piwik no script img

taz FUTURZWEI

taz FUTURZWEI-Analyse AfD gegen Union Weidel greift an

Wenn der Eindruck nicht täuscht, dann irrt die Regierung Merz zunächst einmal nur Effekt haschend herum. Die AfD ist derweil im Angriffsmodus. Eine Analyse.

Zynischer Ausblick: Die rechtsextreme Weidel wartet nur darauf, Merz und Klingbeil zu düpieren Foto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

taz FUTURZWEI | Die Ukraine wird den Taurus von Friedrich Merz als Kanzler nicht bekommen, den Merz als Chef der Opposition immer hatte. Die zögerliche militärische Unterstützung der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Putins Russland wird von der neuen Bundesregierung fortgesetzt.

Die Bundeswehr soll derweil die „konventionell stärkste Armee in Europa werden“. So sagte er es in der ZDF-Gesprächsendung „Maybrit Illner“. Die anderen EU-Staaten werden mit dieser Ansage des neuen Kanzlers unweigerlich an den deutschen Militarismus, seine Mordarmeen, an die alte Angst vor deutscher Überwältigung erinnert.

Die neue taz FUTURZWEI

taz FUTURZWEI, das Magazin für Zukunft – Ausgabe N°32: Wozu Kinder?

Kinder und Jugendliche sind die politisch ignorierteste Randgruppe der Gesellschaft. Dabei muss diese Minigruppe demnächst die vielen Renten bezahlen und den ganzen Laden am Laufen halten. Was muss sich ändern?

Mit Aladin El-Mafaalani, Marlene Engelhorn, Arno Frank, Ruth Fuentes, Maja Göpel, Robert Habeck, Celine Keller, Wolf Lotter, Lily Mauch, Luisa Neubauer, Henrike von Scheliha, Stephan Wackwitz und Harald Welzer.

Jetzt im taz Shop bestellen

Wird der Gründungsgedanke aufgegeben, mit der EU ein dauerhaftes Instrument der Sicherung des Friedens in Europa zu schaffen? Auf das Angebot des französischen Präsidenten Macron eines gemeinsamen europäischen, nuklearen Abwehrschirms ist Merz nicht eingegangen.

Auch das Zusammenführen aller nationalen Armeen zu einer gemeinsam geführten „Europäischen Armee“ kam nicht vor. Die akute russische Bedrohung wird von Merz offensichtlich nicht als Chance zur Vertiefung der Europäischer Souveränität gesehen.

Chaospolitiken der neuen Regierung

Der neue Außenminister Johann Wadephul (CDU) erklärt im Kreis der Nato-Außenminister, Deutschland werde auf die Forderung Trumps eingehen, 5 Prozent des deutschen BIP für die Verteidigung auszugeben - das wären circa 200 Milliarden Euro pro Jahr, bisher sind das circa 70 Milliarden.

Absprachen mit den Nato-Partnern, wie diese Mittel die gemeinsame Verteidigung stärken könnten - oder wenigstens mit der SPD - sind nicht bekannt. Der Hauruck-Versuch von Innenminister Dobrindt (CSU), das Asylrecht auszuhebeln, hat sich als europarechtlich nicht umsetzbare und von den Nachbarn abgelehnte Luftnummer erwiesen.

Die Ankündigung von Merz, das EU-Lieferkettengesetz in Brüssel kippen zu wollen, ist von den meisten EU-Ländern zurückgewiesen worden.

Sozialverantwortliche Standards in den Fabriken des Weltsüdens durchzusetzen, stören Merz beim Wiederankurbeln der Konjunktur. Arbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) hat mal eben die Überführung der Beamtenpensionen in das Rentensystem verlangt.

Eine alte Idee, die die demographisch bedingte Schieflage des Rentensystems nicht beheben kann. Warum Bas der im Koalitionsvertrag vereinbarten Rentenkommission vorgreift, die in zwei Jahren grundsätzliche Vorschläge zu einer großen Rentenform vorlegen soll, ist nicht nachvollziehbar.

Bild: privat
Udo Knapp

Udo Knapp ist Politologe und kommentiert an dieser Stelle regelmäßig das politische Geschehen für unser Magazin taz FUTURZWEI.

Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) musste bei der Vorstellung der Steuerschätzung für 2026 und die folgenden Jahre einräumen, dass im ersten Jahr schon jetzt 32 Milliarden Euro fehlen werden. Wie die angekündigten Steuerentlastungen für die Unternehmer durch Kürzungen anderswo umgesetzt werden sollen, sagt er nicht. Braucht er auch nicht, er hat ja die beschlossenen Sondervermögen als sichere Rücklagen.

Die von ihm geplante Abschaffung der Schuldenbremse würde ihm fürs Geldausgaben - für was auch immer - weitere Luft verschaffen. Eine für die heute Jungen, verantwortliche sozialdemokratische Finanzpolitik ist das aber nicht.

Der neue SPD-Fraktionsvorsitzende Miersch will derweil die Regierungsarbeit mit seiner Fraktion konstruktiv und kritisch begleiten. Ein Bekenntnis zu einem Regierungsprojekt, für das gemeinsam gekämpft wird, würde anders klingen.

Wohlstand für alle oder Effekthascherei?

„Wohlstand für alle“ soll es geben, hat Kanzler Merz versprochen (Eine Frage: Verarmen wir etwa alle?). Aber dafür sollen sich bitteschön alle mehr anstrengen, länger arbeiten, mit einigen gestrichenen Feiertagen wäre das als gemeinsame Anstrengung doch hin zu bekommen, so der Tenor.

„Ein konzises Regierungsprogramm, eine stabile, klar geführte Bundesregierung gibt es bisher nicht.“

Wenn der Eindruck nicht täuscht, dann irrt die Regierung Merz zunächst einmal nur Effekt haschend herum. Ein konzises Regierungsprogramm, eine stabile, klar geführte Bundesregierung gibt es bisher nicht.

Merz gegenüber saß bei seiner Regierungserklärung der große „Blaue Block“ der AfD. 152 Abgeordnete - die brutale Machtdemonstration der großen Zahl. Das feindliche Gegenüber der AfD zur CDU, ihr strategisches Ziel, die CDU zu zerstören und selbst die dominante Kraft auf der konservativen Seite der Republik zu werden, das wird diese Legislatur bestimmen.

Auf der einen Seite steht der Versuch, eigene, regierungsfähige Mehrheiten für die AfD zu gewinnen, auf der andere das Mäandern zwischen Demokratiebeschwörung und gleichzeitigem sich Anverwandeln von AfD-Positionen durch die CDU.

Die fehlende gestalterische Kraft der Fraktionen

Die SPD läuft Gefahr, in diesem Duell nur als Dauerstörer beim Durchregieren der CDU wahrgenommen zu werden. Sie wird auf diesem Weg sehr wahrscheinlich weiter an Zustimmung verlieren. Die Linkspartei sieht sich als Systemopposition im erneuerten antikapitalistischen Kampf.

„Welches politische Ziel die Grünen sich für diese Legislaturperiode gesetzt haben, ist noch nicht erkennbar.“

Sie wird damit zwar Zustimmung unter Jungen gewinnen, aber jede Chance verspielen, zu gestalten. Welches politische Ziel die Grünen sich für diese Legislaturperiode gesetzt haben, ist noch nicht erkennbar.

Robert Habeck sitzt immer noch schmollend auf den Hinterbänken im Bundestag. Annalena Baerbock hat sich weitab von den Grünen und deren offener Zukunft bei der UN selbstversorgt.

Angriff von Weidel

Schon mit ihrer ersten Rede als Oppositionsführerin hat Alice Weidel den Kampf mit der CDU und ihrem Kanzler um die politische Hegemonie eröffnet. Merz sei nur ein „Kanzler der zweiten Wahl“, sagte sie. „Sie haben ihre Wahlversprechen mit Hilfe der Grünen und der SPD abgeräumt“.

Eine Bereitschaft zu einer konservativen Wende zeige Merz nicht. „Sie halten am Bürgergeld, dem Migrantengeld, weiter fest, während das Morden, Messern und Vergewaltigen jeden Tag weitergehen. Aber die Grenzen bleiben dennoch weiter weit offen. Eine klare Sprache gegenüber der EU in dieser Frage finden sie nicht“, sagte sie.

Anstatt wieder billiges russisches Gas einzukaufen und die Atomenergie wieder anzuschalten, würde die Energie- und Wärmewende-Politik von SPD und Grünen weiterverfolgt, das Aus für den Verbrenner nicht aufgehoben. Wenn der rauschende Beifall der AfD-Fraktion den Bundestag immer wieder ausfüllt, dann wird bedrückend klar: Die Republik steht an einem Bruchpunkt zwischen demokratischer und autoritärer Herrschaft.

Jenseits des Machtkampfes zwischen CDU und AfD, dessen Ausgang offen ist, ist nicht erkennbar, wie und ob der Rest der Parteien eine eigene Alternative in diesem Machtkampf aufrichten wird, der sich die CDU nicht verweigern kann.

Ein gemeinsamer AfD-Verbotsantrag von SPD, Grünen und Linkspartei wäre ein Projekt, dem sich die CDU nur mit Schaden für sich selbst verweigern könnte. Aber damit ist vorerst nicht zu rechnen.

■ Lesen Sie weiter: Die aktuelle Ausgabe unseres Magazins taz FUTURZWEI N°32 mit dem Titelthema „Wozu Kinder“ gibt es jetzt im taz Shop.