabilen politischen Lage nach einer etwaigen Entmachtung Putins und seines inneren Zirkels, weil sich keiner der Nachfolgekandidaten durchsetzen kann … aus westlicher Perspektive wohl doch eher eine unangenehme Vorstellung, mit einem solchen Nachbarn inmitten Europas zu leben. Dazu dann das Atomwaffenarsenal. Denken Sie nicht?

    • @Michael Myers:

      Das wäre ja schonmal ein erheblicher Fortschritt.

    • @Michael Myers:

      Mein Weihnachtswunsch für 2023: Putin hinter Gittern! Was für ein Triumph für das internationale Recht dies wäre...

    • @Michael Myers:

      👍

  • Gibt es eigentlich einen Plan B, wenn 2023 nicht, wie vom ukrainischen Präsidenten angekündigt, das Jahr des Sieges wird?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Was ist eigentlich Putins’ Plan B?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Obwohl ich sonst oft einer Meinung mit Ihnen bin … Ihre Frage bzw. Zweifel gehen am Thema des Kommentars von Dominic Johnson vorbei, finde ich.



      Und hinsichtlich des internationalen Strafbefehls gegen Putin stimme ich hier mal mit Johnson überein. Aus menschenrechtspolitischer Perspektive ist die Entscheidung des IStGH absolut richtig, nachvollziehbar und konsequent (da ich kein Jurist bin, kann ich dabei jedoch lediglich mein subjektives Rechtsempfinden sowie politischen und moralischen Überzeugungen anführen).



      Ich bin sonst eher ein Befürworter der stillen Diplomatie in den internationalen Beziehungen, wie man anhand meiner Beiträge in der Kommune schnell feststellen kann. Aber hier war es notwendig, ein deutliches Zeichen zu setzen.



      Und das kann man nicht abhängig machen von der Dauer, dem Verlauf und dem Ausgang dieses Krieges … selbst wenn Putin diesen Krieg gewinnt, so hat er eindeutig rote Linien überschritten, er ist und bleibt ein Kriegsverbrecher, der für sein Tun zur Rechenschaft gezogen werden muss. Insofern auch ein wichtiges Signal für alle, die meinen, ihre Interessen - über die Legitimität dieser Interessen lässt sich ja noch streiten - mit Gewalt und Völkermord durchsetzen zu können.



      Ich wüsste nicht, warum auch Sie diesen grundsätzlichen Erwägungen nicht zustimmen könnten.

      • @Abdurchdiemitte:

        "Wenn Putin weltweit ausreichend Sympathie findet, um Den Haag zu ignorieren? Für den Internationalen Strafgerichtshof wäre das fatal.

        Seine Haftbefehle wären reine Symbolpolitik, nicht mehr wert als Appelle von Menschenrechtsorganisationen."

        Das ist der springende Punkt. Wenn man Haftbefehle ausstellt, die man höchstwahrscheinlich nicht vollstrecken kann, untergräbt man eine eigentlich gute Idee.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Ein weiteres Mal: Blödsinn. Es gibt massenhaft nicht vollstreckte Haftbefehle, sei es, weil Gesuchte abgetaucht, sei es, weil geringer Verfolgungseifer. Siehe 300 (oder waren es 400?) nicht vollstreckte Haftbefehle gegen deutsche Neonazis.

          • @dites-mois:

            Kein Blödsinn. Hier geht es nicht um irgendwelche unbekannten Typen, deren Aufenthaltsort keiner kennt. Hier geht es um den Staatschef einer Atommacht der ständig in TV ist. Wenn man den verhaften will, muss man es auch können. Sonst macht man sich lächerlich.

            Die unvollstreckten Haftbefehle gegen Neonazis in D sind natürlich auch nicht geeignet, das Vertrauen in die Justiz zu stärken.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          "Wenn man Haftbefehle ausstellt, die man höchstwahrscheinlich nicht vollstrecken kann, untergräbt man eine eigentlich gute Idee."



          Ein Gericht, das mit der sachfremden Begründung, "ist wahrscheinlich nicht vollstreckbar" auf die Ausstellung eines Haftbefehls verzichtet, untergräbt sich selbst.



          Die Haftbefehle sind unwiderrufbar und gelten auf Lebenszeit der Gesuchten. Maria Lwowa-Belowa ist 39 Jahre alt. IMO liegt die Wahrscheinlichkeit, dass sie einmal in Den Haag vor Gericht stehen wird, bei nahezu 100%.

          • @Barbara Falk:

            Seit wann kann ein Haftbefehl nicht aufgehoben werden?

            "Maria Lwowa-Belowa ist 39 Jahre alt. IMO liegt die Wahrscheinlichkeit, dass sie einmal in Den Haag vor Gericht stehen wird, bei nahezu 100%."

            Es gibt genug Länder, denen Ein Haftbefehl aus Den Haag egal ist. Dort kann sie 100 werden.

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              Diese konkreten Haftbefehle können nicht aufgehoben werden. Das ist keine Meinungsäußerung von mir, sondern eine Tatsache.



              „Es gibt genug Länder, denen Ein Haftbefehl aus Den Haag egal ist. Dort kann sie 100 werden.“



              Noch egaler ist diesen Ländern im Zweifelsfalle irgendeine Maria Lwowa-Belowa. Und wenn Sie schon die Möglichkeit einräumen, das sich Frau Lwowa-Belowa irgendwann aus Russland in irgendein Drittland absetzen muss, ist nicht relevant, ob dieses Land den Haager Gerichtshof anerkennt oder nicht, sondern ob es ein Auslieferungsabkommen mit Russland unterhält.

              • @Barbara Falk:

                "Und wenn Sie schon die Möglichkeit einräumen, das sich Frau Lwowa-Belowa irgendwann aus Russland in irgendein Drittland absetzen muss..."

                Hab ich das? Russland erkennt den Gerichtshof auch nicht an. Und wenn man bedenkt, dass in Afrika laut darüber nachgedacht wird, auszutreten...

                "Diese konkreten Haftbefehle können nicht aufgehoben werden."

                Merkwürdige Regelung. Stellen Sie sich mal vor, es gebe einen Haftbefehl gegen BARBARA FALK und es stellt sich heraus, die Beweise reichen nicht, um ihn aufrecht zu erhalten. Müssen Sie dann trotzdem einfahren?

                • @warum_denkt_keiner_nach?:

                  "Merkwürdige Regelung. Stellen Sie sich mal vor, es gebe einen Haftbefehl gegen BARBARA FALK und es stellt sich heraus, die Beweise reichen nicht, um ihn aufrecht zu erhalten. Müssen Sie dann trotzdem einfahren?"



                  Wenn ich ihn erfolgreich anfechte, nicht.



                  Völkermord verjährt nicht, und deswegen verfallen diese Haftbefehle nicht wegen Nichtvollstreckbarkeit, auch nicht nach 40 oder 50 Jahren.



                  Sie scheinen außerdem Haftbefehl und Urteil zu verwechseln, oder gleichzusetzen. Die Haftbefehle sollen die Gesuchten vor das Haager Gericht bringen. Physisch. Der Internationale Strafgerichtshof verhandelt grundsätzlich nur gegen Angeklagte, die anwesend sind.



                  "Russland erkennt den Gerichtshof auch nicht an."



                  Das kann sich ändern.

                  • @Barbara Falk:

                    "Wenn ich ihn erfolgreich anfechte, nicht."

                    Also können Haftbefehle doch aufgehoben werden.

                    " Der Internationale Strafgerichtshof verhandelt grundsätzlich nur gegen Angeklagte, die anwesend sind."

                    In diesem Fall also höchstwahrscheinlich nicht.

                    "Das kann sich ändern."

                    Sehr optimistisch. Ich sehe lieber etwas schwärzer und freue mich, wenn es besser läuft. Das spart Enttäuschungen.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Dann wird es 2024.

      • @Diana Klingelstein:

        Oder 2025. Oder 2026. Oder 2050...

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Was erwarten sie? Dass sich die Ukraine selbst eine Deadline setzt bei der sie dann kapituliert und das auch noch vorher öffentlich ankündigt, damit Putin sich seinen Sieg schon mal im Kalender vormerken kann? Es wird eben so lange dauern wie es dauert. Der sowjetische Afghanistankrieg dauerte rund 10 Jahre, der zweite Tschetschenienkrieg ebenfalls.

      • @Ingo Bernable:

        Afghanistan und Tschetschenien geht es jetzt ja auch blendend.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Noch einmal: Was erwarten sie? Was wäre ihr "Plan B" um der Ukraine eine blendende Zukunft zu garantieren?

          • @Ingo Bernable:

            Wenn beide Seiten merken, dass sie nicht gewinnen können, gibt es für gewöhnlich Verhandlungen.

            Eine blendende Zukunft kommt dabei nicht unbedingt heraus. Aber etwas Besseres als Krieg alle Mal.

            "Es wird eben so lange dauern wie es dauert."

            Da ist doch schon Mal ein Punkt, in dem Sie sich mit Putin einig sind. Zahl der Toten egal.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Alle Pläne hängen von Russland ab, ein Plan B Verhandlungsfrieden ist nur möglich wenn ihn Russland auch will. Nur ist für Russland alles außer ein Sieg eine Demütigung daher ist es schwer vorzustellen wie so ein Verhandlungsfrieden aussehen soll. Der einzige andere Plan B wäre die NATO eskortiert Russland aus der Ukraine.

      • @Machiavelli:

        "Alle Pläne hängen von Russland ab, ein Plan B Verhandlungsfrieden ist nur möglich wenn ihn Russland auch will. "



        Deshalb wird Xis Aktion "Putin retten" auch scheitern. Aber sicher werden sich auch dann Foristen finden, die erklären können, warum der Westen daran schuld ist.

      • @Machiavelli:

        "Der einzige andere Plan B wäre die NATO eskortiert Russland aus der Ukraine."

        Mal abgesehen von der Überheblichkeit. Das ist kein Plan, sondern Selbstmord.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Nicht zwangsläufig eine Drohung einer NATO Intervention würde Putin einen gesichtswahrenden Rückzug ermöglichen, gegen die Ukraine kann er nicht verlieren gegen die NATO das ist akzeptabel.

          • @Machiavelli:

            Selbst Biden ist klar, dass eine direkte militärische Konfrontation unbedingt vermieden werden muss, weil sie zum Atomkrieg führen würden. Das betont er immer wieder. Glauben Sie es doch.

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              Gibt da keine Zwangsläufigkeit und die USA haben mit militärischer Intervention im Falle eines Nuklearwaffenesinatzes gedroht. Russland würde in einem Atomkrieg soviel mehr verlieren als der Westen das es für Russland keine Option ist.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Sie sind also auch dafür, dass wir es Putin nicht unnötig schwer machen sollen?

          • @Jossito:

            Wie schwer soll es denn für die ukrainische Bevölkerung werden?

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              Das soll die selbst entscheiden.

              • @Normalo:

                Die Entscheidungen trifft die Regierung. In diesem Fall das Präsidialamt.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Eben. Aber was ist Ihr Plan B - falls Russland bis Ende des Jahres seine Aggression nicht aufgibt und seine unvergandelbare Position in Bezug auf "russischen Boden unter falscher Flagge" nicht ändert, wenn nicht eine faktische Kapitulation vor dieser Position?

          • @Normalo:

            Definieren Sie Kapitulation.

            Kriege enden selten damit, dass sich eine Seite komplett durchsetzt.

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              Diese These würde ich arg in Zweifel ziehen. Die Zeit, als Potentaten sich gegenseitig erst nach Lust und Laune bekriegten und dann Teilerfolge am grünen Tisch zuschacherten, liegen schon etwas zurück oder bestehen allenfalls weiter, wo keine Supermächte involviert sind. Oder sehen sie irgendwo in Vietnam oder Afghanistan eine Enklave, wo die USA und ihre lokalen Verbündeten in friedlicher Koexistenz mit den Gegnern weiterwurschteln können? Ein kleines Baathistan, wo Saddam Hussein sich - ohne Senfgas - weiter bester Gesundheit erfreut? Einen Quadratmeter vormals südkoreanischen Territoriums, den Nordkorea behalten durfte? Ein autonomes Tibet?

              Ergo: Kapitulation wäre z. B., Putin Straffreiheit zu gewähren, ihm die von Russland besetzten Gebiete der Ukraine zu überlassen und die Ukraine weiter nicht in die Nato aufzunehmen. Und weniger wird er nicht annehmen, solange er noch eine Chance sieht, diese Gebiete militärisch zumindest zu halten. Und wenn schon er diese Chance NICHT mehr sehen sollte, dürfte die Ukraine umso sicherer sein, dass sie sie mit entsprechender Anstrengung zurückbekommt (was ihr gute Recht wäre). Davon abgesehen wäre jeder "Frieden" auf der Basis des Status Quo absehbar nur eine Atempause, bis eine der beiden Seiten, - im Zweifel Russland - sich stark genug fühlt, die ursprünglichen Kriegsziele doch noch zu erreichen, und wieder loslegt.

              Aus dem Grund habe ich auch Zweifel, dass Ihre These auf DIESEN Konflikt Anwendung finden kann.

              • @Normalo:

                Für alle, die mir geantwortet haben, komme ich noch mal auf meine Eingangsfrage zurück.

                Gibt es irgendeinen Plan, falls sich ein militärischer Sieg nicht erringen lässt?

                Ich habe den Eindruck, dass einfach nicht darüber nachgedacht wird. Und das ist ein Problem. Es könnte im schlimmsten Fall enden wie in Afghanistan.

                • @warum_denkt_keiner_nach?:

                  Was Frau Falk sagt und: Der Plan dürfte sein, das dann je nach Situation zu entscheiden. Mehr geht aktuell nicht, aber es ist besser, als von vornherein auf Scheitern zu planen.



                  Denn Russland in Verhandlungen über irgendein Minus zu dem beschriebenen, NICHTS lösenden Kapitulationsszenario zu drängen, wird jedenfalls nur über eine weitere relative Schwächung seiner Streitkräfte gelingen. Das ist schwierig aber wenigstens nicht unmöglich. Dagegen ist es erkennbar völlig unmöglich, durch Druck auf die Ukraine - der in der aktuellen Situation nur durch Austrocknung des Nachschubs ausübbar wäre - irgendein besseres Ergebnis als besagte Kapitulation zu erzielen. Putin würde im Gegenteil einer so geschwächten Ukraine noch mehr Territorium abtrotzen wollen, bevor es sich auf Friedensverhandlungen einließe. - und "noch mehr" könnte durchaus auch "Alles" heißen. Und sich präventiv selbst zu erschießen, damit auf jeden Fall der Gegner es nicht tut, ist so ein wenig gegen die menschliche Natur...

                  • @Normalo:

                    Es ist immer klüger, sich vorher zu überlegen, was geschehen soll, wenn Plan A scheitert. Sonst ist man unvorbereitet. Das nützt nur dem Gegner.

                    Man kann doch nicht mit Scheuklappen Politik machen.

                    Ich habe auch nie behauptet, dass Plan B heute in Kraft treten soll. Ich habe nur gefragt, ob es einen gibt.

                    • @warum_denkt_keiner_nach?:

                      Es gibt sehr wahrscheinlich einen Plan B und möglicherweise auch einen C, D, E etc. Die haben nur alle im Moment das Problem, dass völlig unbekannt ist, wie im Einzelnen die Lage aussehen wird, in der sie zur Umsetzung gelangen. Deshalb dürften sie etwas vage daherkommen.

                      Aber machen Sie Sich ruhig nützlich und entwerfen einen wasserdichten Plan B (Evakuierung aller Ukrainer, die lieber nicht unter Putin leben wollen, eingeschlossen)! Erlauben Sie nur vielleicht den aktiven Politikern, dass deren (sichtbare) Aktivitäten sich vorerst darauf konzentrieren, diesen überflüssig zu halten.

                • @warum_denkt_keiner_nach?:

                  Dass die russische Armee die Ukraine als Staat nicht erobern und nicht zerstören kann, ist seit April letzten Jahres klar; seit Oktober letzten Jahres lassen sich die Handlungen der russischen Armee am besten als sinnloses, kriegsverlängerndes Rückzugsgefecht beschreiben.



                  Der Fall, dass sich ein vollständiger militärischer Sieg nicht erringen lässt, ist denkbar, d.h. der Krieg wird nicht an den Grenzen der Ukraine von 1991 enden, sondern an einer anderen Demarkationslinie, und Teile des ukrainischen Staatsgebiets bleiben unter Kontrolle Russlands.



                  Der Plan für diesen Fall dürfte nicht viel anders sein, wie wenn die Ukraine die Grenzen von 1991 wieder erreicht. Solange Putin regiert, wird es keine Friedenslösung geben, d.h. die Ukraine braucht selbst dann, wenn eine Art Waffenruhe vereinbart werden sollte, dauerhaft militärische Unterstützung, um ihre Grenze, bzw. die Demarkationslinie zu schützen.

                  • @Barbara Falk:

                    Die Möglichkeit eines militärischen Patts schließen Sie also völlig aus? Weil das nicht passieren darf?

                    "Solange Putin regiert, wird es keine Friedenslösung geben, d.h. die Ukraine braucht selbst dann, wenn eine Art Waffenruhe vereinbart werden sollte, dauerhaft militärische Unterstützung, um ihre Grenze, bzw. die Demarkationslinie zu schützen."

                    Putin steht nur an der Spitze eines Systems. Er ist austauschbar. Sein Abgang muss also nichts ändern.

                    Für eine Waffenruhe bräuchte es Verhandlungen. Also einen Plan B.

                    • @warum_denkt_keiner_nach?:

                      Ihr Insistieren auf einen Plan B läuft letztlich darauf hinaus, Putin Konzessionen auch territorialer Art zu machen.

                      Dann stünde man allerdings vor einer Situation wie nach dem Münchener Abkommen 1938. Wie nach einem "Frieden" mit Putin, der de facto militärische Gewalt als Mittel der Durchsetzung politischer Ziele akzeptieren würde, eine europäische Sicherheitsordnung aussehen soll, dafür wiederum fehlt mir die Phantasie.

                      Russland muss deutlich gemacht werden, dass es seine Zeile auf militärischem Weg nicht erreichen wird. Alles andere wäre langfristig ein Desaster.

                      • @Schalamow:

                        "Russland muss deutlich gemacht werden, dass es seine Zeile auf militärischem Weg nicht erreichen wird. Alles andere wäre langfristig ein Desaster."

                        Und wenn das nicht klappt? Krieg bis zum letzten Ukrainer?

                • @warum_denkt_keiner_nach?:

                  Es fängt ja schon damit an, dass vollkommen unklar ist, wie ein militärischer Sieg über Russland aussehen bzw. definiert werden soll. Insofern würde ich Ihnen argumentativ beistehen. Ich habe in einem anderen Zusammenhang schon die Vermutung geäußert, dass der Westen in dieser Frage deshalb nicht mit einer Stimme spricht, weil die Interessenslagen der einzelnen Akteure, wie man mit Russland in Zukunft verfahren solle, bei weitem nicht in Übereinstimmung gebracht werden (können).



                  Würde hierüber zwischen den westlichen Staaten (oder im NATO-Rat) offen diskutiert - über die vage Erklärung hinausgehend, die Ukraine so lange zu unterstützen, wie sie Hilfe benötige - , würden diese Diskrepanzen deutlich zutage treten. Das ist der Elefant im Raum.



                  Es ist doch offensichtlich, dass die ostmitteleuropäischen Staaten eine finale Generalabrechnung mit Russland unter dem Dach der NATO anstreben, assistiert von GB - aus geopolitischen und historischen Gründen sogar verständlich (was nicht oft genug wiederholt werden kann) - , während andere, v.a. Deutschland und die USA, in dieser Frage eher auf die Bremse treten.



                  Man wünscht sich eben weder einen direkten Krieg mit noch eine instabile innenpolitische Lage in Russland. Waffenlieferungen an die Ukraine stehen dazu übrigens nicht im Widerspruch, es ist jedoch offensichtlich, dass z.B. Polens permanentes Vorpreschen bei diesem Thema (Kampfjets) eher für meine These spricht.



                  Eine aggressiv formulierte Aussage, etwa Putin stürzen zu wollen, als aktives Kriegsziel der NATO explizit ausgesprochen, würde außerdem potentielle Unterstützer der Anti-Putin-Allianz im globalen Süden abschrecken oder sie sogar in die Arme einer von Russland gewünschten Achse Peking-Moskau-New Delhi treiben.

              • @Normalo:

                Sehr wohltuend, Sätze zu lesen, die wie ein Ergebnis von Nachdenken klingen.