Diskussionen über Klima an Heiligabend: Wenn Onkel Otto Quatsch erzählt
Wie geht man mit Verwandten um, die alle Jahre wieder unwissenschaftliche Dinge über den Klimawandel verbreiten? Eine Anleitung in drei Akten.
Kennen Sie das? Eigentlich freuen Sie sich – auf die Familie, das Fest, die freien Tage. Doch Sie ahnen schon: Nach dem dritten Glühwein beginnt es aus Onkel Otto oder Cousine Sabine rauszusprudeln und alle kriegen eine Portion unwissenschaftlichen Unfug ab. Leider sind Sie zu alt, um die Hände auf die Ohren zu pressen und laut ein Lied zu singen.
Bleibt also nur die Flucht oder der Streit. Oder Sie machen das Unmögliche möglich und drehen die Situation in ein schönes Gespräch. Einfach wird das nicht. Doch wie Klimawissenschaftlerin Katharine Hayhoe sagt: „Das Wichtigste, was Sie fürs Klima tun können, ist darüber zu sprechen.“
Vorspiel: Fakten bleiben zu Hause
Mit den Fakten ist es so ein Ding. Psychologen weisen schon lange darauf hin, dass mehr Informationen die Haltung von Studienteilnehmerinnen zu umstrittenen Themen praktisch nicht ändern können. Und wenn, dann müssten die Fakten simpel, eingängig und trotzdem korrekt sein – und wer kann das schon aus dem Stegreif liefern? Also entspannen Sie sich, denn Sie werden Ihr Ziel eher erreichen, wenn Sie die Studien stecken lassen.
Das gilt natürlich nicht, wenn eine Person, die grundsätzlich Ihr Weltbild teilt, einfach eine falsche Information im Kopf hat. In dem Fall: korrigieren Sie.
Erster Akt: Fragen
Quatsch zum Thema Klima lässt sich so gut wie immer in eine von fünf Kategorien einordnen. Entweder die Person leugnet den menschengemachten Klimawandel gleich ganz. Oder sie bedient sich – meist unbewusst – bei den vier großen Strategien zur Verzögerung: Nicht ich. Nicht jetzt. Nicht so. Zu spät. Das heißt, sie schiebt die Verantwortung ab, wartet auf bequeme Lösungen, betont einseitig die Nachteile von Maßnahmen oder resigniert gleich komplett.
Doch das behalten Sie lieber erst mal für sich, denn niemand wird gerne kategorisiert. Aber ziehen Sie aus dem Wissen ein bisschen Gelassenheit, die können Sie für die nächsten Stunden unterm Weihnachtsbaum brauchen.
Und jetzt machen Sie es wie der alte Sokrates: Sie stellen Fragen. Als Journalistin kann ich Ihnen versichern: Chef ist, wer die Fragen stellt. Zudem hören Menschen besser zu, nachdem sie selbst gesprochen haben.
Zweiter Akt: Persönlich werden
Eine große Hürde in der Klimakommunikation ist, dass das Thema oft abstrakt und weit weg scheint. Doch mittlerweile betrifft der Klimawandel alle irgendwie direkt: Skiferien ohne Schnee, der vertrocknete Rasen im Garten, Freunde im Ahrtal – nur stellen viele die Verbindung nicht her. Das machen Sie nun mit Ihren Fragen. Versuchen Sie auf Gemeinsames zu sprechen zu kommen: Enkel? Natur? Sicherheit? Kuchen?
Aber hüten Sie sich vor überhöhten Erwartungen. Kaum jemand ändert nach einem Gespräch einfach so seine Meinung. Sie sind Teil eines steten Tropfens.
Dritter Akt: Hoffnung verbreiten
Ein paar Gläser Glühwein später ist Cousine Sabine bereit, zuzuhören. Also ist jetzt der Moment, ihr endlich klar zu machen, wie schlimm die Klimakrise wirklich wird? Nein. Denn Hoffnungslosigkeit macht Menschen handlungsunfähig. Zudem ist ja Weihnachten.
Also erzählen Sie eine persönliche Geschichte. Und zeigen sich, wie Sie sind. Denn gute Helden sind nie perfekt. Und: Menschen vertrauen ihren Bekannten und Verwandten mehr als den besten Experten.
Menschen sind Herdentiere. Und auch wenn Ihre Cousine ein hoffnungsloser Fall ist – Onkel Otto sitzt doch dort in der Ecke und hat Ihnen die ganze Zeit zugehört.
Zugabe: Der Witz
Es ist grundsätzlich ratsam, zu Familienfeiern ein paar Witze mitzubringen. Für Ihr Handgepäck:
Sagt der eine Gletscher zum anderen: „Du schuldest mir noch 1.000 Euro!“
Antwortet der andere: „Warte, bald bin ich wieder flüssig.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin