Ermittlungen zu Krawallen in Stuttgart: Männlich, jung und polizeibekannt

Der Baden-württembergische Innenminister hat eine Bilanz zu den Stuttgarter Krawallen vorgestellt. Mittlerweile wurden fast 100 Verdächtige ermittelt.

Drei Männer ersetzen eine zerborstene Schaufensterscheibe

24. Juni, Aufräumarbeiten in der Stuttgarter Innenstadt Foto: Arnulf Hettrich/imago

KARLSRUHE taz | Sehr männlich, sehr jung und fast immer mit krimineller Vorgeschichte: das ist die durchschnittliche Beschreibung der mutmaßlichen Gewalttäter der Stuttgarter Krawallnacht, die der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl am Dienstag vorgelegt hat.

Die Ausschreitungen vom 20. Juni, bei denen Jugendliche Polizeibeamte und Rettungskräfte angriffen und einzelne Geschäfte in der Stuttgarter Innenstadt plünderten, hatten bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Noch in der Nacht waren 25 mutmaßliche Täter festgenommen worden.

Nach weiteren Ermittlungen hat die Polizei inzwischen 98 mutmaßliche Täter ermittelt. Die Gruppe sei sehr heterogen, sagte Strobl. Dass die Randale organisiert gewesen sein könnte, dafür gibt es nach Erkenntnissen der Ermittler keine Hinweise. Ein großer Teil der Straftäter komme aus Stuttgart und Umgebung. Das Alter der festgenommenen jungen Männer bewege sich zwischen 13 und 33 Jahren. Zwei Drittel seien Kinder oder im jugendlichen Alter.

Strobl legte auch Zahlen zur ethnischen Herkunft der Beschuldigten vor. Danach haben fast 70 Prozent der Festgenommenen einen deutschen Pass. Zwei Drittel dieser Gruppe hätten allerdings „Migrationshintergrund“, wie Strobl sagte. Die Erforschung der Herkunft über die Staatsangehörigkeit hinaus war auf Kritik gestoßen.

„Maximale Härte“ durch die Politik

Ein Stuttgarter Stadtrat der Grünen hatte diese Ermittlungen mit der Stammbaumforschung der Nationalsozialisten verglichen – und sich später entschuldigt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann rechtfertigte die Untersuchungen. Nur damit könne man etwas über Ursachen und Hintergründe der Gewalttaten erfahren. Strobl sagte, Gespräche mit Jugendlichen zeigten, „dass einige mit den Regeln hier bei uns nicht vertraut sind“.

Für Strobl wie auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann zeigt die kriminelle Vorgeschichte der meisten Beschuldigten, dass Vermutungen, die Randalierer hätten mit den Gewalttaten ihrem Frust über die Coronamaßnahmen Luft gemacht, nicht stichhaltig sind. Strobl verwies darauf, dass 70 Prozent der mutmaßlichen Täter bereits zuvor der Polizei mindestens aufgefallen seien. So wird gegen einen der Festgenommenen wegen Vergewaltigung einer Frau ermittelt, die er zuvor wehrlos gemacht haben soll. Ein anderer soll einen Kaufhausdetektiv geschlagen und mit einem Messer bedroht haben.

Der Leiter des Soziologischen Instituts der Pädagogischen Hochschule Freiburg, Albert Scherr, hatte am Dienstag massive Kritik an der Landesregierung geübt und ihr vorgeworfen, mit den Festnahmen der Jugendlichen überzureagieren und die Augen davor zu verschließen, dass es ein Bündel von Ursachen für die Krawalle gebe, angefangen bei den Coronamaßnahmen über die Hitze bis zu den Bildern von den Protesten gegen die Polizei.

Der Soziologe kritisierte, dass fast die Hälfte der Täter zumindest zeitweise in U-Haft saßen. „Unter normalen Umständen müssten diese Täter zur Strafe die Wände im Jugendzentrum streichen. Aber hier wolle die Politik offenbar „maximale Härte demonstrieren“, sagte Scherr der Stuttgarter Zeitung.

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