Klimastreik, Renate Künast, Olli Kahn: Die Rettung der Welt durch Horsts

Das Klimapaket ist da und die Bewegung ist enttäuscht. Und auch sonst hat nicht viel geklappt vergangene Woche. Und was kommt in dieser?

eine Frau stellt eine Tasche auf einen Stuhl

18 Stunden hat die Bundesregierung am Klimapaket beraten. Raus kam viel Schaumflaum Foto: reuters

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Klimawandel, jedenfalls zwischen Merkel und AKK.

Und was wird in dieser besser?

Beider Bonusmeilen.

Am Freitag wurde weltweit für das Klima gestreikt. Wie haben Sie den Tag verbracht?

Staunend. Meine Kölner Kollegen demonstrierten unter einem Banner „Klimaschutz gibt’s gar nicht“, vermutlich führten sie den Marschblock der Lügenpresse damit an. Im komplett verstopften Berliner Regierungsviertel sah ich derweil „80.000 am Brandenburger Tor“ (Berliner MoPo) oder „knapp 100.000 Demonstranten“ (Polizeibericht) oder eben doch 270.000 (Veranstalterangabe). Die enorme Mobilisierung bei einem vergleichsweise abstrakten Thema imponiert. Die Bereitschaft der Bevölkerung, FDP-Chef Lindner folgend, „beim Klimaschutz die Profis ranzulassen“, scheint eher übersichtlich.

Mehr als 18 Stunden hat die Bundesregierung nach einer Lösung zum Klimaschutzpaket gesucht – und gefunden. Ist unsere Erde jetzt gerettet?

Hehe, da sollte man die Profis ranlassen: „Klares Politikversagen“ (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung), „Ausdruck klimapolitischer Mutlosigkeit“ (Hertie School of Governance), „reicht nicht, das Ziel 2030 zu erreichen“ (Wuppertal Institut). Oder Greenpeace: „Meilenweit hinter dem Pariser Abkommen“. Na und so fort. Eine paradoxe Situation, in der die Bevölkerung zu Opfern bereit ist – und die Politik sich weigert, sie zu verlangen. Ein paar big points wie ­Kerosinsteuer und CO2-Steuer fehlen, und selbst wenn das mit Emissionshandel und Flug­ticketsteuer übersetzt wird, sucht man die Leuchttürme. 70 Einzelpunkte enthalten viel Gutes – etwa für billigere Bahntickets.

Und viel Schaumflaum: Subventionen für E-Autos, die es noch nicht gibt. Die bisherigen Verdienste Deutschlands be­stehen wesentlich aus dem Kollateralnutzen, die DDR-Industrie abgeschaltet zu haben. Je länger das her ist, desto lächerlicher wird die stete Messlatte 1990. Nun geht es darum, ob ein stinkreicher Industriestaat wenigstens für sich etwas bewegen kann. Das rettet natürlich nicht die Welt, könnte jedoch der Welt Mut machen, sich zu retten.

Das Landgericht Berlin hat geurteilt: Die Bezeichnungen „Stück Scheiße“ und „Drecksfotze“ für Grünen-Abgeordnete Renate Künast gelten als zulässige Meinungsäußerungen. Wie sollten wir künftig das Landgericht Berlin bezeichnen?

Mit diesem Urteil ist „Pressekammer des Landgerichts Berlin“ doch schon eine tödliche Schmähung. So möchte sich kein anständiger Mensch mehr nennen lassen. Künast hatte 1986 – also 18 Jahre vor Gründung von Facebook – ­einen irrlichternden Zwischenruf in der Pädophiliedebatte rausgehauen. Den griff die Welt 2015 auf, kommentierte einseitig und fand sich damit in einem Post eines rechten Aktivisten wieder. Dort ergoss sich dann netztypischer Sprechdurchfall gegen die Frau. Es handelt sich also in Summe um vier rhetorische Stromschnellen über 33 Jahre.

Das Gericht jedoch fantasierte einen direkten „Sachbezug“ zwischen Station 1 und Station 4. Nutznießer der – ­Sachbezug! – Schwanzlutscherrichter ist ­Facebook: Sie können jeden Blödsinn durchwinken, den das deutsche „Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken“ unterbinden sollte. Ironie am Rande: Künasts historischer Zwischenruf bestand aus dem Hinweis, dass im Vortrag eines Redners über grüne Posi­tionen zur Pädophilie ein Kommasatz fehlte.

Innenminister Horst Seehofer verteidigte diese Woche die Aufnahme von Geflüchteten. Woher der Sinneswandel?

Die CSU verlor bei der bayerischen Landtagswahl 2018 220.000 Kunden an die „Freien Wähler“, 190.000 an die Grünen und 240.000 an den Friedhof. Gesetzt, Letztere kommen nicht zurück, ist für Söder und Seehofer bei den Ökos mehr zu holen als bei der AfD. Bei den Erstwählern lagen CSU und Grüne sogar beinahe gleichauf. Wie sich Obergrenzen-Horst vor der Wahl an Rechtspopulisten ranschmiss, schleimt Ökosöder sich nun selbst die Taschen voll als „Erfinder des Umweltschutzes“. Und Horst Seenotretter erfindet sich auch mal eben neu. Vielleicht holen sie so den Vorsprung der SPD ein, die schon toll ausprobiert hat, wo man landet, wenn man immer alles nachmacht.

Manuel Neuer oder Marc-André ter Stegen, wer soll im Tor der Nationalelf stehen? Für Uli Hoeneß ist das ganz klar: Neuer. Stimmen Sie ihm trotz seiner peinlichen Wutrede zu?

Oliver Kahns größte Leistung im Tor der Nationalelf war, es für Jens Lehmann zu räumen. 2006 zeigte er damit ein dermaßen sportliches Verhalten, dass es bei Hoeneß vermutlich als unsportliches Verhalten gilt. Nun soll Kahn Nachfolger Rummenigges als Bayern-Boss werden. Hoeneß hat Kahn als türenschlagenden Choleriker beschrieben in launigen Anekdoten; in einem freiwilligen unsozialen Jahr im Vorstand darf der „Titan“ sich für Tieferes empfehlen. Neuer oder ter Stegen? 33 Jahre gegen 27 Jahre.

Und was machen die Borussen?

12.000 bei der Dortmunder FfF-Demo, oder mal ehrlich: so viele wie gegen Kohle bekommst du hier für Kohle nicht mehr auf die Beine.

Fragen: Lisa Winter, Carolina Schwarz

Friedrich Küppersbusch ist Journalist, Fernsehproduzent und musste immer wegen seiner Brille ins Tor.

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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