Postpartaler Körperkult: Guter Bauch, schlechter Bauch

Noch wird Popsängerin Rihanna dafür gefeiert, dass sie ihren Babybauch stolz präsentiert. Das könnte sich nach der Geburt schlagartig ändern.

Zwei Hände halten einen Babybauch

Noch finden sie ihren Bauch toll: Rihanna am 1. März auf einer Pariser Modenshow Foto: Vianney Le Caer/Ap

Die Sängerin Rihanna wird derzeit gefeiert, weil sie ihren Babybauch so offen zeigt. Und zwar nicht nur den Ansatz, nicht so ein bisschen, sondern den ganzen prächtigen, kugelrunden Bauch. Wir sollten viel mehr Babybäuche sehen. Wobei das kein normaler Bauch ist, sondern der Bauch einer millionenschweren Unternehmerin, der ein eigenes Stylingteam hat.

Mit diesen Auftritten muss man sich echt nicht vergleichen, aber ein anerkennendes Nicken kann schon drin sein. Dennoch hatte ich ein mulmiges Gefühl. Als ich vor ein paar Tagen meine Jacken durchprobierte und merkte, dass die Hälfte davon ein Jahr nach der Geburt nicht wieder passt, kam es mir: Noch finden sie ihren Bauch toll. Noch. Solange ein Baby drin ist, solange er Arbeit verrichtet. Ein „Wunder“ tut. Sollte Rihanna aber ein Jahr später immer noch einen sichtbaren Bauch haben, wird sich das längst geändert haben.

Der gesellschaftliche Druck, nach der Geburt so schnell wie möglich wieder auszusehen wie vorher, ist enorm. Im Englischen wird das als Snap-Back-Culture beschrieben, frei übersetzt „Rücksprungkultur“. Oder „toxischer Körperkult“, denn genau das ist es. Ein Körper soll nach der Geburt zurückspringen wie ein Gummiband. Nur so läuft das nicht. Oder nur in den seltensten Fällen. Das Internet ist dennoch voll mit Fotos von Frauen, die „es geschafft haben“. Die es geschafft haben auszusehen, als sei nichts passiert. Doch es ist was passiert, wieso soll man das nicht sehen?

Noch immer wird einem von Freund*innen, Familie, Ärz­t*in­nen und Hebammen schon in der Schwangerschaft geraten zu Stillen, weil man dann „so schnell wieder abnimmt“. Als wären wir willenlose Hamster getrieben von den Zahlen auf einer Waage. Stillen hat Vorteile und Nachteile, aber das Gewicht sollte nicht das ausschlaggebende Argument sein. Auch weil man herb enttäuscht werden kann. Denn manche Stillende nehmen noch zu. Eine Erklärung dafür ist, dass der Körper Fettreserven anlegt für die Milchproduktion.

Immer ist die Mutter Schuld

Es kann auch am Schlafmangel oder an den diversen hormonellen Veränderungen liegen, die für meinen Geschmack immer noch ein wenig zu unerforscht sind. Denn wann immer es um gesundheitliche Beschwerden vor, während oder nach einer Geburt geht, scheinen alle nur die Hände gen Himmel zu strecken und „ein Baby, ein Wunder!“ zu rufen. Dann kriegt man noch ein paar Globuli, aber das war es dann meistens auch mit der „Medizin“. Eine andere beliebte Erklärung ist, der Mutter die Schuld zu geben, weil sie „sich gehen lässt“.

Beim ersten Kind haben mir Leute gratuliert, als mein Körper nach dem Abstillen wieder schrumpfte. Manche fanden, es sei okay, mir zu sagen, wie dick sie mich vorher fanden. Am meisten erstaunte mich, wie erleichtert sie schienen, dass ich es nicht mehr war. Dass ich nicht mehr aussah, als wäre in meinem Körper ein ganzer Mensch gewachsen, den dieser Körper dann viele Monate lang ernährt hat

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Schreibt über Gesellschaft, Politik, Medien und manchmal über Österreich. Kolumne "Kinderspiel". War 2013 Volontärin der taz panter-Stiftung, dann taz-Redakteurin. Von 2019 bis 2022 Ressortleiterin des Gesellschafts- und Medienressorts taz zwei. Lebt und arbeitet in Wien.

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