CDU-Vorsitz, Lucke und der Brexit: Konsumkater und Kerosinsteuer

Silvia Breher soll die neue Ursula von der Leyen werden. AfD-Mitgründer Bernd Lucke geht zurück an die Uni und Boris Johnson tritt alleine aus.

Silvia Breher trägt ein sehr buntes Oberteil

Im Kreis der Machtmöbel: CDU-Politikerin Silvia Breher Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Johnson verschickt einander widersprechende Briefe an die EU.

Und was wird besser in dieser?

Johnson tritt schon mal alleine aus.

Silvia Breher soll auf Ursula von der Leyen folgen und stellvertretende CDU-Vorsitzende werden. Welche externen Berater empfehlen Sie ihr?

Schleppen Sie mal Ihren Partner zum Paartherapeuten und bilanzieren Sie dann, wie es wirkt, externe Berater einzuschalten. Von der Leyen hat Bundeswehr, Ministerium und Öffentlichkeit signalisiert, dass der militärisch-industrielle Komplex in sich unheilbar scheint – das haben wir immer schon befürchtet. Was wünschten wir uns etwa von einer grünen Verteidigungsministerin? Dass sie den Laden auf links dreht, eben.

Von der Leyen mag das teuer und schlecht gemacht haben – ich hab aber trotzdem mehr Lust, sie für ihre kriegerische Politik zu kritisieren. Nun Breher: Neben den Vizes Bouffier, Laschet, Strobl und Klöckner wirkt die Annie Lennox aus dem Oldenburger Münsterland wie eine externe Beraterin im Kreis der Machtmöbel. Möge sie keine Ahnung haben und ordentlich unverbildet dazwischengrätschen. Die Union lässt sich von der Implosion aus Ibbenbüren, Neuministerin Karliczek, nicht abschrecken und testet weiter.

AfD-Mitgründer Bernd Lucke ist an die Uni Hamburg zurückgekehrt, mehrere Studierende haben seine erste Vorlesung verhindert. Soll man Lucke lehren lassen?

Lucke nennt die heutige AfD das „Übelste an Stimmungsmachern am rechten Rand“, fordert ihre Prüfung durch den Verfassungsschutz. Das aktuelle Führungspersonal habe „einfach erschreckend wenig Ahnung“ und „bizarre Ansichten“. Gerade will man den peniblen Prof ob solcher Statements als possierlichen Mr. Bean der Politik auf den Schoß nehmen, da geht’s schon wieder los: „Es knirscht im Gebälk unseres Staates“, er stehe gegen „Willkommenskultur“, für den „Grexit“ und auf Dauer: Euro? Nun ja, muss nicht.

Der Mann scheint sich seiner ganzen Franzvonpapenhaftigkeit nicht bewusst, sondern stilisiert sich wieder als Opfer. Die Uni wäre gut beraten, Lucke für eine Veranstaltung zum Thema „politische Verantwortung“ zu gewinnen, ein besserer Kronzeuge fände sich kaum. Das gibt dann erst recht Tumult, sortiert jedoch die Themen gerecht: Als Ökonom soll er seine Marktesoterik vortragen dürfen; als politischer Täter Rechtfertigung bieten. Ihn als „Nazischwein“ aus der Uni zu brüllen ist Selbstadel für Leute ohne Argumente, also voll AfD-kompatibel.

Laut der neuen Shell-Jugendstudie sollen Jugendliche vermehrt empfänglich für populistische Parolen sein. Was kommt da auf uns zu?

Konsumkater. Man erlebt Politik nicht mehr als Gemeinwohl, sondern als Deal: Bei Rewe oder Zalando zahle ich X und bekomme X. Im Bezirksrat will ich einen Kindergarten, bekomme eine halbe Umgehungsstraße und drei Spielplatzrutschen repariert. Das eine ist Demokratie, zäh, langweilig, unbefriedigend; das andere konsumistischer Rigorismus. Darin ähneln sich die Jünger der selbst gehäkelten Besserwisserei und manche Fridays-for-Future-Sektierer. Durchaus nicht nur junge Menschen sehen den Staat als echt schräges Kaufhaus.

Das Fehlverhalten des Verkehrsministers Andreas Scheuer bei der geplatzten Pkw-Maut soll nun von einem Untersuchungsausschuss aufgeklärt werden. Bescheuert gelaufen für ihn, oder?

Das Verkehrsministerium ist seit vier Chefs ein Raub Bayerns: Ramsauer, Dobrindt, Schmidt, Scheuer. Mit der Abgasaffäre, den maroden Straßen, der Entbahnungspolitik, der Maut, der „Ausländermaut“, ohne Kerosinsteuer und ohne CO2-Abgabe – haben die richtig Glück, dass nur ein Puzzlestein untersucht wird.

Der Literaturnobelpreisträger Peter Handke brach nach kritischen Nachfragen empört ein Pressegespräch ab. Er sagte: „Ich komme von Tolstoi, ich komme von Homer, ich komme von Cervantes.“ Ist das berechtigt oder Erbschleicherei?

Olga Tokarczuk. Die Literatur-Nobelpreisträgerin. Schon gehört? Nachdem ein deutscher Kollege den Abverkauf seiner Bücher („Beim Häuten der Zwiebel“) mit dem späten Geständnis seiner SS-Zugehörigkeit würzte, können wir bei Handke auch mal dezent zuhören. Suhrkamp hat jede Menge Handke lieferbar, bei Tokarczuk waren Kleinverlage mit Bekanntgabe des Preises peng ausverkauft.

Und was machen die Borussen?

Nichts. An einem Tag, an dem Schalke mit Auswärtssieg Tabellenführer werden kann, machst du nichts.

Fragen: Simon Sales Prado

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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