Zweierlei Maß im hannöverschen Landtag: Kreuze ja, Kopftuch nein

Niedersachsens große Koalition will Richterinnen das Kopftuch verbieten, dabei wollte es noch keine tragen. Kreuze in Gerichtssälen problematisiert Schwarz-Rot nicht.

Wenn schon ein Verbot religiöser Symbole – dann schon von allen, fordern die Grünen. Foto: Jörg Taron/dpa

HANNOVER taz | Das Zeichen für den Tod und die Auferstehung Jesu Christi hängt im niedersächsischen Vechta noch in zwei Sälen des Amtsgerichts. Die Kreuze sind nicht viel größer als ein DIN-A4-Blatt und doch ein großes Symbol für den christlichen Glauben – in einem staatlichen Gericht.

„Sie sollen ein Symbol für christlich-humanistische und soziale Werte sein wie Toleranz, Gerechtigkeit, Mitmenschlichkeit und Gleichheit“, sagt Mechthild Beckermann, die Direktorin des Amtsgerichts Vechta. Einen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot sieht sie nicht. „Einen religiösen Bezug finden Sie ja auch in der Präambel unseres Grundgesetzes.“ Fühle sich ein Verfahrensbeteiligter von dem Kreuz gestört, könne man den Sitzungssaal wechseln, so Beckermann.

Laut dem niedersächsischen Justizministerium können die Gerichte selbst darüber entscheiden, ob sie solche Symbole über die Richterbank hängen. Wie viele Kreuze es in den Sitzungssälen gebe, dazu habe das Ministerium keine Daten, sagt Sprecherin Marika Tödt.

Dass die Kreuze noch immer in niedersächsischen Gerichten wie in Vechta oder auch Cloppenburg hängen, bekommt gerade eine neue Brisanz. SPD und CDU haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass „wir das Tragen eines Kopftuchs für alle Mitglieder des gerichtlichen Spruchkörpers sowie Staatsanwältinnen inklusive Referendarinnen im Sitzungsdienst untersagen“. Konkret bedeutet das, dass Richterinnen oder Schöffinnen ihre Haare im Gerichtssaal nicht verhüllen dürfen.

Der Grüne Helge Limburg kritisiert diesen Vorstoß. „Es fällt auf, dass der Koalitionsvertrag von SPD und CDU nur ein muslimisches und nur von Frauen getragenes religiöses Symbol verbieten will“, sagt er. Das sei eine doppelte Diskriminierung – und eine Ungleichbehandlung der Religionen. „Wer religiöse Symbole verbieten will, muss dies für alle Religionen gleichermaßen tun“, sagt Limburg.

Die neue Justizministerin Barbara Havliza (CDU) müsse dann auch alle Kreuze aus den Gerichten verbannen. „Die hängen dort nämlich jetzt schon seit Jahren, während eine Kopftuch tragende Richterin bislang nur eine Fantasie der Groko ist.“ Ob die Kreuze verboten werden sollen, will Limburg in der nächsten Landtagssitzung erfragen.

Emine Oguz, die Geschäftsführerin des türkischen Islamverbandes Ditib in Niedersachsen, sieht ebenfalls eine besondere Diskriminierung muslimischer Frauen. „Aufgrund solcher Gesetze wird das Kopftuch abgestempelt“, sagt Oguz. Der Gesetzgeber dürfe gut ausgebildeten Frauen nicht unterstellen, sie seien nicht neutral, nur weil sie eine religiöse Kleidervorschrift beachteten. „Solche Gesetze führen dazu, dass sich die rechte Ecke der Gesellschaft bestätigt fühlt.“

Laut Sprecherin Tödt ist dem Justizministerium bisher kein Fall einer betroffenen Richterin bekannt. „Bisher ist der Wunsch nach Tragen eines Kopftuches lediglich vereinzelt bei Referendarinnen“ der Staatsanwaltschaften aufgetreten, so Tödt.

Die Grünen stören sich noch an einem weiteren Satz im Koalitionsvertrag: „Schariagerichte werden wir nicht dulden.“ Damit bediene die Groko Vorurteile gegen die muslimische Minderheit in Niedersachsen, sagt der Abgeordnete Belit Onay. „Mir sind keinerlei Schariagerichte in Niedersachsen bekannt.“ Zulässig sei eine solche Selbstjustiz ohnehin nicht.

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