Politische Entwicklung in Israel: Sicherer Hafen für Juden in Gefahr

Die rechte Regierung in Israel plant, das Rückkehrrecht zu reformieren. Das bedroht Jüdinnen und Juden weltweit.

Menschen sitzen in einem Straßencafé mitten in einer vollen Straße in Tel Aviv, sie lachen und trinken Kaffee.

Straßenszene in Tel Aviv. Die rechte Regierung möchte das Einwanderungsgesetz für Juden verschärfen Foto: Imago

Als Jüdin oder Jude in Deutschland ist es immer dasselbe: Egal was du schreibst oder sagst, ständig schreit dich jemand blöd von der Seite an. In Israel ist ein Teller Hummus runtergefallen, warum sagst du eigentlich nichts dazu? Hää? Oder so ähnlich.

Nach meiner letzten Kolumne, in der ich forderte, dass unser Kanzler endlich aufhören sollte, so zögerlich zu sein, wenn es um Kampfpanzer geht, musste ich mich nicht nur als Kriegstreiberin beschimpfen lassen, sondern wurde auch, welch Überraschung, gefragt, warum ich Panzer für die Ukraine fordere, aber zur neuen israelischen Regierung schweige. Interessant, dachte ich. Wenn ich denn mal über Israel schreibe, bekomme ich umgekehrt Nachrichten, in denen es heißt, ich solle mich doch bitte mit Dingen beschäftigen, von denen ich Ahnung habe. Man kann’s eben nur falsch machen.

Und da sind wir schon beim großen Dilemma: Einerseits wirst du unentwegt als Sprecherin des israelischen Außenministeriums adressiert und willst dieses Amt gar nicht. Andererseits bewegt dich, was in Israel passiert, weil du dort Familie oder Freunde hast oder weil dieses Land als einziger jüdischer Staat der Welt ein Sicherheitsversprechen ist. Denn selbst wenn du nicht das Sprachrohr Israels sein möchtest, werden Entwicklungen dort dein Leben hier – direkt oder indirekt – beeinflussen.

Ein Beispiel: Die rechte Regierung in Israel bedroht nicht nur Menschen im Land selbst, sondern Jüdinnen und Juden weltweit. Das zeigt sich an den Plänen für eine Reform des Rückkehrrechts. Bislang gilt, dass alle, die zumindest ein jüdisches Großelternteil haben und keiner anderen Religion angehören, das Recht dazu haben, nach Israel einzuwandern und die Staatsbürgerschaft zu erlangen. Auch Konvertiten, egal ob sie orthodox oder liberal zum Judentum übergetreten sind, haben dieses Recht auf Alija.

Israel als hypothetischer Zufluchtsort

Wenn es nach Finanzminister Bezalel Smotrich vom Religiösen Zionismus und dem Minister für Nationale Sicherheit Itamar Ben Gvir von der rechtsextremen Otzma-Yehudit-Partei geht, sollen nur noch diejenigen einwandern dürfen, die ihrer Idee von „Reinheit“ entsprechen – also nach religiös-orthodoxen Gesetzen jüdisch sind. In der Vergangenheit seien zu viele Einwanderer nach Israel gekommen, die nicht halachisch jüdisch sind, deren Mutter also nicht jüdisch ist, heißt es von den religiösen Parteien. Jüdinnen und Juden weltweit könnten ihren einzigen sicheren Hafen vor Verfolgung und Antisemitismus verlieren, da der Großteil von ihnen nicht orthodox ist. Menschen wie ich, sogenannte Vaterjüdinnen, haben also Pech gehabt. Für die meisten Gemeinden in Deutschland sind wir nicht jüdisch genug und jetzt will auch noch Israel seine Tore für uns schließen. Scheiße!

Die Jewish Agency, die unter anderem bei der Einwanderung nach Israel unterstützt, schätzt, dass circa drei Millionen Menschen weltweit ihr Recht auf Einwanderung verlieren würden. Drei Millionen. Nicht dass alle diese Menschen ihre Ausreise nach Israel planen. Aber es geht um Israel als hypothetischen Zufluchtsort, als eine „Wenn es ungemütlich wird, bin ich nicht am Arsch“-Sicherheit, die hier auf dem Spiel steht.

Als sich meine Familie in den Neunzigerjahren für die Ausreise aus der zerfallenen Sowjetunion entschied, fiel die Wahl bewusst nicht auf Israel. Warum eigentlich?, fragte ich später immer wieder und bekam als Antwort ein kühles: Wegen des Klimas. So begründeten damals übrigens viele russischsprachige Jüdinnen und Juden ihre Entscheidung. Es war ihnen einfach zu heiß in Israel.

Anders als meine Familie komme ich ja ganz gut mit Hitze zurecht. Und Israel mit mir?

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Redakteurin für Gesellschaft im Ressort taz zwei. Schreibt über postsowjetische Migration, jüdisches Leben und Antisemitismus sowie Osteuropa. Axel-Springer-Preis für jungen Journalismus 2021, Kategorie Silber. Freie Podcasterin und Moderatorin.

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