Wohnungssuche in Städten: Kein Platz für Familien
Der Wohnungsmarkt ist überall leer gefegt. Große Wohnungen für Familien gibt es praktisch gar nicht. Große Ansprüche gibt es dafür kaum.
W ir tun bald etwas total Mutiges und ziehen aus unserer bezahlbaren, hellen, großen, ruhigen 4-Zimmer-Altbauwohnung im Grünen mit U-Bahn in der Nähe aus. Wir brauchen keine Nachmieter*innen mehr, tut mir leid.
Aber ja, wir verlassen diese Wohnung, denn wir ziehen nach Wien. Eine Entscheidung, die wir aus mehreren Gründen getroffen haben. Einer davon ist, dass wir seit bald fünf Jahren Eltern sind und uns in Berlin das Netzwerk fehlt. Wir sind müde. Jedes Mal, wenn ich von anderen Eltern höre, dass die Kinder am Wochenende bei den Großeltern waren, möchte ich heulen. Jedes Mal, wenn ich höre, dass es Eltern gibt, die das alles alleinerziehend machen, möchte ich schreien.
In Wien gibt es Familie und auch Freund*innen, die sich in ähnlichen Lebensabschnitten befinden. Dass wir die in Berlin nicht haben oder kaum sehen, liegt auch daran, dass unsere Wohnung in einem Außenbezirk liegt. Innerhalb des Rings und knapp dahinter konnten wir uns nichts mehr leisten.
Was mir bei der Wohnungssuche in Wien nun wieder auffällt, ist, dass es kaum noch 4-5-Zimmer-Wohnungen gibt. In Berlin ist es ähnlich. Im Tagesspiegel habe ich mal gelesen, dass nur noch jede fünfte neu gebaute Wohnung fünf Zimmer oder mehr hat. Weil es ertragreicher ist, mehrere kleinere Wohnungen zu vermieten. Und um die wenigen großen Wohnungen konkurriert man oft mit insgesamt besser verdienenden WGs. Für Familien eine Katastrophe, denn man kann Kinder nur bedingt stapeln.
In Wien werden Neubauwohnungen oft nicht größer als 110 Quadratmeter gebaut. Das ist generell nicht wenig, aber als vier- oder fünfköpfige Familie dann doch. Vor allem wenn man, wie wir, ein Arbeitszimmer braucht, weil man auch zu unmöglichsten Zeiten in Ruhe schreiben können sollte.
Die Wohnungssuche als Familie ist ganz anders als früher. Man sucht nicht mehr nach Balkon, Stuck und Parkett. Also Balkon schon, aber nicht für morgens schön Sektfrühstück, sondern weil die 38 Wäscheständer, die man so hat, irgendwo hin müssen. Es sind banalere Dinge, die nun zählen. Ein Abstellraum, weil wohin mit den Windeln, den Schwimmsachen, den Jacken und dem ganzen anderen Zeug. Ein zweites Klo, denn mit einem steht immer, sobald man die Tür geschlossen hat, ein Kind zappelnd vor der Tür und brüllt: „Ich muss maaaaal.“ Und von all dem Kontrollverlust, den man als Elternteil erlebt, hat der Verlust des selbstbestimmten Klogangs einen Ehrenplatz. Es werfe den ersten Stein, wer noch nie durch eine geschlossene Tür gebrüllt hat: „Verdammt, kann ich denn nicht einmal in Ruhe kacken!“
Auch eine Badewanne ist ein Muss. Jeder, der schon mal versucht hat, ein Kind zu duschen, das Angst vor dem Duschkopf hat, wird wissen, wovon ich spreche. Aber am meisten brauchen Familien natürlich das, wovon es gerade am wenigsten gibt: bezahlbaren Wohnraum.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen