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Zentralratspräsident über Antisemitismus„Erkenne dieses Land nicht wieder“

Wie können Jü­d:in­nen nach dem 7. Oktober besser in Deutschland geschützt werden? Ein Gespräch mit Josef Schuster vor der Innenministerkonferenz.

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Foto: Emmanuele Contini/imago
Konrad Litschko
Interview von Konrad Litschko

taz: Herr Schuster, seit dem Hamas-Massaker in Israel vom 7. Oktober reißen auch hierzulande antisemitische Vorfälle und Anti-Israel-Demonstrationen nicht ab. Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang warnt vor Anschlägen. Sie sind Gast auf der nun beginnenden Innenministerkonferenz, die sich damit beschäftigen wird. Welche Botschaft bringen Sie mit?

Josef Schuster: Dass sich die jüdische Gemeinden seit diesem 7. Oktober weiterhin in einer sehr angespannten Lage befinden, in einer Ausnahmesituation. Ich habe zuletzt gesagt und das gilt weiter: Ich erkenne dieses Land zuweilen nicht wieder. Was wir seit dem 7. Oktober auf deutschen Straßen erleben, hätte ich mir nicht mehr vorstellen können. Darauf wurde noch nicht ausreichend reagiert und es müssen weitere Maßnahmen folgen.

Im Interview: Josef Schuster

Der deutsche Arzt ist seit 2014 Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Er ist zudem Vizepräsident des World Jewish Congress und des EuropeanJewish Congress.

Sie waren gerade erst in Israel, besuchten mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Kibbuz Be’eri. Nun ist die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas vorbei, der Militäreinsatz in Gaza geht weiter, Raketen fliegen auf Israel. Wie aussichtslos ist die Lage?

Es war für mich erst mal erschreckend zu sehen, mit welcher wirklich unmenschlichen Grausamkeit in diesem Kibbuz vorgegangen wurde. Die Terroristen hatten dort Feuer gelegt, und den Menschen in den Schutzräumen blieben nur zwei Varianten: Entweder in den Rauchgasen ersticken oder sie fliehen und werden erschossen. Unvorstellbar. Da habe ich vollstes Verständnis, wenn Israel sagt, die Hamas muss vernichtet werden. Ein solcher Terrorakt gegen Israel, mit 1.200 Toten, darf nie wieder passieren.

Ist das von Netanjahu ausgegebene Ziel, die Hamas zu zerstören und alle Geiseln zu retten, tatsächlich möglich?

Ich bin kein Militärstratege und habe nicht die Kenntnisse der israelischen Regierung, aber das kann ich nur inständig hoffen.

Zu welchem Preis kann eine Zerstörung der Hamas gelingen, was die Zivilbevölkerung in Gaza angeht?

Mir tut jeder Zivilist im Gazastreifen leid. Ich muss aber auch sagen, dass die Hamas dort offensichtlich nicht wenige Unterstützer hatte. Und dass die Terroristen die Zivilbevölkerung als Schutzschild in Geiselhaft nehmen. Ich verstehe, dass Israel wirklich alles dafür tun muss, um die eigene Bevölkerung zu schützen.

Und was folgt, wenn die Hamas wirklich besiegt wäre?

Im Moment sind alle Utopien einer friedlichen Lösung von der Hamas zerstört. In Teilen der israelischen Bevölkerung war ein Vertrauen dafür da, das ist jetzt weg. Einen Neuanfang kann es nicht mit der Hamas oder einer anderen terroristischen Vereinigung geben. Da braucht es einen völligen Schnitt, auch personell. Was mir aber Hoffnung gibt, ist, dass die Menschen aus Be’eri, die dieser Hölle entkommen konnten, den ausdrücklichen Willen äußerten, wieder dorthin zu ziehen und ihren Kibbuz wieder aufzubauen. Daraus kann eine friedliche Zukunft erwachsen, und das hätte man sich ja auch ganz anders vorstellen können.

Der Krieg strahlt auch bis nach Deutschland aus. Am Donnerstag beginnt Chanukka. Lässt sich angesichts dessen überhaupt feiern?

Es wird in diesem Jahr eine gedämpfte Stimmung geben. Wir werden unsere Kerzen entzünden, auch öffentlich wie am Brandenburger Tor in Berlin. Natürlich haben auch wir Juden am Jahresende des gregorianischen Kalenders ein Bedürfnis nach Einkehr und wollen das Jahr Revue passieren lassen. Wir werden unser Leben nicht durch Terror bestimmen lassen.

Ihr Zentralrat veranlasste in den Gemeinden gerade eine Umfrage zu den Folgen des 7. Oktober. 68 Prozent der befragten Führungskräfte erklärten darin, dass in den Gemeinden Angst vor Angriffen oder weniger Besucher festgestellt wurden. 43 Prozent sagten Veranstaltungen ab, 35 Prozent meldeten antisemitische Vorfälle.

Das sind dramatische Befunde. Die Gemeinden erhalten antisemitische Briefe, Mails oder Anrufe, es gibt tätliche Angriffe auf der Straße gegen Menschen, die als Juden zu erkennen waren. Das ist in dieser Intensität eine neue Qualität. Wobei mein Gefühl ist, dass es nicht unbedingt mehr Menschen sind, die antisemitisches Gedankengut mit sich tragen, aber dass diese Menschen lauter geworden sind und sich wieder trauen, Dinge zu tun und zu sagen, die man sich lange nicht getraut hat.

Israel ruft inzwischen zur Vorsicht bei Reisen nach Deutschland auf. Zu Recht?

Das hat Israel auch für Großbritannien und Frankreich getan, offenbar mit abstrakten Hinweisen auf Terroranschläge. Das wird nicht einfach so aus der Luft heraus geschehen, und vor dieser Gefahr haben ja auch die Bundesinnenministerin und der Verfassungsschutz gewarnt. Ich vertraue auf unsere Sicherheitsbehörden, dass es ihnen gelingt, diese Gefahren zu unterbinden.

Fühlen sich die Community und Sie ausreichend geschützt?

Ich persönlich bin in einer privilegierten Situation: Der Präsident des Zentralrats der Juden erhält seit Jahrzehnten Personenschutz. Bei den jüdischen Einrichtungen, den Gemeinden, Schulen oder Kindergärten, wurde bereits nach dem Attentat auf die Synagoge in Halle 2019 der Schutz technisch und personell verstärkt. Das wurde nun noch einmal angepasst. Da geht es um schusssichere Türen und Fenster, Videoüberwachung oder uniformierte Streifen vor der Tür bei Veranstaltungen. Ein positiver Befund unserer Gemeindebefragungen war, dass sich dort 96 Prozent zufrieden mit der Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden zeigten. Gleichzeitig gibt es die große Verunsicherung, sich öffentlich als Jude zu erkennen zu geben. Das ist eine Ambivalenz, die wir nicht nur zur Kenntnis nehmen dürfen.

Wo sehen Sie derzeit die größte Gefahr?

Der Antisemitismus, den wir gerade erleben, wird stark geprägt durch Taten von arabisch- oder türkischstämmigen Menschen in Verbindung mit der linken Szene. Da merkt man plötzlich, dass die politisch ganz linke und die politisch ganz rechte Seite gar nicht so weit auseinander liegen bei diesem Thema. Aber die These eines importierten Antisemitismus greift trotzdem zu kurz: Wir haben auch einen großen Anteil antisemitischer Delikte aus dem politisch rechtsextremen Lager.

Wie blicken Sie auf Hochschulen oder Kultureinrichtungen, wo zuletzt Anti-Israel-Parolen laut wurden?

Das beunruhigt mich sehr. Nach dem 7. Oktober habe ich dort zunächst dröhnendes Schweigen wahrgenommen, nun erleben wir offenen Antisemitismus – nicht überall, aber eben doch zu viel. Wenn mir eine jüdische Studentin sagt, dass sie sich in einer Berliner Universität nicht mehr traut, alleine auf die Toilette zu gehen, ist das unbegreiflich. Das darf es nicht geben.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser verbot zuletzt Betätigungen der Hamas und des Unterstützervereins Samidoun, ließ das Islamische Zentrum Hamburg durchsuchen, das als verlängerter Arm Irans gilt. Reicht das?

Das waren notwendige Schritte. Und beim IZH in Hamburg braucht es nicht nur Durchsuchungen, sondern auch ein Verbot. Mir scheint, dass Iran gerade das Seinige tut, diese Gefahr zu erhöhen und Dinge zu steuern – nicht zum ersten Mal. Und ich glaube, es wird auch noch weitere Verbote gegen Organisationen geben, die Hass gegen Israel schüren. Hier sollte das Bundesinnenministerium schnell Konsequenzen ziehen. Außerdem: Der abgeschaffte Expertenkreis Politischer Islamismus im Bundesinnenministerium muss wiederbelebt werden, aber in einer Konstellation, die wirklich lösungsorientiert gesellschaftliche Probleme angeht und nicht nur über Begrifflichkeiten diskutiert.

Berlin und Bayern verboten zuletzt auch die Parole „From the River to the Sea“, die ein Verschwinden Israels von der Landkarte bedeuten würde. War das ein richtiger Schritt?

Absolut. Und dieses Verbot muss auch bundesweit umgesetzt werden. Wenn Israel das Existenzrecht abgesprochen wird, wie es diese Parole tut, muss das unter Strafe gestellt werden. Hier braucht es eine rechtliche Nachschärfung. Es hat mich enttäuscht, dass sich die Justizministerkonferenz dazu zuletzt nicht durchringen konnte. Von der Innenministerkonferenz wird hier hoffentlich ein anderes Signal ausgehen. Nie wieder ist jetzt und nicht irgendwann, und das muss auch Konsequenzen haben.

Sie fordern eine Verschärfung des Versammlungsrechts. Wie könnte das aussehen?

Ich habe alles Verständnis für Menschen, die gerade auf die Straße gehen und sich Sorgen um die palästinensische Zivilbevölkerung machen. Das ist vom Demonstrationsrecht gedeckt und soll es auch bleiben. Aber da, wo es begründete Sorgen vor antisemitischen Handlungen gibt, muss es möglich sein, diese Aufzüge zu verbieten. Da ist aus meiner Sicht das Demonstrationsrecht verwirkt. Wir dürfen nicht erst abwarten, bis es eskaliert, sondern müssen das im Vorhinein unterbinden.

Würden Sie sich mehr Solidarität mit der israelischen und jüdischen Community wünschen?

Definitiv. In Teilen gibt es sie, auch in einer Intensität, wie wir sie noch nicht erlebt haben. Und ich freue mich über Veranstaltungen, wie eine am Sonntag vor dem Brandenburger Tor geplant ist, wo der Impuls nicht von einer Organisation, sondern aus der Bevölkerung kam. Aber in der Breite hätte ich mir angesichts des blutigsten Tags gegen Juden seit der Shoah mehr öffentliche Solidarität gewünscht.

Auch aus der muslimischen Community?

Auch von dort. Es gibt viele friedliebende Muslime, die nichts mit dem Terror zu tun haben wollen. Und ich verwahre mich auch dagegen, alle Muslime jetzt unter Generalverdacht zu stellen. Aber von den muslimischen Institutionen habe ich mehr erwartet. Da war nach dem 7. Oktober fast gar nichts hören oder eher Halbherziges. Mein Eindruck war auch, dass die Stellungnahmen nicht unbedingt in den Freitagspredigten verbreitet wurden, wo sie in erster Linie hingehören. Und auch Ditib sollten wir uns hier genauer ansehen. Der Verband steht unter staatlicher Aufsicht der Türkei, deren Präsident Israel einen Terrorstaat nennt. Dafür habe ich überhaupt kein Verständnis. Und auch das wäre eine Aufgabe für das Bundesinnenministerium, den Umgang mit Ditib von Grund auf zu prüfen und neu zu organisieren.

Glauben Sie, der 7. Oktober bleibt auch in Deutschland eine Zäsur?

Natürlich hoffe ich, dass wir wieder zu einer Normalität zurückkehren. Wobei ich einschränkend sagen muss, dass der Antisemitismus auch vor dem 7. Oktober in diesem Land schon seit Jahren anstieg, egal aus welcher Ecke. Aber natürlich wünschen wir uns, als Juden hier in Frieden leben zu können wie alle anderen auch.

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25 Kommentare

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  • Man könnte sich bei der Unbestimmtheit der Diskussion fragen, ob es sich beim Antisemitismus nicht um eine Art kollektivem Aberglauben handelt, vergleichbar der Angst, unterwegs schwarzen Katzen zu begegnen.

  • Ich bin mir nicht sicher, ob "jeder" Verständnis hat. Sonst würde ich mehr Aufrufe an die Hamas hören, endlich mit dem Morden aufzuhören, endlich die Raketenangriffe auf israelische Zivisten zu unterlassen, endlich die Geiseln - darunter ein 10 Monate altes Baby - freizulassen, endlich zu kapitulieren und Gaza zu verlassen. Was ich höre? Dröhnendes Schweigen.

  • "Da habe ich vollstes Verständnis, wenn Israel sagt, die Hamas muss vernichtet werden. Ein solcher Terrorakt gegen Israel, mit 1.200 Toten, darf nie wieder passieren."

    Das Verständnis hat wohl jeder. Das steht außer Frage. Die Frage ist nur, wie hoch das Verhältnis von Hamas-Mitglied zu Unbeteiligten dabei sein darf.

    Muss man noch Verständnis dafür aufbringen für Angriffe, wo auf ein Hamas Mitglied 100 unbeteiligte Zivilisten kommen, darunter auch Kinder, Babys oder israelische Geiseln?

  • Man kann noch so kritisch auf Israel blicken, die Reaktionen in Deutschland ist trotzdem gruselig, armselig und beschämend. Sie sind auch leider mittlerweile ganz überwiegend antisemitisch. Daran ist nicht vorbeizureden und an dieser Stelle sollte man auch nicht mehr künstlich differenzieren. Zumindest einem Teil der Linken muss man auch eine ziemlich selbstgefällige Verantwortungsverweigerung attestieren, die deutlich an rechte Bestrebungen erinnert. Das soll nicht dem Hufeisen das Wort reden, das halte ich für grundsätzlich falsch. Es handelt sich eher um kindische Reaktionen auf eine angebliche Gesinnungsbevormundung, was aber besonders jämmerlich ist, weil in Wirklichkeit völlig unpolitisch. Man kann sich seine Lieblingsopfer nicht aussuchen und mit Worten wie Apartheid und Genozid um sich werfen. Als Deutscher ist man vielleicht dazu verdammt, an Israels Seite zu stehen, aber selbst wenn man das anders sieht, man muss trotzdem mit jedem Juden solidarisch sein.

  • Ich bin ziemlich sprachlos ob dieser Aussage. "Ich persönlich bin in einer privilegierten Situation: Der Präsident des Zentralrats der Juden erhält seit Jahrzehnten Personenschutz."

    Das ist nicht priviligiert, das ist einfach nur schrecklich. Ich glaube nicht dass ein katholisches oder islamisches Oberhaupt so einen Personenschutz braucht wie er. Im letzten Interview mit Michel Friedman wurde es sehr deutlich dass Herr Schuster das alles sehr naiv betrachtet. Ich will nicht dass ein Herr Schuster " priviligierten Judenschutz" braucht. Als Jude sollte man überhaupt keinen besonderen Schutz benötigen. Bevor jüdisches Leben nicht genauso normal gesehen wird wie eine berliner Currywurstbude, ist leider nichts priviligiert.

    • @Jungle Warrior:

      Es ist schrecklich und sollte nicht nötig sein, aber das ist eben ein Konjunktiv. Der Punkt ist vielleicht, dass bei allen Ressentiments, die es gegen andere Gruppen sicher auch gibt, der Antisemitismus in besonderem Maße mit Gewalt einher- bzw. von gewaltgeneigten Menschen ausgeht. Ich würde behaupten, dass das Tradition hat.

      Trotzdem: Will man der Herkunft dieser Gewaltbereitschaft eine politische Richtungsbezeichnung geben, ist die nahezu durchgehend sicherlich zutreffend mit "Rechts" umschrieben. Nur schließt das auch Antisemiten ein, die durchaus Unterstützung im linken, v. a. postkolonialen Spektrum finden (weil sie nämlich faktisch Rechte sind, aber dem "globalen Süden" zugeordnet werden oder vorgeben, für ihn zu kämpfen).

      • @Normalo:

        Es ist eine Soße die sich durch sämtliche politischen Lager zieht. Dieses ziemlich abstoßende Gebräu nennt sich Antisemitismus.

    • @Jungle Warrior:

      Sie sprechen einen Punkt an, den diejenigen, die Antisemitismus und Antiislamismus gleichsetzen, typischerweise weglassen.

      Herr Schuster hat dauernden Personenschutz.



      Jede Veranstaltung in einer Synagoge hat Polizeischutz.

      Die Vorsitzenden der Ditib oder von Millî Görüş benötigen keinen ständigen Personenschutz.

      Die meisten Moscheeveranstaltungen laufen ohne Polizeischutz ab.

      Trotz einer Reihe schlimmer antimuslimischer Vorfälle scheint eine Gleichsetzung nicht berechtigt.

      Dauernden Personenschutz erhalten dagegen Leute wie Seyran Ateş oder Hamed Abd-el Samad.

      Von Leuten in Deutschland, die Personenschutz bekommen, weil sie Israel oder die jüdische Gemeinde zu Berlin kritisieren und deshalb jüdische Attentäter Anschläge auf sie verüben könnten, habe ich noch nie gehört.

      • @rero:

        Folgendes Interview mit Seyran Ates ist in diesem Kontext aufschlussreich:



        youtu.be/lmvNF3u3p...i=g6lcXiCNaUW6ZaZh



        Meine Forderung wäre, liberalen Moscheegemeinden wie der Berliner Ibn-Rushd-Goethe-Moschee, deren Imamin Frau Ates ist, ebenfalls Polizeischutz zu gewähren wie auch den jüdischen Synagogen. Damit der liberale Islam nicht droht, in Deutschland unsichtbar zu werden.

        • @Abdurchdiemitte:

          Ihre Forderung ist meines Wissens bereits Realität.

          Eine traurige Realität.

      • @rero:

        Danke für ihren gut formulierten, ergänzenden Kommentar.

  • So wie ich hinter nie wieder Hamas stehe, muss ich gleichzeitig sagen nie wieder Netanjahu,der von Anfang an das zarte Pflänzchen des Ausgleichs torpediert hat.



    Diese Forderung ist mit nichten ein Aufruf zum Antisemitismus, sondern deren prävention. Alles richtig,was im Interview gesagt wurde,nur leider nicht komplett .Israel ist nicht nur Opfer. Israel ist auch Täter. So lange das nicht gesehen wird, kann es keine Lösung geben im Konflikt. Wir sind gehemmt freundschaftlich konstruktive Kritik zu üben. Das ist kontraproduktiv.

    • @fmraaynk:

      Es ist ja nicht die Aufgabe eines jüdischen Zentralratsvorsitzenden, Stellung für oder gegen die jeweilige israelische Regierung zu beziehen. Herr Schuster repräsentiert in erster Linie die jüdische Bevölkerung und jüdisches Leben in Deutschland. Und genau genommen kann er nur die Teile der jüdischen Bevölkerung repräsentieren bzw. für sie sprechen, die tatsächlich durch den Zentralrat der Juden in Deutschland vertreten werden.



      Ein befreundeter kritischer Katholik wendete mir gegenüber einmal ein, dass das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZDK) eigentlich Zentralkomitee deutscher Katholiken heißen müsse, denn in seinem Namen dürfe es keinesfalls sprechen. Das würde er sich verbitten. Ähnlich verhält es sich z.B. mit dem Zentralrat der Muslime von Herrn Ayman, dessen Anspruch auf Gesamtvertretung sämtlicher in Deutschland lebenden Muslime aufgrund der Namensgebung (als „Zentralverband“) offenbar nur von den entsprechenden christlichen und jüdischen Institutionen abgekupfert ist.



      Allerdings ist der ZdJ als Körperschaft des öffentlichen Rechts den beiden großen (Volks)Kirchen hierzulande rechtlich gleichgestellt, hinsichtlich seiner religiösen, aber auch seiner politischen Repräsentanz der jüdischen Bürger. Die großen Islamverbände sind das übrigens nicht.



      Warum sollte es nicht so sein, dass dieser (Allein)Vertretungsanspruch des ZdJ unter Jüdinnen und Juden nicht ähnlich kontrovers diskutiert wird wie der der Kirchen in der christlichen Bevölkerung?



      Aber die israelische Regierungsposition zu vertreten, ist Aufgabe des israelischen Botschafters, vielleicht noch die einer Lobbyorganisation wie der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), nicht jedoch die von Herrn Schuster oder des ZdJ.

    • @fmraaynk:

      Fällt Ihnen Ihre Wortwahl auf?

      Sie sprechen von der Hamas, nicht von "den Palästinensern".

      Bei Israel fangen Sie mit Netanjahu an, enden dann aber mit "Israel ist auch Täter."

      Bemerken Sie Ihren unterschiedlichen Maßstab?

      Und das, wo in Israel massive Proteste gegen Netanjahu und seine Politik stattfanden.

      Haben Sie irgendwo etwas von palästinensischen Demonstrationen gegen die Hamas gehört?

      Herr Schuster behält übrigens im Interview seine Differenzierung zwischen der Bevölkerung und den Politikern bei - auch in Bezug auf die Hamas und die Palästinenser.

      • @rero:

        "Touché" würde ich sagen.

  • Mich erschrickt die Unfähigkeit der deutschen Kulturszene, angemessen zu reagieren.

    • @vieldenker:

      Das entsetzt mich auch ganz besonders. Einmal die Angst der Kulturschaffenden vor den anderen Kulturschaffenden, die Mutlosigkeit sich unbeliebt zu machen, noch viel mehr darüber hinaus überhaupt der Mangel an Meinung. Der Wunsch sich hinter irgendeiner allgemeinen Sprachregelung verstecken zu können, und dass, wo der Antisemitismus längst zentrales Motiv der öffentlichen Diskussion ist, ist nicht akzeptabel. Nein, es gilt: jeder für sich muss sich positionieren. Das Kopfeinziehen erinnert mich mehr als alles andere an die Zeit vor 90 Jahren.

    • @vieldenker:

      Mich erschrickt die deutsche Gesellschaft,die sich überhaupt nicht verhält,aber besonders straight im Netz postet. Mich erschrickt,das angeblich die linke das Problem sein soll,aber in Köln 3000 von denen dem Aufruf von einer Jüdin und Palästinenserin gefolgt sind aber medial uninteressant,weil kein Skandal. Mich erschrickt,wer alles bullshit schreibt ,liked, obwohl es nicht das Kompetenzthema ist. Mich erschrickt wie eindeutig eine Seite eingenommen werden kann, obwohl Antisemitismus, Antirassismus, Islamphobie nicht ins Konzept der Emanzipation passt. Mich erschrickt die Unfähigkeit der Vieldenker so wenig selbst zu machen. Mich erschickt der Vieldenker,der nur einen Satz schreiben kann.

      • @fmraaynk:

        Und mich verwirrt, wieviele Worte Sie brauchen, um eigentlich nur ihre vorgefasste Meinung zu postulieren. Das wiederum passt dann schon zu der deutschen „Widerstandswohlfühlkultur“: Hauptsache solidarisch mit den eigenen alten Vorurteilen.

  • Danke für dieses Interview, das nochmal deutlich macht dass das Judentum Teil der deutschen Identität ist.



    Es fällt ins Auge, dass Kritik und Ängste nicht gegenüber staatlichen Institutionen, sondern gegenüber Dritten geäußert wird.



    Die Zusammenarbeit mit der Polizei wird positiv gewertet, die zusätzlichen Schutzmaßnahmen durch das Innenministerium lobend erwähnt.



    "Probleme" macht die Gesellschaft, die von einer klaren Positionierung für Israel weit entfernt ist.



    Dass neben Antisemitismus aus rechten Kreisen, sowie eingewandertem Antisemitismus auch der Antisemitismus von links Erwähnung findet, beschämt mich .



    Natürlich ist das nicht überraschend, es war in den letzten Wochen ja deutlich zu hören.



    Wer als linkEr BürgerIn Deutschlands nicht die Verteidigung des Judentums als seine vornehmenste Pflicht betrachtet und statt dessen gegenteilig agiert, ist für mich so links wie Alice Weidel.

  • "„Erkenne dieses Land nicht wieder“"

    Dem schließe ich mich vorbehaltslos und voll umfänglich an. Seit dem Massaker und den darauf folgenden Begeisterungsbekundungen auf den Straßen Deutschlands schäme ich mich tagtäglich.

    Falls jemand Näheres über die Opfer des 07.10.2023 wissen möchte:



    oct7map.com/

    Es ist erschütternd.

    • @*Sabine*:

      danke für die info!

    • @*Sabine*:

      Ich finde keine Worte für das Entsetzen, das ich zur Zeit durchlebe. Ich hätte nie in meinem Leben gedacht, das Antisemitismus in Deutschland/Europa wieder zu einem Thema wird. Unglaublich.

    • @*Sabine*:

      Ich schließe mich an.

      Ich hätte das in der Form nicht für möglich gehalten.

      Antisemitismus als common sense im Kulturbetrieb und in weiten Teilen der schrägen neuen post-kolonialen "Linken".

      Kein Verbrechen gegen Juden kann zu groß sein, um es ihnen nicht sofort vorwerfen zu können.

      Gelänge es etwas dem Iran Israel zu vernichten, würde es aus diesen Kreisen wohl heißen:

      "Das ist natürlich schlimm, aber irgendwie hat Israel es auch provoziert."

      Die Linke ist toter als tot und der Leichnam riecht nach Verwesung.

      • @Jim Hawkins:

        Ich schliesde mich an, auch dem Kommentar von Sabine.



        Mir geht es auch so.! Unfassbar, was hier geschieht!