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Zweiter Nationalpark in NRWHöxter stimmt dagegen

Auf dem Gebiet von Höxter wird das Waldgebiet Egge nicht streng geschützt werden. Im Nachbarkreis Paderborn steht die Entscheidung noch aus.

Nach Abstimmung im Kreis Höxter: Dieser Wald im Eggegebirge in NRW wird kein Nationalpark Foto: ecomedia/imago

Berlin taz | Einen Nationalpark wird es im Kreis Höxter in Nordrhein-Westfalen erstmal nicht geben. In einem Bürgerentscheid hat sich die Mehrheit der Kreis­be­woh­ne­r:in­nen dagegen entschieden, die landeseigenen Waldflächen im Kreisgebiet in einen möglichen „Nationalpark Egge“ einzubringen. „Eine Mehrheit von 66,3 Prozent der Bürgerinnen und Bürger, die einen gültigen Stimmzettel abgegeben haben, hat mit Nein gestimmt“.

Ostwestfalen könnte trotzdem noch Standort eines zweiten Nationalpark in NRW werden: Das Ergebnis des Bürgerentscheids im benachbarten Kreis Paderborn steht noch aus und wird für Dienstag erwartet. In Paderborn liegen die größeren Flächen in dem Waldgebiet Egge, das durch Moore und wertvolle Geröllflächen mit Höhlen durchzogen ist. Dort leben seltene Tiere wie Schwarzspecht, Schwarzstorch, Salamander und verschiedene Fledermausarten.

„Natürlich ist das Ergebnis enttäuschend“, sagt Martina Denkner, Abgeordnete für die Grünen im Kreis Höxter, „aber die Sache war es trotzdem wert.“ Es sei befruchtend gewesen, mit aufgeschlossenen Leute zu reden, die die Chance eines Nationalparks für die Region erkannt hätten, so Denkner.

„Der Souverän hat entschieden. Das Mehrheitsvotum ist für uns alle bindend“, sagte CDU-Landrat Michael Stickeln. „Die hohe Beteiligung von 58,6 Prozent bei uns im Kreis Höxter setzt ein starkes Zeichen für die Demokratie. Dies zeigt, wie wichtig es den Bürgerinnen und Bürgern bei uns im Kreis Höxter war, mit ihrer Stimme Einfluss zu nehmen“, so Stickeln.

Auf der Suche nach einem Nationalpark

Damit habe der Bürgerentscheid den bereits bestehenden Kreistagsbeschluss bestätigt. Mehrheitlich hatte der Kreistag am 18. Oktober 2023 eine Bewerbung des Kreises Höxter für einen Nationalpark abgelehnt. Stickeln werde den zuständigen Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, Oliver Krischer (Grüne), über das Ergebnis des Bürgerentscheids informieren.

Die schwarz-grüne Landesregierung von NRW hatte in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, dass sie nach dem Nationalpark Eifel einen zweiten Nationalpark in dem Bundesland einrichten wollte. Die infrage kommenden Gebiete – etwa im waldreichen Siegerland-Wittgenstein und im Sauerland, hatten allerdings gleich abgewunken.

Sollte auch der Bürgerentscheid im Kreis Paderborn negativ ausfallen, bleibt nur noch der Klever Reichswald am Niederrhein im Rennen; das Waldgebiet ist überwiegend mit einem Buchenmischwald bewachsen und ist der größte zusammenhängende öffentliche Staatsforst in NRW. Insgesamt wird der Reichswald mit seinen etwas mehr als 5000 Hektar von Fachleuten allerdings als zu klein für ein Nationalparksgebiet betrachtet.

Die Bundesrepublik hatte sich auf dem Weltnaturschutzgipfel in Montreal verpflichtet, bis 2030 rund 30 Prozent seiner Land- und Wasserflächen unter einen effektiven Naturschutz zu stellen. Bislang haben sich „in Sachen mehr Schutzgebiete oder strengerer Schutz bestehender Gebiete“ allerdings wenig getan, sagt Axel Paulsch vom Institut für Biodiversität (ibn). „Es tut sich wenig, auch die Reduzierung biodiversitätsschädigender Subventionen geht nicht voran“, so Paulsch.

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12 Kommentare

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  • Dieses "wir brauchen jetz nen zweiten Nationalpark, genau EINEN zweiten, egalwoimland, weils halt so sympathisch und plakativ im Koalitionsvertrag steht - das is nich so ganz die an der Sache orientierte Politik am Ort, von unten, mit Kenntnis der Lage im Klein-Klein. Klar musses irgendein leer(er)es Gebiet sein, da stünden aber so einige zur Auswahl in NRW. Und inmitten eines halben Dutzends Dreiländerecke und geografisch-naturräumlich vollkommen erratischer Landesgrenzen ergibt das mit IN NRW auch nicht wirklich irgendeinen Sinn. Nicht für die Bewohner (jeglicher spezies, einschl. H. sapiens), nicht für deren Auskommen i.e. Ökonomie-Ökologie, nur irgendwie in irgendwelchen Papers im fernen D-Dorf. Mussnich. Bundeslandesweit den EU-Rollback beim Naturscutz in der Landwirtschaft abfedern: hätte mehr Wirkung. Für alle.

  • Der FDP-Landtagsabgeordnete Marc Lürbke aus Paderborn äußerte sich erfreut über das Ergebnis. «Das ist ein guter Tag für Ostwestfalen-Lippe, für unsere Forst- und Landwirtschaft und für den Naturschutz», erklärte er in einer Mitteilung.

    Eine typische FDP-Aussage, die den Natur- und Artenschutz als lästiges Investitionshindernis sieht.

    Positionen wie die von Lürbke (FDP) sind in einer Zeit des sechsten Massenaussterbens auf der Erde ein fatales Signal.

    Höxter ist tief konservativ. Alte Rezepte passen aber nich zu neuen Herausforderungen.

    Klaus Töpfer hätte anders entschieden.

  • Artenvielfald und wirtschaftliche Nutzung des Waldes sind aus Sicht der Menschen vor Ort kein Widerspruch. In der Vergangenheit ist dies gerade in der Egge sehr positiv gezeigt worden. Aus der Sicht vieler Menschen in HX und PB besteht daher keine Notwendigkeit für die Schaffung eines Nationalparks. Man möchte die Natur nutzen und gleichzeitig bewahren. Eine Natioalpark wird vor Ort vielfach als Ausgrenzung des Menschen aus der heimischen Natur verstanden. Sie können die Uhr danach stellen, dass man sich in PB genauso wie in HX entscheiden wird

    • @Nachtsonne:

      "Artenvielfald und wirtschaftliche Nutzung des Waldes sind aus Sicht der Menschen vor Ort kein Widerspruch."

      Das sagen Sie. Ich kenne Menschen, für die ist auch ein Maisacker Natur.

      Es geht aber um den Erhalt der biologischen Vielfalt und um diese zu erhalten, benötigt es auch zusammenhängende Flächen, in denen keine Nutzung stattfindet.

      Natur- und Artenschutz ist nicht trivial. Die Wissenschaft beschreibt dieses sehr ausführlich.

      Und dass sich die Menschen in PB genauso wie in HX entscheiden werden, würde ich auch annehmen. Bürger mit einem liberal- konservativen Weltbild entscheiden sich in der Regel immer für die persönliche Freiheit und die beste Rendite und gegen den Natur- und Artenschutz.

      Genau diese tiefwurzelnde Logik ist ja auch ein Grund für das globale Massenaussterben.

    • @Nachtsonne:

      Aber Artenschutz funktioniert nur, wenn man Arten schützt; um um beurteilen zu können, was am besten für die Entwicklung der Biodiversität ist, muss man ein sehr tiefgreifendes Verständnis ökologischer Prozesse mitbringen. Da gibt es auf jeden Fall gigantische Unterschiede zwischen bewirtschafteten und unbewirtschaften Wäldern.

  • "Es sei befruchtend gewesen, mit aufgeschlossenen Leute zu reden, die die Chance eines Nationalparks für die Region erkannt hätten, so Denkner."



    Klingt ein bisschen wie "doofes Wahlvolk, hat es nicht erkannt".



    Ich finde es schade, dass die Abstimmung so ausging, es wäre ein Schritt in die richtige Richtung gewesen.

  • Wer die verlogene CDU Plakat Kampagne im Eggegebiet erlebt wundert sich nicht.



    Z.B Frau mit Reithelm umarmt Pferdekopf unter "nehmt uns nicht die letzte Freiheit". Die meisten Transparente stehen bei den Bauern, Kröhnung: "Nein zu grüner Verbotspolitik"



    Dem Wahlzettel selbst lag noch die Info bei CDU, FDP und AFD seien dagegen. Linnemanns Paderborner Land CDU Hochburg parallel zur EU Wahl mit dem Motto "JA ZUR NATUR, aber NEIN zum Nationalpark".



    Linnemann stand nicht umsonst in der TOP 20 TAZ Klimagegner Liste.



    Schon mal ein Vorgeschmack auf kommende CDU AFD Politik.

  • Dass das Volk entscheidet bedeutet, dass das Volk entscheidet. Da geht es primär um eigene Interessen, die scheinen hier bei der Entwicklung zu liegen.

  • Das habe ich befürchtet - dabei brauchen wir dringend streng geschützte Flächen. Hoffentlich fällt das in Paderborn anders aus.

    • @Axel Donning:

      Schaut man sich die Ergebnisse der Europawahl in beiden Kreisen (Höxter und Paderborn) an, dann ist davon auszugehen, dass der Kreis Paderborn sich ebenfalls gegen einen Nationalpark entscheidet.

  • Leider kennt die hiesige Nationalpark-Lobby nur ein Entweder-Oder. Dass der unverzichtbare Bedarf am Rohstoff Holz umso mehr aus fernen Ländern importiert wird, je weniger heimische Wälder dafür zur Verfügung stehen, ist beispielsweise nicht Teil der Bilanzierungen von radikalen Nationalparkbefürwortern. Eine Ausweitung nicht bewirtschaftbarer Forstflächen in Deutschland erzeugt somit zwangsläufig eine Verlagerung von Holzabbau in andere Länder. Ökologisch wie auch ethisch sollte aber genau dieser Effekt unbedingt vermieden werden. Eine nachhaltige Bewirtschaftung von Forstflächen ist nicht nur möglich, sondern wird seit Jahrhunderten von unzähligen privaten Kleinwaldbauern und -bäuerinnen in altruistischer Weise gewährleistet. Waldpflege und Waldarbeit ist nämlich finanziell betrachtet unwirtschaftlich und dient nie dem eigenen Geldbeutel. Sie ist eine der pragmatischsten Formen der Einhaltung eines jahrhundertefortwähremden Generationenvertrages.

  • Im Einfluss der CDU?

    Am 5. Oktober 2023 hat die Mehrheit der Mitglieder des Kreistages des Kreises Höxter beschlossen, dass der Kreis Höxter keinen Antrag beim Land zur Ausweisung eines möglichen Nationalparks Egge auf Flächenanteilen im Kreisgebiet stellen wird.

    In der Folge hatte das Bürgerbündnis „JA! Zu unserem Nationalpark Egge“ ein Bürgerbegehren initiiert und das notwendige Quorum erreicht.

    So ein Ergebnis nach dem Ableben von Klaus Töpfer CDU, ist wie aus der Zeit gefallen, macht traurig, aber lässt nicht resignieren.