Meeresbiologin über Rettung der Ozeane: „Verzicht rettet die Welt nicht“

Polar- und Tiefseeforscherin Antje Boetius sieht noch Chancen, die Weltmeere vor den Folgen des Klimawandels zu schützen – und damit die Menschheit.

Eine Bohrinsel im Morgenlicht im Wattenmeer

Gefahr fürs Meer aus dem Meer: Ölbohrplattform Mittelplate im Wattenmeer Foto: Carsten Rehder/dpa

taz: Frau Boetius, angesichts dessen, was der Mensch dem Meer antut, von der Überfischung bis zur Ölbohrung, vom Dünger bis zum Atommüll: Wie vermeidet eine Meeresbiologin da eine Depression?

Antje Boetius: Zu verstehen, was mit dem Ozean und uns geschieht, die Prozesse, die Faktoren, wirkt bei mir eigentlich eher aktivierend.

Sie haben also noch Zuversicht?

Grundsätzlich immer. Aber solche Gefühlszustände haben ja keine Auswirkung auf physikalische Gesetze. Ich frage mich also: Was kann ich tun, was muss noch erforscht werden, wie kann ich mein Wissen teilen, damit wir das Richtige tun? Mit dem Klimawandel und dem Artensterben stehen wir vor der fundamentalsten Herausforderung der Menschheitsgeschichte – also kommt es auf jeden an.

Kommen wir zur Rolle der Natur: Welche betonen Sie in Ihrem Vortrag „Mensch und Meer“?

Vor allem die Wichtigkeit der großen Stellschrauben. Ich zeige auf, wie die Ozeane sich global verändern, vor allem durch die Zunahme von Treibhausgasen in der Atmosphäre. Ich bespreche, wie vielfältig die Konsequenzen sind und erkläre das Prinzip von Kipp-Punkten, jenseits derer der Mensch kaum noch Einfluss hat – zum Beispiel, wenn Gletscher abschmelzen oder Arten verschwinden.

54, Polar- und Tiefseeforscherin, leitet das Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven.

Jeder von uns, heißt es, könne etwas tun. Aber wie weit bringt uns individuelles Handeln? Müssen wird nicht vorrangig die großen Player ins Gebet nehmen – die Wirtschaft, das Militär?

Alle! Klar, jeder von uns kann was beitragen. Aber die Konzentration auf den Individualverzicht finde ich sehr gefährlich. Die Lösung liegt in der internationalen Zusammenarbeit, fossile Energieträger durch regenerative zu ersetzen, und damit in einer weltgemeinschaftlichen Transformation. Der Individualverzicht, der bei uns dauernd diskutiert wird, rettet die Welt nicht. Es geht nur durch Innovation und Umbau!

Wenn ich Regierungspolitiker wäre: Welche Klimaschutzmaßnahmen würden Sie mir anraten – oder von mir fordern –, die zugleich Meeresschutz sind?

Online-­Symposium „Mensch und Meer – Die Rolle der Natur bei der Bewältigung der Klimakrise“ (Einführung Uwe Lissau, AWO Bremen; Moderation: Dietmar Molthagen, Friedrich-Ebert-Stiftung): Di, 11. 1., 18–19.30 Uhr,

Online (Zoom), Anmeldung: www.fes.de

Einer der wichtigsten Beiträge ist der schnelle Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas – in dieser Reihenfolge. Das Meer und seine Lebewesen sind stark betroffen. Der Ozean nimmt über 90 Prozent der menschengemachten Wärme auf, 25 Prozent der CO2-Emissionen, und verändert sich dadurch total.

Wenn Sie am Meer stehen: Können Sie das noch genießen? Oder denken Sie ständig daran, was der Mensch dort anrichtet?

Wenn ich am Meer stehe – oder abtauche –, wenn ich diesen ungeheuren Raum und die Kraft des Wassers spüre, stelle ich fest, wie klein wir Menschen sind. Wir sagen, wir müssen die Ozeane schützen. Aber im Grunde geht es darum, dass wir uns selbst schützen! Der Ozean ist auch ohne Menschen weiterhin Ozean. Für unsere Zukunft geht es aber darum, in eine Art von fruchtbarem Gleichgewicht zu kommen zwischen Mensch und Ozean. Das ist, zeigt die Wissenschaft, durchaus möglich, auch mit acht Milliarden Menschen. Das gibt Hoffnung.

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