Nach gescheiterter Bankenfusion: Plädoyer für eine Großbank

Eine so vom Export abhängige Volkswirtschaft wie Deutschland braucht eine eigene Großbank. Vielleicht eine europäisch aufgestellte Commerzbank?

Der Mond scheint über erleuchteten Hochhäusern

Über Frankfurt geht nicht nur der Mond unter: Brauchen wir einen neuen Stern am Bankenhimmel? Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

Aus. Vorbei. Die Fusionsgespräche zwischen Commerzbank und Deutscher Bank sind gescheitert. Und irgendwie scheinen alle Beteiligten erleichtert zu sein – geradezu froh.

Die Gewerkschaften, die für den Fall der Zusammenlegung der beiden größten deutschen Banken Zehntausende Arbeitsplätze gefährdet sahen. Die Vorstände und Aufsichtsräte beider Banken, denen bei einer so großen Fusion dann doch etwas mulmig wurde; sie sahen auch nicht wirklich viele Synergieeffekte. Und Bankanalysten, die bereits befürchteten, die Deutsche Bank mit ihren horrenden Lasten würde die etwas gesündere Commerzbank mit sich in den Abgrund ziehen. Und dann gibt es noch die Investoren, die wiederum Angst hatten, noch mehr Milliarden zuschießen zu müssen, um einen Zusammenbruch beider Institute und damit einen Totalverlust ihrer Gelder zu verhindern. Selbst Finanzminister Olaf Scholz (SPD), der die Fusionsgespräche überhaupt angeleiert hatte, scheint nicht unglücklich zu sein über das Scheitern der Verhandlungen. Er musste für sein Vorstoß sehr viel Kritik einstecken. Zu primitiv gedacht fanden viele seine Idee, aus zwei Schwachen könne eine Starke entstehen.

Nur: Gelöst ist das Problem mit beiden Banken noch lange nicht. Beide verdienen nicht genug, und sie werden sich auf dem ohnehin stark umkämpften heimischen Markt mit den Volksbanken und Sparkassen weiterhin Konkurrenz machen.

Der Commerzbank ist zudem nicht garantiert, ob ihr zuletzt erwirtschafteter Puffer ausreicht, um ohne weitere staatliche Hilfe den nächsten Zusammenbruch auf den Finanzmärkten zu überstehen. Die Bundesregierung, die zu 15 Prozent an ihr beteiligt ist, will ihre Anteile möglichst rasch loswerden und sucht dringend neue Investoren.

Der Mittelstand leidet

Noch viel schlimmer steht es um die Deutsche Bank: Auf rund 15 Milliarden Euro ist ihr Börsenwert zuletzt gefallen – weniger, als die US-Konkurrenz J. P. Morgan in einem Jahr verdient. Dabei sah sich die Deutsche Bank vor zehn Jahren noch in einer Liga mit den globalen Spitzenplayern. Nun will sie nicht einmal mehr jemand übernehmen.

Was für die deutsche Wirtschaft aber noch viel schwerer wiegt: Ausgerechnet die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt, in der fast jeder vierte Arbeitsplatz vom Export abhängt, steht ohne eine international aufgestellte Großbank da. Darunter leiden nicht so sehr große Unternehmen – Siemens, Daimler oder Volkswagen können für ihre Geschäfte im Ausland meist ihre eigenen Finanzdienstleister beauftragen und haben oft im jeweiligen Land ohnehin schon viel Kapital angehäuft, auf das sie bei neuen Investitionen zurückgreifen können. Die Leidtragenden sind Unter­nehmen im deutschen Mittelstand.

Anders als bei der Deutschen Bank gibt es für die Commerzbank Interessenten, die nicht nur an einer Zerschlagung interessiert sind, sondern an die Marke glauben

Sie stellen Atemluftkompressoren her, Schuhleisten, Speziallacke, Warnsignale für die Schifffahrt oder Walzwerkanlagen – viele von ihnen kommen aus der deutschen Provinz, sind Unternehmen, deren Namen kaum jemand kennt. Dennoch sind sie in den letzten Jahren zu sogenannten Hidden Champions aufgestiegen, die große Umsätze einfahren. Je nach Erhebung gibt es inzwischen Tausende dieser Weltmarktführer aus Deutschland. Sie und viele andere mittelständische deutsche Unternehmen machen ihren Hauptabsatz längst im Ausland. In China etwa, dem außerhalb der EU inzwischen größten und wichtigsten Handelspartner Deutschlands, sind Maschinen und Spezialteile aus Deutschland angesagter als solche aus jedem anderen Land.

Bei der Aufnahme von Krediten, aber auch jede andere Finanzdienstleistung, etwa die Rückführung von Gewinnen nach Deutschland, sind viele dieser Unternehmen auf ausländische Banken angewiesen. Wie zum Beispiel die in Asien breit aufgestellte britische Großbank HSBC. Und im Fall von China gibt es für die deutschen Unternehmen ein weiteres Problem: Sie müssen ihre Kredite und Geldflüsse über eine der chinesischen Banken abwickeln, von denen einige inzwischen zu den größten der Welt gehören. Auch in anderen Ländern wiederum müssen deutsche Unternehmen oft die Leistungen amerikanischer Banken in Anspruch nehmen, weil die Sparkasse oder Raiffeisenbank aus dem schwäbischen Heimatkreis eben keine Filiale in Bogotà oder in Kuala Lumpur betreibt. Damit verdienen zum einen die Banken anderer Länder an deutschen Geldgeschäften kräftig mit. Außerdem haben sich weite Teile der deutschen Exportindustrie damit von ausländischen Finanzdienstleistern abhängig gemacht.

Die Deutsche Bank ist am Ende

Das schien so lange kein Problem zu sein, wie deutsche Unternehmer fest davon ausgingen, die Welt würde sich global noch stärker vernetzen und die Märkte würden sich noch weiter öffnen. Alle würden friedlich miteinander Handel betreiben, nationale Kategorien würden keine Rolle mehr spielen. Doch genau so tickt die Welt in Zeiten von Trump, Brexit und Chinas aggressiver Technologieoffensive „Made in China 2025“ nicht mehr. Die US-Banken wurden in der jüngeren Vergangenheit von der Regierung politisch instrumentalisiert. Diese hat den Banken mit Strafen gedroht, sollten sie Firmen finanzieren, die weiter Geschäfte mit dem Iran betreiben.

In China sind der Einfluss der kommunistischen Führung und die damit einhergehende Kon­trolle der eigenen Banken sogar noch krasser. Je nach politischer Stimmung und Marktlage werden bereits zugesagte Kredite chinesischer Banken an ausländische Unternehmen eingefroren. Für eine vom Export so abhängige Nation wie Deutschland ist eine international aufgestellte Bank, der Unternehmen für ihre Geldgeschäfte im Ausland vertrauen können, so wichtig wie der internationale Flughafen in Frankfurt oder die Häfen in Hamburg und Duisburg.

Die Deutsche Bank wird diesen Ansprüchen ganz sicher nicht mehr gerecht. Zu groß sind die Altlasten, zu sehr hat sie durch Missmanagement das Vertrauen der Anleger und Kunden verspielt – zumal sich die Topmanager trotz ihrer systemischen Krise zuletzt weiter fette Boni auszahlen ließen. Die Deutsche Bank ist finanziell und moralisch am Ende.

Ein europäischer Banken-Champion?

Zumindest etwas besser sieht es mit der Commerzbank aus. Sie hat in den letzten Jahren wieder stärker auf Mittelstandsgeschäfte gesetzt, verdient nur aufgrund der derzeit geringen Margen eben nicht genug Geld. Und anders als bei der Deutschen Bank gibt es für die Commerzbank Interessenten, die nicht bloß an einer Zerschlagung inte­ressiert sind, sondern noch an die Marke Commerzbank glauben. Die niederländische Großbank ING und die italienische Unicredit sind zwei von mehreren Instituten, die ihr Interesse bekundet haben.

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Das ist eine gute Nachricht. Denn allein wird es auch die Commerzbank nicht schaffen, ein global vertrauenswürdiges Netz aufzubauen. Und eine andere Bank aus Deutschland, die bei der Commerzbank einsteigen könnte, ist nicht in Sicht. Aber der neu entstehende Bankenzusammenschluss wäre auch in Europa nicht dagegen gefeit, politisch instrumentalisiert zu werden. Sollte die Stimmung in Italien oder den Niederlanden so stark kippen, dass auch diese beiden Länder aus der gemeinsamen Währungsunion austreten, stünde Deutschland womöglich wieder ohne global aufgestellte Bank da.

Die Lesart könnte bei einer Fusion der Commerzbank entweder mit der Union Credit oder der ING aber auch folgendermaßen lauten: Ein europäischer Banken-Champion würde entstehen – unter deutscher Beteiligung. Der Finanzplatz Deutschland wäre gerettet. Und EU-politisch gäbe es mal wieder ein länderübergreifendes Vorhaben, das den europäischen Gedanken stärkt. Einen Versuch wäre es wert.

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