Zensierte Plakatwand in Hamburg: Polizei malt Rote Flora an
Antifaschist*innen geben an einer Plakatwand Tipps, wie jeder gegen die AfD aktiv werden kann. Die Polizei sieht einen Aufruf zu Straftaten.
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W as tun gegen die AfD? Das fragen sich nicht nur Linke seit Jahren. Im ganzen Land werden Brandmauern errichtet und eingerissen, Verbotsbestrebungen diskutiert und verworfen, hier wird demonstriert, dort zum Sommerinterview eingeladen. Richtige Antworten, was den Wahlerfolg der Rechten wirksam und schnell stoppen könnte, hat niemand.
Wenn dann doch mal jemand konkrete Vorschläge präsentiert, ist es allerdings auch nicht recht. Jedenfalls der Hamburger Polizei nicht. Die hat eine entsprechende Plakatwand an der Roten Flora nun schon zum zweiten Mal mit schwarzer Farbe übergemalt.
Was hatten die Florist*innen vorgeschlagen? „13 Dinge, die du gegen die AfD tun kannst“ und „12 Dinge, die du dabei beachten solltest“ listete der „Antifaschistische Werkzeugkasten“ an der großen Plakatwand im Schanzenviertel auf. Darunter die einzelnen Punkte: „Oute Veranstaltungsorte, Nazis und AfDler, gründe eine Antifa-Gruppe oder tritt einer bei, sprich mit deinem Umfeld, greife AfD-Immobilien an, unterstütze Betroffene von rechter Gewalt, mache Wahlmaterial der AfD unschädlich.“ Die Hamburger Polizei schickte umgehend die „Soko Wand und Farbe“ und malte die beiden Listen noch am gleichen Tag schwarz über.
Die Flora dürfte das erwartet haben, jedenfalls reagierte sie ebenfalls schnell und klebte die Listen erneut auf die Wand, diesmal mit dem Zusatz: „Bullen, das Spiel verliert ihr mal wieder“. –„Das wollen wir erst mal sehen“, sagte man sich wohl bei der Polizei und griff erneut zur Wandfarbe. Außerdem leitete der Staatsschutz ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten ein.
Beim letzten Mal gab die Polizei auf
So kann sich die Behörde natürlich auch beschäftigt halten. Wahrscheinlich ist das aus Sicht der Antifaschist*innen gar nicht so verkehrt, denn dann richtet sie wenigstens in der Zeit an anderer Stelle keinen Schaden an.
Am Dienstagnachmittag stand es 2:2 im Match „Flora gegen Bullen“. Beim letzten größeren Match hatte die Polizei nach zweimaligem Übermalen aufgegeben. Da hatte sie die Schwelle, sich zum Kasper zu machen, aber schon überschritten. Das „Pimmelgate“ war im Jahr 2021 eine peinliche Nummer für Innensenator Andy Grote (SPD) und die Polizei gewesen. Die Beamt*innen waren mit einer Razzia in die Wohnung eines Twitter-Users eingedrungen, der Grote online als Pimmel bezeichnet hatte.
Der Tweet des Anstoßes, „Andy, du bist so 1 Pimmel“, wurde später auf Aufkleber gedruckt und an die Flora-Wand gemalt, wogegen die Polizei mit allen verfügbaren Kräften vorging, sprich: Aufkleber abknibbelte und die Wand übermalte. Die Aktivist*innen luden die Polizei zum Spielen ein, indem sie die Plakatwand zu einer Theaterbühne ummalten: Vorhang auf für die Soko „Wand und Farbe“. Die Beamt*innen agierten wie bestellt, malten noch einmal über, ließen den letzten Pimmelspruch aber schlussendlich stehen und zogen sich als Verlierer zurück.
Soweit, so erwartbar also das Vorgehen auch in dieser neuen Runde „Bullen vs. Flora“. Doch während die Polizei weiter Polizei-Dinge tut, steht für die Antifaschist*innen ein ernstes Anliegen hinter der 13/12-Liste. In erfahrener Voraussicht haben sie eine Homepage eingerichtet, auf der sie die Tipps und Handlungsaufforderungen gegen die AfD ausführen. „Sie“, das sind in diesem Fall gar nicht (nur) die Flora-Nutzer*innen, sondern laut der Homepage ein bundesweiter Kreis aus antifaschistischen Gruppen und Einzelpersonen.
Man habe sich über die Großdemos gegen die AfD Anfang des Jahres gefreut, schreiben die Aktivist*innen – man wisse aber auch, dass es damit nicht getan sei. Stattdessen sei eine starke antifaschistische Bewegung nötig. „Warte nicht darauf, dass andere etwas tun“, schreiben sie. „Die Bewegung müssen wir alle sein.“ Recht haben sie. Und solange die Polizei keine besseren Vorschläge gegen die AfD präsentiert, sollte sie die vorhandenen zumindest stehen lassen.
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