Die Illustration zeigt einen blauen Dackel, Waffen und einen vollen Aschenbecher

Ein Ziel der Gruppe: eine neue Heimat jenseits von „Gender-Mainstreaming“ Foto: Eléonore Roedel

Waffenhandelsring in Bayern:Rechtsextreme Getriebe

In Bayern wird gegen einen rechten Waffenhandelsring mit Verbindungen nach Kroatien ermittelt. Sollte mit den Verkäufen der Aufbau einer AfD-nahen Organisation finanziert werden?

20.2.2021, 09:36  Uhr

Es gibt ein Foto von Alexander R. aus dem Jahr 2016. Er und seine Ka­me­ra­d*in­nen halten ein Transparent, vor das sich Björn Höcke gestellt hat. Darauf der Name der Gruppe: „Patriotische Alternative“. Alexander R. trägt einen Anstecker in Schwarz-Weiß-Rot. „Deutschland über alles“, steht darauf geschrieben. Es ist das Kyffhäuser-Treffen 2016, eine Art politisches Sommerfest des rechtsextremen AfD-Flügels, und eine der wenigen Gelegenheiten, zu denen sich die „Patriotische Alternative“ als Unterstützungsverein des Flügels öffentlich präsentiert.

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Vier Jahre später fliegt ein Waffenhandelsring auf. Alexander R., ein ehemaliger Zollbeamter, 48 Jahre alt, soll Kopf des Ganzen sein. Er sitzt seit vergangenen Sommer in Untersuchungshaft. Gleich mehrere der Beschuldigten aus den Waffenermittlungen waren damals treibende Kräfte beim Aufbau der „Patriotischen Alternative“. Manche trafen sich an dem Tag, als das Foto entstand, zum ersten Mal.

Der Handel

Wer heimlich Waffen verkaufen will, überlegt sich gern Codenamen. Eine Uzi-Maschinenpistole könnte dann schon mal „UZ Getriebe“ heißen, die dazugehörige Munition „9mm Flansch“, aus Gewehr wird „Pumpe“ oder „Kurbelwelle“, ein Verkaufsgespräch klingt dann so:

Am 22. Juni 2016 schreibt Alexander R. einem Bekannten aus Sachsen eine private Facebooknachricht – die Fehler alle wie im Original: „bekomm am freitag vom autozulieferbetrieb 4× UZ Getriebe mit 9mm flansch und 4 x AK Getriebe mit 7,62 flansch jedes Getriebe neu Stück 1500 Euronen“. Der Bekannte schreibt: „dan weiss ich ja bescheid, der lieferservice kommt drauf <?„ Alexander R. schreibt: „1× UZ und 1× Ak sind schon verkauft, also noch 4 Getriebe verfügbar“.

Zwei Jahre später verhaften Er­mitt­le­r*in­nen einen Mann an der Autobahn. Sie halten ihn für einen Kurier, der illegal Waffen aus Kroatien nach Deutschland bringt. Die Festnahme markiert den Beginn jahrelanger Ermittlungen, die von Kroatien nach Deutschland führen, nach Österreich und in die Schweiz.

Sie wühlen ein Geflecht auf, in dem ein kroatischer Waffenhandelsring andere Waffenhandelsringe mit Ware versorgt, darunter auch eine Gruppe, die hauptsächlich von ­Bayern aus agiert, geschmuggelte Waffen ­gekauft und weiter vertickt haben soll. Ihr mutmaßlicher Kopf: ­Alexander R.

Alexander R. ist einer, der Mails mit „Front heil“ oder „Alex von der Südfront“ unterschreibt

Inzwischen ermittelt der Fachbereich Extremismus und Terrorismus der Generalstaatsanwaltschaft München gegen 16 Personen. Es geht um Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Waffengesetz. Das Besondere an der Gruppe: Die meisten von ihnen sind Teil der rechtsextremen Szene, und einige von ihnen haben mit der AfD zu tun, als Mitglieder, Mitarbeitende oder Strippenzieher am rechten Rand der Partei – mit Kontakten bis in den Bundestag und zu Björn Höcke.

Manche der Beschuldigten sind bereits aufgefallen – wegen Verstößen gegen das Waffenrecht. Die Frage ist: Was hatten die Beschuldigten mit den Waffen vor? Wollten sie eine militante Gruppe aufbauen?

Im Januar 2020 durchsuchen die Münchner Er­mitt­le­r*in­nen zum ersten Mal Wohnhäuser und Büros mehrerer Beteiligter in Deutschland und der Schweiz, sie nehmen Handys mit, Computer, Datenträger.

Im Juli 2020 kommen sie erneut, sie sind überzeugt, dass Alexander R. und fünf weitere Personen mit Waffen handelten, darunter ein Reichsbürger, der Geld mit Vorträgen über das „BRD-System“ verdient und ein Neonazi; zehn Verdächtige gelten als ihre Ab­neh­me­r*in­nen. Jetzt verhaften sie einen Beschuldigten in Bayern und Alexander R. in Kroatien. R. hat zeitweise dort ­gelebt, seine Frau ist Kroatin und mit ultranationalistischen Veteranen paramilitärischer Milizen vernetzt, die im Kroatienkrieg kämpften. R. wird nach Deutschland ausgeliefert und sitzt bis heute in Untersuchungshaft.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Blickt man auf die Ermittlungen und die Verhaftungen, ließe sich eine Erfolgsgeschichte erzählen. Davon, wie Er­mitt­le­r*in­nen einen Waffenschiebering sprengen, bevor er die rechtsex­treme Szene in großer Zahl mit Waffen und Kriegswaffen versorgen konnte – und diese zum Einsatz kommen konnten.

Interne Chatnachrichten, E-Mails und Dokumente, die wir zugespielt bekommen, zeichnen aber ein anderes Bild. Darin lesen wir, wie der Kern der Gruppe begann, den Handel aufzuziehen und wie Alexander R. zeitgleich daran arbeitete, neue rechtsextremistische Zirkel zu erschaffen.

Er sucht die Nähe von rechtsextremen Organisationen, wirkt selbst daran mit, neue zu gründen, wozu es dann meist nicht kommt. Das alles macht er jahrelang, ohne dass ihn jemand daran hindert. Dass Alexander R. nicht noch gefährlicher geworden ist, liegt nicht an den Sicherheitsbehörden, sondern wohl allein an ihm selbst.

Das Umfeld

Am 9. Januar 2016 schreibt Alexander R. eine E-Mail an die „Identitäre Bewegung“: „Hallo Euch. Ich möchte mich beteiligen am Kampf für die Erhaltung unserer Heimat. Bitte nehmt Kontakt mit mir auf.“ R. wird in den Verteiler der Ein-Prozent-Bewegung aufgenommen, die damals am Entstehen ist, bestellt Antiasyl-Aufkleber der Partei „Dritter Weg“, nimmt Kontakt zur Schweizer „Avalon-Gemeinschaft“ auf und zur „Europäischen Aktion“; alles Organisationen, die rassistisches und rechtsextremes Gedankengut verbreiten, viele von ihnen sind damals schon für Geheimdienste interessant. Am 13. Februar 2016 begrüßt ihn die AfD als Neumitglied.

Alexander R. war schon Jahre früher in rechtsextremen Kreisen unterwegs, in der Kameradschaftsszene und bei der NPD in München, tauchte dann aber ab. Jetzt, zu Beginn des Jahres 2016, bereitet er seine erste Rede für eine Pegida-Demonstration vor. Es sind die Monate, in denen überall in Deutschland Gruppierungen zusammenfinden, die ihre rassistische Ideologie mit Kritik an der Flüchtlingspolitik tarnen.

Und Alexander R. versucht, bei möglichst vielen dabei zu sein. Er schreibt Organisationen an und einzelne Akteure und sagt immer: Ich will mitmachen. Und: Lass uns kooperieren. Er macht das verblüffend systematisch.

Alexander R. ist einer, der Mails mit „Front heil“ oder „Alex von der Südfront“ unterschreibt. Der in persönlichen Nachrichten sagt, dass er Schwule „krank“ finde, der von „Revolution“ und „Freikorps“ träumt und sich im „Kampf gegen eine Diktatur“ wähnt. Einmal schreibt er: „Wir müssen die Elite des weissen Europas bilden“. Ein anderes Mal verschickt R. das Foto einer lebensgroßen Puppe in SS-Uniform, Betreff „Mein neuer Untermieter“.

Sucht man R. im Internet, findet man einen Geschäftsmann: Ausgebildet beim Zoll, Erfahrung bei großen Wirtschaftsprüfungsunternehmen in München, dann als Berater und Experte für Import- und Exportgeschäfte tätig. Zuletzt hatte er in der Schweiz erfolglos versucht, eigene Firmen aufzubauen. Alexander R.s Anwalt antwortet uns auf mehrere Anfragen nicht.

Also besuchen wir Orte, an denen sich R. aufhielt, wir treffen Menschen, die ihn gut kennen. Manche, die nichts Schlechtes über ihn zu sagen und andere, die mit ihm gebrochen haben. Ein Mann aus R.s Umfeld nennt ihn „intelligent“, „er hat ja auch studiert“. R. ist einer, der Anzug trägt, der sich vermeintlich Dinge leisten kann. Auch wenn er in Wahrheit ständig Geldsorgen hat, sich Geld leiht, das er oft nicht zurückzahlt. Die anderen sind Handwerker, eine Sekretärin, ein Mitarbeiter einer Hotelverwaltung, Hausmeister.

Es sind Menschen, die sich damals, als Telegram noch nicht verbreitet war, in Gruppen bei Facebook oder in Mailverteilern politisch heißreden, Pam­phle­te teilen, gegenseitig Ängste schüren. Menschen, die sich auch mal schnell mit losen Onlinekontakten verabreden, weil sie Gleichgesinnte sind.

Wir besuchen einen Mann, der von R. eine Waffe gekauft haben soll, das aber bestreitet, im Münchner Umland. An seinem Haus hängt das Wappen des Königreichs Bayerns, eines, das Reichs­bür­ge­r*in­nen nutzen. Über R. sagt er: „Korrekter Typ. So wie ich.“

Die Illustration zeigt Alexander R. auf einem Sessel mit dem blauen Dackel auf dem Schoß

Bricht irgendwann mit der AfD, weil sie ihm nicht hart genug ist: Alexander R Foto: Eléonore Roedel

Als wir ankommen, sitzt der Mann, Stefan S., in einem Bagger und schiebt Schnee beiseite. Als er fertig ist, fährt er damit in seine Lagerhalle, neben dem Eingang hängt ein Gewehr und das Bild einer nackten Frau. S. ist Zimmermann. Als im vergangenen Sommer die Er­mitt­le­r*in­nen sein Grundstück samt Lagerhalle durchsuchten, fanden sie eine Pistole in seinem Auto. Klein genug, um in eine Damenhandtasche zu passen, sagt S. Illegal genug, um ihn als Beschuldigten zu führen, sagen die Ermittler*innen.

Als sie ihn befragen, antwortete Stefan S. kaum. Uns erzählt er, wie er Alexander R. 2016 bei einem Treffen in einem Gasthaus im Ort kennenlernte, ein Reichsbürger hatte dort einen Vortrag über den „gelben Schein“ gehalten. Das ist ein Dokument, mit dem Behörden Deutschen im Ausland die Staatsbürgerschaft bescheinigen. Inzwischen beantragen das auch Reichsbürger, um aus der BRD auszusteigen. Klassische Ausweise wie den Personalausweis lehnen sie ab, weil er sie als Angestellte der „BRD GmbH“ kennzeichne.

Recherchen der taz ergeben, dass neben Stefan S. mindestens ein weiterer mutmaßlicher Waffenkäufer im Gasthaus anwesend war; der Referent des Abends zählt sogar zum Kern von R.s mutmaßlicher Verkäufergruppe.

Die Er­mitt­le­r*in­nen wissen nichts von diesem Treffen, erfahren wir. Sie wissen nicht, ob an diesem Abend auch über Waffen gesprochen wurde. Oder ob es darum ging, sich als Gruppe zu formieren. Dabei ist aus Er­mitt­le­r*in­nen­krei­sen auch zu hören, dass Alexander R. den Ertrag aus dem Waffenhandel nutzen wollte, um eine neue politische Organisation aufzubauen.

In einer kleinen Anfrage wollten die Grünen des Bayerischen Landtages wissen, ob es sich bei den Waffenhändlern um eine kriminelle Vereinigung handele. Das Bayerische Justizministerium wiegelt ab: „Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist dies nicht der Fall.“ Auf die Frage, zu welchem Zweck die Gruppe in Bayern die Waffen verkaufte, antwortet das Ministerium nicht – und verweist auf die laufenden Ermittlungen.

Bereits im April 2019 hat ein kroatisches Gericht insgesamt elf Personen verurteilt, die in den internationalen Handel mit Kriegswaffen und Waffen involviert waren. Der Prozess fördert einen entscheidenden Tipp zutage: Ein Zeuge sagte, dass er wisse, an wen die Waffen gehen sollten: an die AfD.

Im Bundestag

Tatsächlich finden sich unter den Beschuldigten neben Alexander R. noch weitere AfD-Mitglieder und Sympathisanten der Partei. Eine Frau ist sogar die Mitarbeiterin eines AfD-Bundestagsabgeordneten. Dagmar S. arbeitet im Münchner Wahlkreisbüro von Petr Bystron.

Am 30. September 2016 schreibt Alexander R. eine Nachricht an einen seiner Geschäftspartner: „Hast Du irgendwie die Möglichkeit bei Dagmar das Getriebe und Drucker abzuholen? ich trau der irgendwie gar nicht mehr. die macht Spielchen mit uns.“ Nun kann in solchen Nachrichten vieles stehen, sie sind kein zweifelsfreier Beleg – doch das Justizministerium bestätigt: Dagmar S. ist beschuldigt, zeitweise eine Kriegswaffe aufbewahrt zu haben.

Unsere Recherchen ergeben darüber hinaus: Mindestens einmal stellte sie zudem einem potenziellen Käufer den Kontakt zu Alexander R. her, wie uns dieser bestätigt. Trotzdem zählen die Er­mitt­le­r*in­nen sie nicht zur Kerngruppe.

Beinahe hätte Dagmar S. den Waffenhandelsring schon im August 2017 auffliegen lassen. Schon damals durchsuchten Er­mitt­le­r*in­nen ihre Wohnung – und fanden eine Pistole, die sie illegal erworben hatte. Kurz darauf ist sie die Mitarbeiterin eines Bundestagsabgeordneten. Sie selbst möchte uns nichts über ihre Beziehung zu Alexander R. und den anderen Beschuldigten sagen, nur so viel: Sie sei bestimmt nicht als Waffenhändlerin durch Deutschland gezogen, und sie wolle mit der Sache jetzt nichts mehr zu tun haben.

Die Illustration zeigt viele verschiedene Waffen

Waffen werden in den Verkaufsgesprächen zu Autoteilen, zu „Getriebe“ etwa Foto: Eléonore Roedel

Ihr Chef, Petr Bystron, sitzt Anfang Februar auf einem Ledersofa vor dem Plenarsaal im Bundestag. Er hat einem Gespräch zugestimmt, daraus zitieren dürfen wir aber nicht. Bystron ist einer der Hardliner im Parlament, der Verfassungsschutz hatte ihn 2017 schon beobachtet, bevor er Abgeordneter wurde.

Später schickt Bystron ein Statement, indem er einen Gedanken aus dem Gespräch aufgreift: Er glaube schon, dass durch Geflüchtete insbesondere bei Frauen das Bedürfnis nach Schutz gestiegen sei. Er könne nachvollziehen, wenn sie eine Waffe zur Selbstverteidigung besitzen wollten. Er schreibt, ­rigide Waffengesetze seien schuld, wenn sie, auf der Suche nach diesem Schutz, in die Fänge von Betrügern gerieten.

Was der Bundestagsabgeordnete Bystron sagt, gleicht der Angstpropaganda von Pegida-Kundgebungen. Geflüchtete Menschen werden pauschal als Gefahr dargestellt, gegen die man sich schützen muss, im Zweifel auch mit einer illegal besorgten Waffe.

Dagmar S. schwieg damals bei den Ermittlungen über die Herkunft der Pistole. Ein Gericht verurteilte sie wegen unerlaubtem Besitz und Führens dieser halbautomatischen Kurzwaffe zu einer langen Bewährungsstrafe und Sozialstunden.

Diese frühere Verurteilung wirft Fragen auf: Warum stießen die Er­mitt­le­r*in­nen nicht schon damals auf den Waffenhandelsring? Wurden Alexander R. und die anderen durch die Ermittlungen gegen Dagmar S. gewarnt? Ließen sie Waffen verschwinden?

Betrachtet man die bekannten Eckdaten des Falls, irritiert es, dass gleich sechs Männer mit den Waffen gehandelt haben sollen, mindestens ein Dutzend offenbar Interesse am Kauf hatten. Und wie wenige Waffen schließlich sichergestellt wurden: ein Schießkugelschreiber, ein Elektroschockgerät, eine Pumpgun, zwei Pistolen, ein paar Patronen, ein Schalldämpfer, eine nicht zugelassene Gaspistole.

Was fehlt: Uzi-Maschinenpistolen, AK-47-Sturmgewehre, die Kriegswaffen also, die R. und die anderen in ihren Verkaufsgesprächen Getriebe, Kurbelwellen, Pumpen nannten. Haben die Er­mitt­le­r*in­nen nicht alles gefunden?

Die Käu­fe­r*in­nen

Einmal verabredet sich ein damaliges AfD-Mitglied, das südlich von München lebt, mit Alexander R. zum Waffenkauf. In den Nachrichten, die sich die beiden 2016 und 2017 schrei­ben, vergisst der Mann manchmal die Sprachregelung mit den Autoteilen und schreibt eindeutig von einer „uzzi.mit Schuß“. Er verhandelt um Preise, fragt, ob er in Raten zahlen kann oder mit seiner Taschenuhrsammlung, schiebt ein Treffen immer wieder raus. Alexander R. schickt ihm die Adresse zu einem Treffpunkt, eine Self-Storage-Lagerhalle in Hohenbrunn.

Die verzierten Fachwerkhäuser in dem Dorf am Fuße der Alpen, in dem der Mann lebt, ruhen Ende Januar unter Schnee. Der Mann ist überrascht, als wir bei ihm klingeln, um ihn nach dem Waffendeal zu fragen. Die Polizei war nicht bei ihm. Er sagt, er habe in einer Facebook-Gruppe für Motorradfahrer von R.s Waffen erfahren, weil Alexander R. sie dort angeboten habe.

Er erinnert sich an das Foto einer Maschinenpistole, an ein anderes, auf dem ein Karabiner, ein historisches Gewehr, zu sehen gewesen sei. Deshalb habe er Alexander R. geschrieben. Nur zum Treffen hingefahren sei er dann nie – aus Angst, er könnte abgezogen werden. Und auch wegen seiner Frau: „Wie soll ich ihr denn erklären, dass ich mit ’ner Knarre nach Hause komme?“

Was der Mann nicht erklären kann: Was er mit der Waffe vorhatte. Einerseits spricht er von Neugier, andererseits davon, dass er selbst nicht wisse, wo man überhaupt mit einer Uzi schießen solle. Auf Merkel jedenfalls nicht.

Sie planten, deutsche Siedlungen in Ungarn, Russland und Kroatien aufzubauen, als Rückzugsort „fernab von Gender-Main­streaming und geschichtlicher Indoktrinierung“

Bislang hat die Polizei sich bei diesem Mann nicht gemeldet, auch das Lagerhaus in Hohenbrunn hat sie sich nicht angeschaut.

Einer der Beschuldigten lebt in einem Schloss in Sachsen. Dort gäbe es viele Orte, um Beweise zu verstecken, trotzdem durchforstete niemand das ganze, teils baufällige Gebäudeensemble mit Motorradgarage und Werkstätten, als das SEK im Sommer das Gelände stürmte. Lediglich die Wohnung des Beschuldigten wurde durchsucht, und die Er­mitt­le­r*in­nen zogen ziemlich schnell wieder ab – so schildert es uns der Beschuldigte selbst bei einem Gespräch.

Die Po­li­zis­t*in­nen fragten ihn offen­bar nicht nach den Waffenteilen, die er aus Tschechien besorgen sollte oder wollte, da gehen die Aussagen auseinander. Code laut Chatnachrichten: „Skoda­teile aus CZ“.

Die Pläne

Die „Patriotischen Alternative“ um Alexander R. entstand zunächst in Hessen, als eine Art Förderverein zur Unterstützung des rechtsextremen Flügels der AfD um Höcke. Die Er­mitt­le­r*in­nen glauben, dass mit dem Geld aus den Waffenverkäufen ein bayerischer Landesverband dieser Organisation aufgebaut werden sollte. In einer Facebook-Nachricht schreibt Alexander R. Anfang 2017: „jetzt nur noch getriebe losbekommen und aufwärts gehts“.

Unsere Recherche aber ergeben: Die Pläne hinter den Kulissen gingen weit darüber hin­au­s: Es gehe darum, „zielorientiert und effizient Kräfte zu Bündeln und Parallelstrukturen zu schaffen für nationale volksbewusste Deutsche und Europäer“, so formuliert es Alexander R. in einem internen Dokument. Deutsche Bürger sähen sich „immer mehr einer Diskriminierung und Erpressung seitens des herrschenden Systems ausgesetzt“.

Die meisten in der Gruppe hatten sich damals, 2016, gerade erst kennengelernt – auf Facebook, bei Pegida-Demos, bei Vortragsabenden oder weil wohlmeinende Bekannte sie miteinander vernetzten. Sie planten, deutsche Siedlungen in Ungarn, Russland und Kroatien aufzubauen, als Rückzugsort „fernab von Gender-Mainstreaming und geschichtlicher Indoktrinierung“.

Von Kampftrainings und Sicherheitsunternehmen ist in den Unterlagen und Nachrichten die Rede, auch Observationen sollte Teil des Geschäfts sein. Organisiert unter dem Deckmantel einer Tarnorganisation, die erst mal unpolitisch daherkommt, mit dem Namen „Hexagon“.

Immer wieder lädt Alexander R. Personen, die er mal besser, mal flüchtiger kennt, zu Vernetzungstreffen ein, etwa in die „Gedächtnisstätte Guthmannshausen“ in Thüringen, einem Treffpunkt von Holocaust-Leugner*innen. Es geht dabei um Rückzugsräume und auch Krisenvorsorge. Eines dieser Treffen fand im Herbst 2016 im thüringischen Suhl statt.

Geplant war, eine „gemeinschaftliche Aktions-Plattform“ zu schaffen, mit der „Identitären Bewegung“ und der „Europäischen Aktion“, von der sich führende Mitglieder in Österreich gerade wegen Terrors vor Gericht verantworten müssen. Auch dabei: die „Patriotische Alternative“, ein Zahnrad im rechtsextremen Getriebe.

Im März 2016 spricht Alexander R. den AfD-Bundestagsabgeordneten Hansjörg Müller bei einem Vortrag der AfD-Mittelstandsorganisation an. R. möchte mit ihm Kupfer importieren, über Monate hinweg sondieren sie Preise, suchen Abnehmer*innen, verhandeln. Das Geschäft wird nie abgeschlossen.

Eben jener Bundestagsabgeordnete unterstützt R. auch mit Kontakten. Er vermittelt jemanden, der ebenfalls über „Fluchtburgen in Ungarn“ nachdenke, so formuliert es Müller selbst in einer Mail. Ein anderes Mal schickt er den Kontakt einer wohlhabenden Frau von der FPÖ, „wäre vielleicht jmd für Euer Netzwerk“. Müller selbst gibt ihm 800 Euro. Eine Leihgabe, sagt Müller auf Anfrage, als R. einmal pleite gewesen sei.

Eine Quittung dafür kann er nicht vorlegen, auch nicht plausibel erklären, warum er dafür einen Blogger Geld nach Liechtenstein überweisen lässt, wie es aus Mails hervorgeht. An Waffengeschäfte will sich Müller nicht erinnern. Aber jetzt daran, dass R. ihm noch Geld schulde.

Und so schuldet Alexander R. vielen noch etwas. Der NPD zahlt er die Gebühr für ein Videoseminar nicht vollständig, von einem Reichsbürger kauft er Funktechnik, bezahlt aber nicht, sogar die AfD prellt er um Fahrtkosten und Mitgliedsbeiträge. Kurz bevor Alexander R. ins Visier der Er­mitt­le­r*in­nen gerät, pendelt er zwischen seinem Leben als Geschäftsmann in der Schweiz und in München, mal ist er Ehemann in Kroatien, dann wieder in Österreich.

Die Tarnorganisation Hexagon wird nie formal im Handelsregister angemeldet, stattdessen zieht sich R. Anfang 2017 aus dem Vorstand zurück. Dann bricht er mit der AfD. In einer Face­book­nachricht schreibt er: „Die AfD ist eine vom System implementierte Partei der Plutokratie! Ich unterstütze sie nicht!“ Und er fügt an: „Ich bin, war und bleibe Nationalist und Sozialist!“

Dass Alexander R. nicht gefährlicher geworden ist, liegt nicht an polizeilichen Ermittlungen, die ihn stoppten. Es liegt an seinem eigenen Scheitern und daran, dass er viel will und dann alle Verbindungen kappt. Oft ging es ums Geld. Fragt man die Personen von damals, wie ihre Geschichte mit R. endete, antworten viele: Sie haben nichts mehr von ihm gehört.

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