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Wohnen und KostenMietenstopp für alle

Ein Bündnis fordert einen Mietenstopp für sechs Jahre. Dabei wird auch auf Einkommenseinbußen durch Corona verwiesen.

Hier wohnen und wissen, es wird nicht teurer, das wär's: Straßenszene in Köln Foto: Thomas Rabsch/laif

Berlin taz Niemand soll mehr Angst vor Vertreibung haben. „Jeder muss das Recht haben, dort wohnen zu bleiben, wo er oder sie lebt“ sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, am Freitag. Der Gesamtverband gehört zu einem Bündnis, das jetzt eine Kampagne für einen Mietenstopp startete.

Das Bündnis, in dem auch der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Deutsche Mieterbund und mehrere regionale Mieteriniativen vertreten sind, fordert, dass die Mieten bundesweit für sechs Jahre eingefroren werden.

„Wir brauchen wirksame Maßnahmen, die weitere Mieterhöhungen unterbinden“, sagte Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes. Coronabedingt hätten viele Beschäftigte Einkommenseinbußen, gerade sie bräuchten einen Mietenstopp, erklärte Stefan Körzell vom Bundesvorstand des Gewerkschaftsbundes.

Bei Wiedervermietungen soll der Mietpreis maximal auf die ortsübliche Vergleichsmiete angehoben werden dürfen. Ausgenommen vom Stopp sollen Neubauten sein und sogenannte faire VermieterInnen, deren Mietpreise nur 80 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete betragen. Sie sollen die Miete maximal um 2 Prozent jährlich steigern können.

Wohnen von Kapitalanlage entkoppelt

In München gehe es „schon lange nicht mehr um das Schaffen von Wohnraum, sondern ausschließlich um Kapitalanlage und Profitmaximierung“, sagte Tilman Schaich von der Initiative #ausspekuliert in München. Ulrich Schneider berichtete, dass durch den Wohnungsmangel in den Ballungsgebieten die soziale Arbeit vieler Träger nicht mehr gemacht werden könne. Er kenne Fälle in der Gefährdetenhilfe, wo Menschen, die vorzeitig aus einer Haft entlassen werden könnten, „dies nicht tun, weil sie keinen Wohnraum finden“.

Anlass der Kampagne ist eine Konferenz der Bundesregierung am kommenden Dienstag, in der diese eine Bilanz ihrer „Wohnraumoffensive“ vorstellen will. Aus Sicht der KampagnenvertreterInnen ist diese Bilanz unzulänglich.

Die Mietenentwicklung sei „ungebremst“, sagte Siebenkotten. Das Bündnis fordert neben dem Mietenstopp mehr geförderten sozialen Wohnungsneubau, strengere Regeln für Eigenbedarfskündigungen und Umwandlungen, ein soziales Bodenrecht und eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit.

Kritik der Wohnungswirtschaft

Mit der Forderung nach einem Mietenstopp „scheint nun auch der Deutsche Mieterbund den Lockrufen des Populismus zu erliegen“, sagte Maren Kern, Vorständin des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), am Freitag. Das Experiment des Mietendeckels in Berlin beweise, dass dieses die Wohnungsknappheit für einkommensschwache Haushalte verschärfe und die Investitionskraft der sozialen Wohnungswirtschaft schwäche.

Das Immobilienportal Immowelt hatte in dieser Woche Zahlen veröffentlicht, nach denen in den Ballungszentren die Entwicklung von Kaufkraft und Mieten auseinanderklafft. In München liegt die Kaufkraft 33 Prozent über dem Deutschlandmittel, die Angebotsmieten sind dort aber um 133 Prozent höher als der Durchschnitt. In Berlin beträgt die Kaufkraft 8 Prozent weniger als der bundesweite Durchschnitt, die Angebotsmieten liegen hier aber 56 Prozent darüber.

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26 Kommentare

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  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Wenn jemand privat ein Haus mit 12 Wohnungen für 1 Million Euro baut, dann kostet das 5 Millionen, sobald es der Staat baut.

    Dieser Staat verkauft das 5 Millionen Haus, wenn er gerade klamm ist, wieder für 1 Million

    und kauft es dann später für 5 Millionen Euro zurück, wenn es heißt, der Staat habe zu wenige Wohnungen.

    So bleibt alles im Fluss, jeder ist zufrieden, der Privatinvestor macht immer ein gutes Geschäft und die Bevölkerung ist zufrieden. Ironie off.

  • Wenn man klar beides verknüpft, sozialer Wohnungsbau und einen zeitweisen Stopp von Mieterhöhungen, ist das ein gutes Instrument.

    Es wird nur eine geraume Zeit benötigen, bis das Angebot entsprechend steigt. Bis dahin wird es vermutlich alternative Preisfindungen geben.

  • Oh, heilige Sch§$ße, wenn es nach manchen Kommentator*innen geht, müssen wir womöglich bald in Ruinen oder Höhlen hausen und die Vermieter*innen, auch bspw. jene, die aus verschiedenen Ländern in Berlin in Wohneigentum investierten und die Vorstände von Kapitalgesellschaften werden wir bald in den Fußgänger*innenzonen antreffen, die uns dann nach Geld fragen. Die Armen! Auf welchem Niveau sollen die Mieten denn gestoppt werden? Und sind steigende Mieten, Zwangsräumungen, Entmietung durch Verfallen lassen, Verdrängung von Mieter*innen und Gentrifizierung in den letzten Jahren Einbildungen gewesen? Verwechseln manche Kommentator*innen die Seiten der TAZ womöglich mit denen des Focus o.ä.? ;-)

  • Ich sach's mal so: Wehe, wenn die sechs Jahre dann erstmal rum sind.

  • "Mieten bundesweit einfrieren"

    Darüber wird man in Regionen mit sehr sehr viel Leerstand und winzigen Mieten (z.B.Meck-Pom) nur drüber lachen.

    Eine Mietpreispremse ist nur Stückwerk bei der Landflucht und Zuwanderung in die Großstädte. Es ist sogar kontraproduktiv.

  • Die Forderung scheint sich ganz offensichtlich an die Bundesregierung bzw. an den Bundesgesetzgeber zu richten.

    Die Initiatoren dieser Forderung merken scheinbar nicht, dass sie damit dem Mietendeckel in Berlin den Boden entziehen. Bund und Länder können halt nicht beide für die Gesetzgebung sein.

    Und selbst wenn man die Mieten für sechs Jahre stoppt, wird der Wohnraum hierdurch ja nicht mehr, der Zuzug in Ballungszentren nicht aufgehalten und der Konkurrenzdruck nicht abgeschwächt.

    So ist das Ziel möglicherweise nachvollziehbar, nur die meisten Vorschläge sind alles in allem vollkommen ungeeignet.

  • Werden die Nebenkosten, Gebühren, Heizkosten, Strompreise auch gedeckelt?



    Diese Kosten sind doch oft das eigentliche Problem, sie wachsen doch schneller als die Mieten.

  • Das ist eine sehr schlechte Idee. Man sollte den Boden und seinen Wert in den Dienst der Allgemeinheit stellen. Das gilt gerade für die begehrtesten Lagen in den Ballungsräumen. Und zwar durch eine möglichst einheitliche Bodenwertsteuer (wie sie z.B. Dirk Löhr vorschlägt). Diese ist einfach zu erheben, sie ist kaum zu vermeiden, zwingt den Boden in die Nutzung, belohnt Verdichtung und ist nicht so einfach auf die Vermieter abzuwälzen. Mit den Einnahmen aus der Steuer kann man entweder gute Dinge tun. Oder man verteilt sie gleichmäßig, pro Kopf, zurück an die Bevölkerung, womit man wahrscheinlich das bestmögliche tut und nicht in einen paternalistischen Modus verfällt. Niemand hat das Recht billig oder umsonst in der Stadt zu wohnen. Und niemand hat das Recht mit den gesamtgesellschaftlich erzeugten Agglomerationseffekten viel Geld zu verdienen.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Der Staat sollte einfach neue Wohnungen selber bauen. Bestehende freie Flächen sollte der Staat selbst zu erst bebauen.

    Das Problem ist doch auch das man immer Leute findet die die Mieten zahlen. Der Zuzug in die Städte hält unvermindert an. Aber man findet immer noch Wohnungen in München im S-bahn ring, muss man halt bischen fahren zu Arbeit und Uni.

    • @83379 (Profil gelöscht):

      Das wäre zu rational.

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Das wird die Mieten dauerhaft noch deutlicher erhöhen.

  • Ach. Die Forderung nach bezahlbaren Mieten heisst heute auch Populismus? Man lernt nie aus...

    • @tomás zerolo:

      Wie soll Berlin (4000 EW/km) auch sonst jemals an die Bevölkerungsdichte von Paris (20.000 EW/km) herankommen, wenn für winzige Wohnungen auch noch horrende Mieten gezahlt werden müssen?

      Ja. Es ist eindeutiger Populismus weil viel zu kurz gedacht. Wie jener zu den angeblich supernotwendigen Autos/Autobahnen für die pendelnden Arbeitnehmern. Es wird Wohnsituationen noch verschärfen, weil nicht zu Ende gedacht.

    • @tomás zerolo:

      Wo kommen wir denn hin, wenn der Ausbeutung durch Kapitalgesellschaften ein Riegel vorgeschoben wird.

      Die haben doch wie im Gesundheitswesen den perfekten Markt gefunden. Egal wie das Angebot ist, die Nachfrage bleibt bestehen.

  • Spitze Idee!



    Bis auf Metropolen wie München sind die Mieten in Deutschland für den Unterhalt und die Weiterentwicklung zum Teil fast nicht auskömmlich!



    Wenn wir unsere Immobilien so herunterkommen lassen wollen wie in der ehemaligen DDR, dann müssen wir genau solche Ideen verwirklichen!

    • @Fridolin:

      Lieber 'ne billige Bruchbude als eine sanierte teure

    • @Fridolin:

      [...]

      Nicht auskömmlich ist es vielleicht, wenn sie den vergleich mit den Spekulanten ziehen.

      Ich kenne Vermieter, keiner von denen hat in den letzten Jahren auch nur einen abstrich hinnehmen müssen.

      Der Wohnraum anderer Menschen ist keine Gelddruckmaschine.

      [...]  Beitrag gekürzt. Bitte beachten Sie die Netiquette. Vielen Dank! Die Moderation

      • @Beskar:

        Ein Beispiel für nicht wirklich auskömmliche Mieten:



        Ein Einfamilienhaus mit Scheune, (ca. 30 km außerhalb von Stuttgart, etwa ortsübliche Miete) ehemaliges Bauernhaus wurde vor 25 Jahren Generalsaniert, Kosten ca. 80 000 €, es wurden zwischenzeitlich weitere 40 000 € für verschieden Erhaltungsmaßnahmen und eine Solaranlage investiert. Das Gebäude hat in den 25 Jahren ca. 180 000 Euro an Miete eingebracht. Für die anstehenden Sanierungen von Heizung, neuen Anstrich, neue Haustüre sowie diverse andere mehr oder weniger teure kleinere Baumaßnahmen stehen also etwa 60 000 Euro aus den Mieteinahmen rechnerisch zur Verfügung. Das wird für die beschriebenen Maßnahmen wohl vielleicht gerade so ausreichen! Was raten Sie mir? Ich überlege mir stark das Haus zu verkaufen, da das Gebäude aus wirtschaftlicher Sicht nicht sinnvoll als Mietobjekt zu behalten ist! - Auch ohne dass die Miete eingefroren wird!

      • @Beskar:

        Ihr Datengrundlage ("Ich kenne einen, der einen kennt, ...") ist ja nicht sehr beeindruckend. Machen Sie deshalb so ein getöse? Es gibt nicht nur "den bösen Vermieter", es sei denn, Sie legen es auf Diskriminierung an.



        Wenn die Mieten nicht mehr den Neubau finanzieren können und Sanierung zum Zuschussgeschäft wird, ist anderwo was faul. Ihr Geschäftsmodell mit dem Sündenbock ist da vielleicht der populistische Schwachsinn.

      • @Beskar:

        „Wohnraum anderer Menschen“?

        Gehört die Mietwohnung dem Mieter? Oder mietet gerade der Mieter temporär „den Wohnraum anderer Menschen“ - eben ohne die Verbindlichkeiten des festen Besitzes in Kauf nehmen zu müssen, mit der Flexibilität einfach umziehen zu können? Sonst könnte er ja kaufen und sich mit der Bank statt dem Vermieter auseinandersetzen über die Kosten seines Wohnanspruchs.

        Konsequent wäre bei einem Mietpreisdeckel dann auch ein Kreditkostendeckel - keine Bank sollte nie mehr an Zins und Tilgung verlangen dürfen als ein Durchschnittsverdiener zahlen kann.

        Aber es ist ja nicht nur Wohnen, auch die Kosten für Lebensmittel sind zu deckeln, Kultur ist Seelennahrung, also Eintrittspreisdeckel auch dort nach Corona. Mobilität - auch wichtig, Preisdeckel für Fahrkarten und Autos.

        Wenn man so darüber nachdenkt, dann muss doch in einer freien Gesellschaft nur festgelegt werden, wem was zusteht, dann fixieren wir die Preise und alles ist gut - alle Probleme sind abgeschafft. Angebot und Nachfrage sind nur Illusion, einfach verbieten und jeder kann alles haben für kleines Geld - das war ja einfach.

        Wo hat das nochmal nicht funktioniert und warum? Was waren die Nebenwirkungen solcher Setzungen? Ach, richtig.

        Aber Realität ist dröge und voll kapitalistisch, wenn man auch einfach nur fordern kann, und alle die das irgendwie nicht verstehen, dass magisches Wunschdenken angesagt ist sind voll destruktiv, neo-Ausbeuter und mal mindestens rechtspopulistisch. Drunter gehts nicht mehr.

        Meine Sorge ist: Problemlösungen in der realen Welt werden unmöglich, wenn der Realitätscheck zum optionalen Luxus verkommt, und simplifiziertes Wunschdenken das Maß der Dinge im Diskurs, und Maßstab politischen Handelns wird.

  • 1/3 der privaten Vermieter verliert mit Vermietung heute bereits Geld, ein weiteres 1/3 verdient nix....und da sollen die 6 Jahre nicht mal einen Inflationsausgleich bekommen? Was für ein Wahnsinn!!!

    • @Wombat:

      Einfach mal so behauptet. Beweise? Die meisten Vermieter saugen sich gut voll. Behaupte ich auch einfach mal.

    • RS
      Ria Sauter
      @Wombat:

      Was sind das für absurde Behauptungen.



      Gibt es dafür Belege? Bitte her damit!

    • @Wombat:

      Und 1/3 der Vermieter schreiben wirre, unbelegte 1/3 Rechnungen in die Kommentarspalten.