Kommentar US-Luftschlag in Syrien: Naives Mittel der Disziplinierung
Endlich, sagen jetzt manche, weist jemand Assad in die Schranken. Das greift zu kurz. Der US-Angriff in Syrien ist nicht mehr als ein riskantes Signal.
Z weifelsohne ist der US-Raketenangriff auf die syrische Luftwaffenbasis Al-Schairat, von der aus nach Aussage des US-Präsidenten Donald Trump am Dienstag ein Giftgasangriff auf die Stadt Chan Scheichun in der Provinz Idlib geflogen worden sein soll, eine Etappenwende. Nie zuvor seit Beginn des syrischen Krieges hatten die USA auf diese Weise direkt Einrichtungen der syrischen Regierung attackiert.
Für all jene, die es 2013 einen Skandal fanden, dass der damalige Präsident Barack Obama trotz der von ihm selbst gezogenen „roten Linie“, also trotz des Einsatzes von Giftgas, nicht zu einem militärischen Eingreifen bereit war, mag das eine Genugtuung sein. Endlich, werden sie sagen, weist jemand den Diktator Bashar al-Assad in die Schranken.
Aber das ist zu einfach gedacht, und vor allem zu kurz. Und zwar nicht nur, weil es bislang zwar viele Indizien, aber keine handfesten Beweise dafür gibt, dass es tatsächlich die syrische Regierung war, die da Giftgas eingesetzt hat. Sondern auch, weil der US-Militäreinsatz nicht mit einer auch nur wenigstens mittelfristigen Strategie einhergeht. Die hatte schon Barack Obama nicht, Trump hat sie erst recht nicht.
Das Lamentieren darüber, dass die Welt den Syrien-Konflikt so lange hat eskalieren lassen, bis eine solche Strategie selbst theoretisch kaum noch zu erfinden ist, hilft an der Stelle nicht weiter. Denn „die Welt“, die da nur zugeschaut habe, gibt es nicht. In Syrien sind mit Russland, der Türkei, den Golfstaaten, dem Iran und einigen europäischen Ländern bereits mehr Konfliktparteien mit eigenen Interessen involviert, als es für eine Lösungsstrategie gesund sein kann. Politisch, moralisch und humanitär ist das russisch-chinesisch-iranische Festhalten an Assad genauso wenig zu rechtfertigen wie jedwede Unterstützung für die verschiedenen dschihadistischen Gruppierungen, die inzwischen den Großteil der bewaffneten Rebellen ausmachen. Beide haben keine Zukunftsvision für Syrien, die guten Gewissens unterstützt werden könnte.
USA-Angriff war völkerrechtswidrig
Einzig der UN-Sicherheitsrat hätte, wären die Veto-Mächte sich einig, die Kraft, im Sinne einer strikt humanitären Zielvorgabe zu agieren. Sind sie aber nicht.
Der ohne UN-Mandat erfolgte Angriff der USA auf syrische Militäreinrichtungen ist völkerrechtswidrig. Nun wäre der Verstoß gegen ein Völkerrecht, das immer dann Diktaturen schützt, wenn mindestens eine der Vetomächte im Sicherheitsrat hinter ihnen steht, womöglich noch moralphilosophisch zu rechtfertigen – wenn denn im Ergebnis eines solchen Verstoßes weiteres menschliches Leid verhindert werden würde. Das aber ist überhaupt nicht erkennbar. Trumps Erklärung, er wolle mit dem Angriff auf Assads Verhalten einwirken, ihn quasi durch den Einsatz militärischer Mittel disziplinieren, ist gegenüber einem Diktator mit jahrzehntelanger Erfahrung mit Unterdrückung und Mord bestenfalls als naiv zu bezeichnen.
An Trumps Grundhaltung, nicht aktiv auf einen Sturz Assads hinzuarbeiten, hat sich nichts geändert. Das tut insbesondere jenen syrischen Oppositionellen weh, die 2011 mit Demonstrationen begonnen haben, dann erleben mussten, wie der Konflikt von Seiten des Regimes zum Krieg eskaliert wurde, und die sich immer noch nicht vorstellen können und wollen, dass am Ende Assad an der Spitze Syriens bleibt.
Aber der Westen, allen voran die USA, hat zuletzt im Irak, in Afghanistan und in Libyen erkennen müssen, dass bewaffnetes Nation Building nach dem gewaltsamen Sturz diktatorischer Regime nicht funktioniert. Der friedliche und demokratische Wiederaufbau des besiegten Deutschlands nach der Niederlage des Nazi-Regimes und der militärischen Besetzung Deutschlands ist in der Geschichte eher einmalig geblieben, denn ein beliebig wiederholbarer Präzedenzfall geworden. Niemand, auch die USA nicht, wäre im übrigen dazu bereit, auf lange Frist mit einer starken Militärpräsenz am Boden in feindlicher Umgebung eine zunächst friedenserzwingende, dann friedenserhaltende Mission anzuführen. Und auch die könnte nur Erfolg haben, wenn die externen Konfliktparteien sich auf ein gemeinsames Vorgehen einigen könnten.
Donald Trump, der zwar noch 2013 getwittert hatte, Obama möge sich bloß aus Syrien heraushalten, um ihm dann jetzt rückwirkend Schwäche und Inaktivität im syrischen Konflikt vorzuwerfen, hat viele Gründe, gerade jetzt Stärke zeigen zu wollen, die meisten davon innenpolitisch. Und etwas anderes ist der US-Raktenangriff zunächst nicht: Ein Symbol. Ein drastisches und riskantes Signal, militärisch unbedeutend, und politisch nur dann bedeutsam, wenn damit eine diplomatische Offensive einherginge. Dass die aber ausgerechnet Trump und sein unerfahrenes Kabinett bewerkstelligen sollte, ist kaum vorstellbar.
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