piwik no script img

Influencer auf ReisenUnterwegs zu „unentdeckten“ Orten

Unsere Kolumnistin hält nicht viel von Influencer-Bashing. Aber wenn diese ohne Wissen über Europas ärmste Länder urteilen, reicht es.

Idyllische Landschaft zwischen Sarajewo und Mostar in Bosnien Herzegowina Foto: Robert Harding/imago

I ch muss zugeben, dass mir Menschen schon lange suspekt waren, die sich über „zu touristische“ Orte beschwert haben und unbedingt „unentdeckte“ Orte erkunden wollten – die haben mir schon damals Christoph-Kolumbus-Vibes gegeben. Meist sind es Menschen aus wohlhabendem Elternhaus, die mit ihrer Familie schon die halbe Welt gesehen haben und jetzt gelangweilt sind. Antalya, wo die Mittelschicht urlaubt, kommt nicht infrage, also müssen sie eben auf eigene Faust die Welt entdecken. Dabei haben sie sich natürlich nicht gefragt, ob die Leute in den abgelegenen Orten von ihnen „entdeckt“ werden wollen.

In den letzten Jahren ist Südeuropa im Kommen, dort muss man als umweltbewusste Person nicht einmal hinfliegen, sondern kommt mit dem Auto oder ausgebauten Van hin, so spart man sich sogar Übernachtungskosten vor Ort.

Die Schauspielerin („Berlin Tag und Nacht“) und Influencerin (1,4 Millionen Fol­lo­wer*­in­nen auf Instagram, 81,3K auf TikTok) Yvonne Pferrer war von den Malediven bis Island schon überall. Gemeinsam mit ihrem Freund, dem Künstler und Influencer Jeremy Grube reist sie aktuell im Van durch Südosteuropa. Gestartet haben sie ihre Reise in meinem Heimatland Bosnien und Herzegowina.

Yvonne und Jerry sind nicht so begeistert von Bosnien. Sie sind zwar nur durchgefahren und haben sich nicht mit der Geschichte befasst, weshalb sie serbische Flaggen für russische hielten und das Land schnell verließen, weil – ich zitiere – „es kriegsbedingt wohl am aufbrodeln ist“. In den paar Stunden, die sie in Bosnien verbracht haben, hatten sie aber Zeit für ein Fazit: die Städte (welche? Sie haben nicht gezeigt, dass sie in welchen waren) seien nicht besonders schön und überall liege Müll. Ich selbst hätte nach diesem Video keine Lust nach Bosnien zu reisen, obwohl ich dort geboren bin und weiß, wie schön das Land wirklich ist.

Reisen ohne sich zu informieren

Für die beiden geht es weiter nach Serbien, wo sie wieder Müll und die Tierhaltung stört. Weil sie kein Bargeld haben, bleiben sie mit ihrem Van gratis bei einem Mann stehen, der sie auf Essen und Trinken einlädt. Sie verdienen mit ihrem Content vermutlich deutlich mehr als der serbische Mann, schließlich gehört das Land zu einem der ärmsten Europas. Zumindest haben Yvonne und Jerry eine gute Erfahrung gemacht, wenn sonst sogar die Natur enttäuscht: „Auf die Landschaft waren wir nicht vorbereitet. Wir haben Mai und die Bäume haben noch keine Blätter.“

Ich bin kein Fan von Influencer-Bashing, aber nachdem sie die kritischen Kommentare unter ihren Videos nicht ernst nehmen, sondern ähnlich weitermachen, kann ich nicht anders. Sie reisen durch die ärmsten Länder Europas, haben sich vorab nicht informiert, weil sie sich „eigene Eindrücke machen wollen“, urteilen stark und verbreiten damit mehr Müll, als sie in den Ländern am Straßenrand gesehen haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Melisa Erkurt
Autorin "Generation haram", Journalistin, ehemalige Lehrerin, lebt in Wien
Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Ich gebe Melisa Recht. Es ist schon bedenklich, wie auf Reisen die Welt geradezu konsumiert und nach eigenen Vorstellungen interpretiert wird. Wenn dann noch in einer mangelnden Selbstreflexion überheblich Vorurteile in die Welt gesetzt werden, wird es schon bedenklich. Kein Wunder, wenn es an vom Tourismus heimgesuchten hot spots 'fremdenfeindliche' Proteste gibt in den gegen die reichen Eindringlinge, die alles billig haben wollen, aber das Leben vor Ort teurer machen.

  • Das einzig Gute an Influencern ist die Ehrlichkeit ihrer Selbstbezeichnung. Jedes Mal wenn eine dieser Knalltüten sich mit mir verlinken will, bekommt er die Standardantwort: Ist dir vielleicht schon mal in den Sinn gekommen, dass ich nicht ge-influenced werden will? Nicht? Dann bist du doof, sorry, blockiert.

  • Dies gibt es nicht nur bei Influencers, sondern es ist eine geradezu allgemeines Phänomen, welches sich ebenso in den Erzählungen "normaler" Touristen und nicht selten auch bei bestimmten Expats zeigt, also Personen, die in den betreffenden Ländern, über die sie urteilen leben. Oftmals fehlt jedes Wissen über die sprachlichen, kulturellen und geschichtlichen Hintergründe. Im Hintergrund steht eine enorme Selbstgerechtigkeit und Arroganz, nach der die betreffenden Personen meinen, ihre Länder wären so viel besser und sie hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen. Erst einmal zuhören und womöglich gar von anderen lernen, die eigenen Wahrnehmungen zu hinterfragen, ist meistens zu viel verlangt. Dieses Phänomen gibt sowieso in der rechten Ecke, aber es gibt es ebenfalls im linken und liberalen Bereich. Aus einer Herangehensweise der egozentrischen Arroganz, gespickt mit Halbwissen und isolierten, manchmal nicht verstandenen Beobachtungen, werden Schlüsse gezogen und Stereotype. Ein Grundzug solcher kognitiven Verzerrungen besteht darin, dass echte oder scheinbare Defizite bei anderen in den Vordergrund gestellt werden, echte oder scheinbare Stärken konsequent übersehen oder minimiert werden und gleichzeitig für die eigenen Länder und Kulturbereiche Schwächen oder Probleme minimiert oder relativiert und Stärken aufgebauscht oder generalisiert werden. Dies betrifft derweil nicht nur Influencer, Touristen und Expats, es betrifft ebenso die Politik und auch die Medien. Es betrifft auch unsere Haltung zu Menschenrechten. Beispiel Australien: Aborigines leben im Durchschnittt ca. 9 Jahre kürzer als andere Menschen in Australien. Das ist ein absolut enormer Unterschied in der Lebenserwartung, der auf extreme , systematische und anhaltende Diskriminierung hinweist. Trotzdem neigen wir dazu, dies schnell zu isolieren und keineswegs auch nur vergleichbare Vorwürfe zu erheben, wie wir dies täten bei Ländern, die wir eher als fremd oder gar als Gegner bewerten.

  • Was ist das wieder für ein "Artikel"? Auch wenn man die Kritik teilen mag, aber who cares? Wen juckt es, dass irgendeine Trulla eines Trashformats Bullshit mit ihrem Freund erzählt? Was ist der Punkt des Textes? Dass bornierte Leute mit Bullshit Geld verdienen? Dass diese sich nicht informiert haben? Ist die Follower*innenzahl auf Insta und Tiktok jetzt wirklich ein Gradmesser für gesellschaftliche Relevanz?

    Ich finde, man hätte daraus deutlich mehr machen und sich nicht zuletzt fragen können, ob besagtes "Influencer-Bashing" nicht vielleicht zurecht erfolgt. Sich nur über diese Berufsgruppe aufzuregen, wenn die Werbung negativ für eigene Bereiche und Themen ausfallen, ist etwas strange. Warum trifft das "Bashing" denn sonst nicht und hier aber schon?

    Sorry, aber das westliche Influencer jetzt nicht die reflektiertesten oder wokesten sind, kann man doch schon lange wissen, egal ob deren Inszenierung etwas anderes zeigen will.

  • Bashen oder nicht bashen ist doch neben dem Punkt. Da empfehl ich gerne mal das hier: www.suhrkamp.de/bu...er-t-9783518076408

  • Wer in einem derartig schwachsinnigen Format wie "Berlin Tag und Nacht" mitspielt, ist offensichtlich nicht in der Lage, ein fremdes Land in seiner Komplexität zu erfassen.

  • Soso, „ Ich bin kein Fan von Influencer-Bashing,“ - außer, wenn die sich an ein Gebiet heranwagen, in dem „ich“ mich auskenn.



    Klassisches Bashing , und zwar zurecht.

    • @fly:

      Habe das Video nicht gesehen, aber die Kritik daran klingt schon nachvollziehbar. Warum soll man die nicht äußern dürfen?