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Angriff auf Polizei in LeipzigNebel über Connewitz

Nach einem taz-Bericht schwächt die Polizei ihre Angaben zu Verletzungen eines Beamten ab. Die Ermittlungen wegen versuchten Mordes laufen weiter.

Was genau geschah an Silvester in Connewitz? Foto: dpa

Berlin taz | Nach einem taz-Bericht schwächt die Polizei ihre Angaben zu den Verletzungen eines Beamten nach Angriffen in der Silvesternacht in Leipzig-Connewitz ab. Die Polizei Leipzig spricht nun statt von einer Notoperation nur noch von einer „dringlichen Operation“. Wohl aber sei der Polizist schwer verletzt worden.

In der Silvesternacht sollen laut Polizei 20 bis 30 teils Vermummte am Connewitzer Kreuz drei Polizisten nach einem Festnahmeversuch attackiert und ihre Helme heruntergerissen haben. In einer ersten Mitteilung schrieb die Leipziger Polizei, dass der 38-jährige Polizist dabei „so schwer verletzt wurde, dass er das Bewusstsein verlor und im Krankenhaus notoperiert werden musste“. Von KrankenhausmitarbeiterInnen erfuhr die taz indes, dass es keine Not-OP, sondern eine Behandlung einer Ohrmuschel des Beamten unter lokaler Betäubung gegeben habe.

Ein Sprecher der Leipziger Polizei räumte ein, dass der Begriff Notoperation missverständlich gewesen sei. Er sei aufgrund eines ersten Kenntnisstands gewählt worden. Gemeint gewesen sei eine „dringliche Operation“, die schnell habe erledigt werden müssen. Auch habe tatsächlich keine lebensbedrohliche Verletzung vorgelegen. Dennoch sei der Polizist schwer verletzt worden, so der Sprecher. Der Mann sei „bewusstlos und blutend von der Kreuzung geschleift worden“. Die Verletzungen beträfen „nicht nur einen Riss am Ohrläppchen“.

Sachsens Polizeipräsident Horst Kretzschmar wies Vorwürfe zurück, er habe den Vorfall aufgebauscht: „Die Polizei wird nie Falschmeldungen verbreiten.“ Zu der Verletzung und dem Tathergang wollte sich Kretzschmar indes nicht weiter äußern. Dies würden die Ermittlungen zeigen. Der Polizeichef bestätigte aber, dass der 38-Jährige am Freitag aus dem Krankenhaus entlassen wurde.

Ein „völlig fehlgeleiteter Polizeieinsatz“?

Die Leipziger Linke-Abgeordnete Jule Nagel, die bereits ein „rabiates“ Vorgehen der Polizei in der Silvesternacht beklagt hatte, kritisierte dagegen die Informa­tions­politik der Beamten. Die Polizei habe „die Information über die Verletzung eines Beamten nicht nur aufgebauscht, sondern wider besseres Wissen bewusst im öffentlichen Diskurs gehalten“, sagte sie der taz. Offenbar habe „der völlig fehlgeleitete Polizeieinsatz vor Kritik immunisiert werden“ sollen. Sie forderte eine unabhängige Untersuchung des Einsatzes.

Auch SPD-Chefin Saskia Esken appellierte, schnell zu klären, „ob die Einsatztaktik angemessen war“. Andernorts habe eine Deeskalationsstrategie gezeigt, „dass es auch anders geht“. „Sollte eine falsche Einsatztaktik Polizistinnen und Polizisten unnötig in Gefahr gebracht haben, liegt die Verantwortung dafür beim sächsischen Innenminister.“

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Die Leipziger Internet ­Zeitung beschreibt derweil ein Video, das eine Privatperson von dem Angriff in der Silvesternacht gemacht haben soll. Darin soll zu sehen sein, wie zwei Beamte – ­einer mit und einer ohne Helm auf dem Kopf – einen Mann festzunehmen versuchen. Daraufhin stürme eine Gruppe Vermummter auf die beiden zu und springe diesen in die Rücken.

Auch ein weiterer Polizist werde umgetreten. Ein Mann soll dann einen Polizeihelm, den einer der Beamten offenbar verloren habe, genommen und in Richtung der Polizisten geworfen haben. Noch als zwei Beamte auf dem Boden lägen, würden diese getreten, auch Pyrotechnik fliege. Erst danach vertrieben weitere Beamte die Angreifer.

Mordermittlungen laufen weiter

Ein Herunterreißen der Helme durch Angreifer ist laut dieser Beschreibung nicht zu sehen. Ein Sprecher des ermittelnden LKA wollte sich dazu nicht äußern und verwies ebenso auf die laufenden Ermittlungen.

Die Leipziger Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Angriffs weiter wegen versuchten Mordes. Tatverdächtige konnten dazu laut LKA bisher nicht ermittelt werden. Das Leipziger Amtsgericht erließ am Freitag aber Haftbefehl gegen vier Männer, 27 bis 32 Jahre alt, die in der Silvesternacht weitere Angriffe auf Polizisten verübt haben sollen.

Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) wies am Freitag die Kritik am Polizeieinsatz zurück. Es habe „gezielte Gewalt“ gegen Polizeibeamte gegeben. „Wir werden in Leipzig, aber auch in Sachsen keine rechtsfreien Räume dulden.“ Zur Kritik von Esken sagte Wöller sarkastisch: „Je weiter man weg ist vom Einsatzgeschehen, desto mehr scheint die Expertise zu steigen.“

Auch Polizeichef Kretzschmar sagte, man habe in der Silvesternacht durchaus auf Deeskalation gesetzt und sich lange zurückgehalten. Wenn aber Straftaten geschehen, müsse die Polizei gegen diese vorgehen. Den Angriff auf die Polizisten nannte Kretzschmar „gezielt, heimtückisch und hinterhältig“. Der Polizeichef hatte mit Wöller am Freitag am Einsatz beteiligte PolizistInnen in Leipzig besucht.

Kritik an Esken kam auch aus der Politik. Ihr Amtsvorgänger Sigmar Gabriel warf der SPD-Chefin „Schlaumeiern“ aus der Ferne vor. „Angesichts der massiven Silvestergewalt über Polizeitaktik zu diskutieren, wäre es besser, über die Gewalttäter zu reden.“ Auch FDP-Chef Christian Lindner warf Esken und der SPD vor, sie falle den Beamten „in den Rücken“: „Hier werden Täter und Opfer vertauscht.“

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22 Kommentare

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  • Die Details, wann wer wem in den Rücken oder an dem behelmten oder unbehelmten Kopf getreten hat, wird bei der juristischen Schuldfestellung und Strafzumessung entscheidend sein. Jenseits davon bleibt politisch festzustellen, dass Eskalation wohl von beiden Seiten gewollt war. Ich habe beim anderen Artikel schon geschrieben, dass man auch eine aggressive Polizeitaktik mit eigener Friedlichkeit, und ja Rückzug, unterlaufen kann. Aber das war wohl nicht gewollt. Jetzt haben alle Seiten ihre Bilder und Kommentare, die sie haben wollten. Leider.

  • hier noch ein kleiner Einblick von einem Augenzeugen

    www.freie-radios.net/99161

    • @Gizmo:

      Danke für den Link.



      Ich fasse die Angaben des Augenzeugen mal zusammen:



      Die Polizei war zuvor mit einem Helikopter stundenlang über dem Stadtteil geflogen, "um auf Dächern mögliche Depots" (von was auch immer) zu finden.



      1. Der "brennende Einkaufswagen" wurde nicht "mitten in eine Polizeigruppe hineingeschoben" sondern war zig-Meter von der Polizei entfernt.



      2. Bei dem Einsatz hat die Polizei ihrerseits eine bewusstlose Person einfach auf dem Pflaster liegengelassen.



      3. Den Beamten wurden keine "Helme vom Kopf gerissen", sondern sie hatten bei ihrem offensichtlich unbedachten Vorgehen, keine Helme auf.

      • @Wagenbär:

        wäre noch zu ergänzen, dass sich die Polizei wohl durch einen putzig geschmückten brennenden Einkaufswagen und Pyrotechnik hat provozieren lassen (wollen) und dass auf der anderen Seite relativ schnell vermummte Typen einem Festgenommenen zu Hilfe kamen, in dem sie den Polizisten in den Rücken gesprungen sind.



        Für mich sieht das so aus, dass auf BEIDEN Seiten ein paar unentspannte Krawallos ("das lassen wir uns nicht bieten!!") unterwegs waren, die keinen Bock auf Deeskalations-Gedöns hatten. Nun stehen alle da wie begossene Pudel und eigentlich hat keine Seite das Recht, der anderen übermässige Gewaltanwendung vorzuwerfen.

        • @Edward:

          Ihre Analyse, die Polizei habe sich durch die "Einkaufswagen-Aktion" provozieren lassen, ist eindeutig falsch.



          Nach Angaben /aller/ Augenzeugen, hat die Polizei diesen dort nur ganz am Rande zur Kenntnnis genommen, und hatte mit den "Gewalt-Ereignissen" gar nix zu tun.



          Der Wagen wurde von dem Polizei-Märchen-erzähler nur Später als scheinbarer "Tatsachenbeleg" in die erfundene Story von dem brutalen, organisierten Übergriff "Links-Extremer" eingeflochten.



          Es ist das selbe Strickmuster, mit dem schon den erfundenen Bibelgeschichten Glaubwürdigkeit verliehen werden sollte :"Es war zu der Zeit, als Cyrenius Landpfleger war". Cyrenius (bzw Quirinius) war als römischer Statthalter eine historische Figur. Der Rest des Lucas-Eangeliums ist trotzdem frei erfundene Fiktion.



          Die völlig haltlose Verbindung des "Polizei-Einkaufswagens" mit den Tätlichkeiten bei einer Festnahme ist sogar besonders niederträchtig, weil damit rein symbolischer aber gewaltloserProtest per se als Gewalthandlung diskreditiert wird.

  • @Philippe Ressing @Andreas J Das sehe ich anders. Die Diskussion um Begriffe ('Hetzjagd'; 'Notoperation') bewirkt, dass man am Ende vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht.

    • @Jochen Laun:

      Vergleichbar ist da: In beiden Fällen geht es um höchst fragwürdiges Verhalten der sächsischen Polizei.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Es kommt immer darauf an, wer, wann, was und wo macht. Ein Schuss in die Schulter ist never ever ein Mordversuch, eine Verletzung am Ohr wohl schon:

    "Am Donnerstag präzisierte ein Sprecher der Anklagebehörde, man gehe nach den bisherigen Ermittlungsergebnissen von einem „Rücktritt vom Tötungsdelikt“ aus – ein kompliziertes juristisches Konstrukt. Demnach wird nicht wegen eines versuchten Tötungsdelikts bestraft, wer „freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt“.

    LOWANDORDER, übernehmen Sie.

    www.ksta.de/koeln/...uOmyoPRJDhDppqNH5M

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Na ja, wenn ein Tritt gegen den Kopf einer am Boden liegenen Person grundsätzlich als Mordversuch gesehen würde, müssten die Staatsanwälte in Deutschland dutzende eingestellte Verfahren gegen Polizeibeamten wieder neu aufnehmen.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Wagenbär:

        Absolut zutreffend.

        Entscheidend ist auch hier weniger, WAS einer macht, sondern WER WAS macht.

        Polizisten, die am Boden liegende Demonstranten gegen den Kopf treten, schützen nach offiziellem Sprachgebrauch Freiheit und Demokratie.

        Im Volksmund: Der Zweck heiligt die Mittel - selbst wenn dabei keine göttliche Beistandschaft mitwirkt ...

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Also ich traue dem Urteil der ehemaligen stellvertretenden Landeselternbeirätin. Sie hat bestimmt recht.

  • Erinnert nur mich das an die Hetzjagd-Debatte um Chemnitz? Nur mit umgekehrten Vorzeichen? Die TAZ in der Maaßen-Rolle?

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Jochen Laun:

      Gegenfrage:

      Wie nennt man die Methode, Inhalte eines Sachverhaltes beiseite zu schieben und sich nur Formalitäten anzuschauen?

      Welche Rolle spielen in Ihrem Denkansatz Presseverlautbarungen von Polizei über BILD bis Focus?

      Auch dazu ein kleines Sprüchlein parat?

    • @Jochen Laun:

      Es geht hier nicht um Verharmlosung von Gewalt, sondern um die irreführende Darstellung seitens der Polizei.

    • @Jochen Laun:

      Hä - nix verstanden. Hier hat die taz mal ihre Hausarbeiten gemacht und nicht einfach dpa-Material oder Polizieverlautbarungen abgeschrieben. Ohne die Eigenrecherche der taz wüde die PR-Lüge vom lebensgefährlich verletzten Beamten und der vermeintlichen Notoperation jetzt noch in den Medien unwidersprochen rumgeistern. Danke dafür.

  • Eskalationen entstehen, wenn sich irgendwo wer einmischt. Wenn die Polizei am Silvesterabend verdientermaßen arbeitsfrei hätte, wäre nichts passiert. Was sagt eigentlich deren Gewerkschaft zum Thema Nachtarbeit?

  • Wenn man den oben genannten Bericht in der Leipziger Internet Zeitung liest, beschleicht einen das Gefühl, dass die Leipiger linke Szene ähnlich bescheuert dran ist ist wie die Fangemeinschaft der SG Dynamo Dresden: die kriegen ihre krawallgebürsteten Armleuchter nicht in den Griff und bieten ihnen einen, durch die schiere Menschenmasse geschützten, Rückzugsraum (sei es absichtsvoll und heimtückisch oder von strunzdummer Einfalt umweht).



    Das, was in der LIZ beschrieben wurde - in den Rücken springen, am Boden Liegende gegen Körper und Kopf treten - ist die Handschrift von Hools, Faschos, Rassisten und nun eben auch pseudolinken Flachwi*****n.



    Die Politikerinnen-Parolen zum Ereignis sind Mimimi und nur noch peinlich.

    • 0G
      08391 (Profil gelöscht)
      @Edward:

      Trotzdem würde mich der genaue Tathergang nun schon interessieren und warum die Polizei ganz offensichtlich zu Beginn falsche Angaben gemacht hat und diese erst nach der taz Berichterstattung korrigiert hat. Sehr unprofessionell was die Polizei in Leipzig diesbezüglich abliefert!

      • @08391 (Profil gelöscht):

        Naja, es ist die SÄCHSISCHE Polizei ;-)

  • „Hier werden Täter und Opfer vertauscht.“

    Verstehe! Man sollte das dann doch wohl besser weiterhin der sächsischen Polizei überlassen. Die hat darin schließlich schon tausendjährige Erfahrung und Tradition.

    btw.: Es war ja keine Frage, ob der Siggi Pop mal wieder aus der Ferne schlaumeiern würde, sondern nur wann. Ups, he did it again. Das wäre damit ja auch abschließend geklärt. (;-))

  • Ich habe mit Interesse und großer Aufmerksamkeit Ihre Berichterstattung rund um die beschriebenen Vorfälle in Leipzig gelesen. Mich würde nun folgendes interessieren: Sollten offensichtlich rechtsradikale Personen die Polizei angreifen, würden Sie dann ebenfalls die Schuld für die von Ihnen beschriebene Eskalation beim Staat und seinen Bediensteten suchen? Ich möchte linksaußen und rechtsaußen in keiner Weise gleichsetzen, aber wenn Gewalt gegen Menschen ausgeht ist es mir ehrlich gesagt egal aus welcher politischen Ecke sie kommen- es bleibt Gewalt. Ich habe kein Problem mit (eher) linksgerichteten Zeitungen- im Gegenteil! Ich empfinde sie als wichtiges Korrektiv innerhalb unseres Staatswesens, neben so anderen wichtigen Blättern wie der FAZ oder der SZ. Aber bitte: Wenn es um Gewalt geht, werden Sie nicht auf dem linken Auge blind (oder auch nur trüb). Sie liefern sonst nur Futter für die wirklich falsche Seite!

    • 0G
      08391 (Profil gelöscht)
      @Gregor von Niebelschütz:

      Es geht um den genauen Tathergang und hier verstrickt sich die Polizei in Widersprüchlichkeiten. Das ist ärgerlich und sollte hinsichtlich Professionalität vermieden werden! Und die taz berichtet auch bei rechten Gewalttaten von Widersprüchlichkeiten bei der Polizei. Die NSU Morde sind doch nun voller Widersprüchlichkeiten auch hinsichtlich Verwicklungen und Angaben von Polizei und Verfassungsschutz!