Inna Hartwich über Bidens Positionierung gegenüber Putin
: Die Killer-Kommunikation

Ein US-Präsident, ein Fernseh-Interview – und dieses eine Wort: „killer“. Mörder. Vor vier Jahren hatte es das schon einmal gegeben. Nur saß damals Donald Trump in einem Fernsehstudio und sprach von vielen Mördern auf der Welt. Heute ist Joe Biden US-Präsident, seit bald 60 Tagen, und ja, sagt er, er halte Russlands Präsidenten Wladimir Putin für einen Mörder. Das klingt fast beiläufig – hat aber eine enorme Wucht.

Moskau wütet, man gibt sich gekränkt, auch wenn man „nicht wortreich“ auf die Verbalattacke aus den USA eingehen wolle, wie es aus dem Kreml heißt. Die Ansage Washingtons ist in Moskau angekommen: Das russisch-amerikanische Verhältnis ist hinüber. Schuld daran sind, für die Russen ganz klar, die USA. So sieht die Sackgasse aus, die ein kurzes Wort bewirkt.

In russischen Oppositionskreisen schlägt Biden große Bewunderung entgegen. Endlich mal einer, der die Wahrheit ausspreche. Das Problem ist aber: Wie will einer, der auf Zusammenarbeit setzt, mit einem „Mörder“ zusammenarbeiten?

Das russische Narrativ, der Westen sei verrückt geworden und pflege nicht einmal mehr den Anstand, wird dadurch genährt. „Wie du mich nennst, so heißt du selbst“, schleudert Putin Biden entgegen. In Russland ist das ein von Kindern gern gebrauchter Spruch.

Auf Kooperation ist Moskau nach der öffentlichen Anprangerung und den US-Sanktionen ohnehin längst nicht mehr aus. Bidens Ziel, Moskau Grenzen aufzuzeigen, ist hochriskant. Er ist dieses Risiko eingegangen. Den Preis aber muss nicht Putin zahlen, wie Biden in seinem Interview prophezeit hat, den zahlen die Bür­ge­r*in­nen beider Länder.

Der Auftritt Bidens nutzt hingegen zwei Menschen: Dem US-Präsidenten selbst, genauso wie auch seinem russischen Amtskollegen. Biden kann sich als aufrechter Gegenentwurf zu Trump geben, Putin mit dem Finger auf den Westen zeigen und so die Mär, dieser tue alles, um Russland in die Knie zu zwingen, weitererzählen.

Nach innen sind also beide Präsidenten gestärkt. Geopfert aber werden Beziehungen, ohne die die Welt nicht kann.