Wirtschaftslage in Deutschland: Energie im Porzellanladen
Deutsche Unternehmen sind im Krisenmodus, Ökonomen warnen vor dem Niedergang. Doch bei Kahla-Porzellan ist man wieder optimistisch: Ein Werksbesuch.
D as Förderband in der Rohfertigung steht still. „Schon wieder?“, fragt Daniel Jeschonowski. Der Inhaber und Geschäftsführer von Kahla ist ein durchtrainierter Typ Anfang 40 und auf Werksrundgang. Sein weißes Hemd ist faltenlos, seine Stirn gerade nicht.
Kahla ist ein mittelständischer Porzellanhersteller in Thüringen, seit fast 190 Jahren produziert man hier Geschirr. Die Mitarbeiterin am Band, eine Frau in blauem Pullover mit aufgedrucktem Kahla-Krönchen, seufzt. „Ich habe schon angerufen. Kommt gleich jemand.“
Das mit dem Förderband ist ärgerlich. Schuld sind jedoch nicht die hohen Energiepreise, sondern die unterschiedlich großen Rohlinge, die durch den gleichen Vorgang geschleust werden. Kriegt der hauseigene Techniker hin. Bei den Gaspreisen ist er hingegen machtlos.
Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sind die Energiepreise explodiert. Besonders russisches Erdgas wurde von der billigen Massenware zur teuren Rarität. Heute, fast ein Jahr nach Kriegsbeginn, fließt gar kein Gas aus Russland mehr durch die Pipelines nach Deutschland. Wichtigster Lieferant ist mittlerweile Norwegen.
Ökonom Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK)
Angst vor Deindustrialisierung
In Deutschland, wo Haushalte und Unternehmen vor dem Krieg zu mehr als 50 Prozent am russischen Tropf hingen, rechnete man vor einigen Monaten noch mit dem Schlimmsten. Produktionsrückgang, Verlagerung ins Ausland, Rezession, Massenarbeitslosigkeit. Ökonom:innen fürchteten aufgrund der steigenden Energiepreise und der daraus resultierenden Inflation eine gewaltige Krise der deutschen Wirtschaft.
Von einer Pleitewelle, enormen Produktionseinbrüchen und Deindustrialisierung war die Rede. Dem Porzellanhersteller Kahla, dessen Brennöfen mit Gas das ganze Jahr über 1.000 Grad erhitzt werden, drohte die Insolvenz. Jeschonowski erklärte im September dem MDR, sein Unternehmen werde die jetzige Situation nicht überleben.
Ihm ging es damals wie vielen anderen Betrieben: Der Gasanbieter hatte kurz zuvor gekündigt, einen neuen zu akzeptablen Bedingungen zu finden, schien kaum möglich. Kahla verbraucht 1,5 Millionen Kilowattstunden Gas pro Monat. Zum Vergleich. Ein Vierpersonenhaushalt verbraucht etwa 20.000 Kilowattstunden – pro Jahr. Im Nachbarort hat eine Porzellanfabrik wegen der hohen Gaspreise bereits dicht gemacht.
Noch vor zwei Jahren war die Kilowattstunde Gas für Unternehmen für 1 bis 2 Cent zu haben. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine verzehnfachte sich der Preis für langfristige Terminverträge. Inzwischen sinkt er zwar wieder, liegt aber weiterhin deutlich über dem Vorkriegsjahr.
Preisdeckel als Stabilisatoren
Die Berliner Ampel hat die Preise deshalb gedeckelt. Ab März müssen Industriekunden wie Kahla für Gas maximal einen Preis von 7 Cent pro Kilowattstunde zahlen, allerdings begrenzt auf 70 Prozent des vorherigen Verbrauchs. Für Privathaushalte und kleinere Betriebe ist der Preis für 80 Prozent des vorherigen Verbrauchs gedeckelt, sie müssen maximal 12 Cent zahlen. Die Differenz zum Marktpreis übernimmt der Staat. Für viele werden die Kosten trotz dieser Hilfe erheblich steigen.
Mit der Gas- und der ebenfalls eingeführten Strompreisbremse will die Bundesregierung Wirtschaft und Privatleute bis April 2024 vor finanzieller Überforderung bewahren. Diese Schritte seien richtig, sagt der Ökonom Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK).
„Die wirtschaftlichen Schocks, die der russische Überfall auf die Ukraine ausgelöst hat, sind auch in Deutschland hart und schmerzhaft, und sie sind längst nicht vorbei“, sagt er. Die Maßnahmen der Bundesregierung zeigten aber Wirkung. Die Energiepreisbremsen wirken wie „automatische Stabilisatoren“, sagt das IMK.
Daniel Jeschonowski, Chef des Porzellanherstellers Kahla
Beim Besuch bei Kahla im Winter deutet jedenfalls nichts auf Stillstand oder Abwicklung hin. Der Chef führt persönlich durch die luftigen, kühlen 60er-Jahre-Hallen – „Die kriegste einfach nicht warm“. Grund: Es wird weniger geheizt und es arbeiten weniger Menschen hier. Vor der Wende waren es mal 2.000 Beschäftigte, jetzt sind es noch 150, viele von ihnen Frauen. Zweimal schon stand Kahla kurz vor der Insolvenz, kurz nach der Wiedervereinigung und dann vor drei Jahren.
Nie wieder so billig wie früher
Der Hamburger Unternehmer Jeschonowski kaufte das Thüringer Unternehmen im März 2020. Er optimierte Abläufe, zog neue Qualitätskriterien ein, ließ Visitenkarten mit „unserer Mission und unseren Werten“ drucken. Der Chef sei schon ein bisschen verrückt, aber in Ordnung, sagt eine Mitarbeiterin. Er kenne alle mit Namen, kümmere sich und mähe im Sommer auch mal selbst den Rasen.
An Selbstbewusstsein mangelt es Kahla-Chef Jenschonowski ebenfalls nicht: „Wir kommen in Thüringen gleich nach Jenoptik und Bratwurst“, sagt er beim Rundgang. Später in seinem Büro sagt er einen ungewöhnlichen Satz: „Ich bin inzwischen mega optimistisch.“ Die Auftragsbücher seien voll.
Und die Gaspreisbremse nimmt während des Gesprächs die letzten parlamentarischen Hürden. Im März wird sie rückwirkend zum Januar in Kraft treten. „Mit einem Gaspreis von 7 Cent können wir leben“, meint der Porzellanhersteller. „Uns ist schon klar, dass Energie nie wieder so billig sein wird wie zuvor.“
Den düsteren Befürchtungen aus dem Herbst ist die Auffassung gewichen, dass die kommende Wirtschaftsflaute milde ausfällt. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) rechnet für 2023 mit einem Minus von 0,3 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt. „Das erste Quartal wird noch schwierig“, sagt BDI-Präsident Siegfried Russwurm.
Drei deftige Krisenjahre
Ab dem Frühjahr wird es nach den Erwartungen des Industrieverbands wieder aufwärts gehen. Die Bundesregierung ist zuversichtlicher. Sie geht in ihrem am Mittwoch vorgelegten Jahreswirtschaftsbericht von einem Wachstum von 0,2 Prozent im Jahr 2023 aus.
Alles gut also? So richtig zufrieden ist Jeschonowski dennoch nicht. Nach zweieinhalb Coronajahren ist das nun das dritte deftige Krisenjahr. „Es ist nun mal genug Krise.“ Eigentlich wollte er in diesem Jahr endlich schwarze Zahlen schreiben. „Hätte auch geklappt“, meint Jeschonowksi, „aber durch die Energiepreise haben wir voll in die Fresse bekommen.“
Dabei hat die Bundesregierung die Wirtschaft im vergangenen Jahr um 50 Milliarden Euro entlastet, im Jahr 2023 könnten es bis zu 130 Milliarden Euro sein – das hängt vom Gaspreis ab.
„Das ist entscheidend dafür, dass die deutsche Wirtschaft besser durch die Krise kommt als erwartet“, meint der Ökonom Dullien. Auch die privaten Verbraucher:innen hat man mal mit Tankrabatten, mal mit einer Energiepauschale und mal mit einer Abschlagszahlung bedacht – und so die Nachfrage stabilisiert.
Wichtigster Faktor: Planungssicherheit
Der Unternehmer Jeschonowski hält nicht viel von solchen pauschalen Geldgeschenken der Politik. Eigentlich gar nichts. Auch den Tankrabatt hätte er nicht wirklich gebraucht, das Geld hätten Bedürftige dringender gebraucht. „Was mir als Mittelständler wirklich weiterhilft, ist Planungssicherheit.“ Sollten die Energiepreise weiter um den Faktor 20 schwanken, „wird hier niemand mehr investieren“, glaubt er. Inzwischen steht er in der Glühbrandhalle, aus dem Schlund des langen, flachen Ofens glimmt es rötlich.
Die Schocks durch die explodierenden Energiekosten haben eine Wirtschaft getroffen, die sich noch nicht ganz von der Coronakrise erholt hat, sagt Ökonom Dullien. Die Gefahr einer Abwanderung von Unternehmen aufgrund hoher Energiepreise müsse deshalb ernst genommen werden.
In der jährlichen Konjunkturumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages vom Herbst gaben über 90 Prozent der Industriebetriebe die hohen Energiekosten als Geschäftsrisiko an, jedes zwölfte plant danach, die Produktion ins Ausland zu verlagern. Besonders häufig ist das bei Betrieben aus dem Kraftfahrzeugbau der Fall. In anderen Bereichen sind es weniger – denn oft ist eine Verlagerung technisch gar nicht möglich, etwa beim Bau, bei Dienstleistungen oder dem Handel.
„Wenn man nicht eingreift, ist die Gefahr einer Deindustrialisierung gegeben“, sagt Dullien. Denn es sei absehbar, dass Gas hierzulande teurer bleiben wird als in den USA. Dort hat die Regierung von Joe Biden mit dem Inflation Reduction Act ein Hunderte Milliarden schweres Förderprogramm zugunsten erneuerbarer Energien und der heimischen Wirtschaft aufgelegt.
Und ewig lockt das Ausland
China greift ebenfalls massiv zugunsten einheimischer Betriebe in den Energiemarkt ein. Das lockt Unternehmen an. „Man muss diesen Unternehmen klar kommunizieren, dass sie sich nicht auf den Staat verlassen können, wenn sie bestimmte Risiken eingehen“, sagt Dullien. Denn wenn China Taiwan überfällt, könnte ein Handelsboykott drohen. Auch ein bitter Handelskonflikt mit den USA, in dessen Zuge hohe Zölle für Importe fällig werden, ist nicht erst seit der Ära Donald Trump denkbar.
Dullien plädiert deshalb dafür, unter anderem die extrem energieintensive Stahlproduktion staatlich zu fördern. „Man muss sich klar machen, dass daran Wertschöpfungsketten hängen“, sagt er.
Viele Industriezweige sind auf Vorprodukte aus Stahl angewiesen, etwa die Autobranche oder der Maschinenbau. Rund 4 Millionen Arbeitsplätze hängen direkt oder indirekt an der Stahlbranche. Wandert die Herstellung ins Ausland ab, ist außerdem kaum Einfluss darauf zu nehmen, wie produziert wird – ob klimafreundlich oder -schädlich. Die Stahlherstellung ist weltweit für fast 10 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich.
In der Stahlindustrie führen die gestiegenen Energiepreise nach Angaben der Wirtschaftsvereinigung Stahl zu Mehrkosten von jährlich 3 Milliarden Euro. Im Jahr 2021 lag der Umsatz bei rund 41 Milliarden Euro. Die Branche hat schwere Jahre hinter sich. Früher war eine Jahresproduktion von weniger als 40 Millionen Tonnen Stahl Ausdruck von Krise, heute ist das normal. „Wir sehen Importsteigerungen aus Ländern und Regionen mit geringeren Energiekosten wie China oder Südostasien“, sagt Martin Theuringer, Geschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Stahl.
Zu viel Bürokratie?
Die Preisbremsen sind nach Auffassung des Verbands zwar ein wichtiger Schritt zur Überwindung der Krise. Allerdings seien die Strom- und Gaspreisbremsen auf einem Niveau, das gegenüber den Energiepreisen in anderen Ländern bei Weitem noch keine Wettbewerbsfähigkeit schaffe.
Hinzu komme, dass EU-rechtliche Vorgaben die Hilfe für energieintensive Branchen wie die Stahlproduktion konterkarierten, kritisiert der Verband. Bei Zuschüssen ab 150 Millionen Euro zum Beispiel schreibt die EU eine Einzelfallprüfung vor, deren Bedingungen bislang aber nicht klar sind. Außerdem sind Hilfen in dieser Größenordnung an einen Gewinnrückgang von 40 Prozent gekoppelt, was aufwendige Prognoseberechnungen oder Rückstellungen erforderlich macht.
„Die Hilfen sollten unbürokratisch erfolgen, aber das ist nicht der Fall“, sagt Theuringer. Es dauerte einige Monate, bis sich die deutsche Regierung dazu entschlossen hat, die Wirtschaft mit der Energiepreisbremse zu stützen – zu lang, monieren Kritiker:innen. Als Länder wie Italien, Großbritannien oder Griechenland schon das Deckeln der Energiepreise beschlossen hatten, diskutierten Politiker:innen hierzulande noch darüber, wie die Kosten per Gasumlage auf die Verbraucher:innen umzulegen wären.
Als der SPD-Parteivorsitzende Lars Klingbeil zusammen mit der Bundestagsfraktion im September im Chemiestandort BASF im brandenburgischen Elsterwerda zu Besuch war, nutzte der hiesige Vorstandsvorsitzende Jürgen Fuchs die Gelegenheit, den SPD-Politiker:innen zu erklären, dass die Gasumlage keine gute Idee sei.
Problem: energiefressende Branchen
Man habe die Produktion bereits heruntergefahren, die Anlagen seien nur zu 60 Prozent ausgelastet. Grund: Man sei zu teuer, besonders gegenüber der Konkurrenz aus den USA, sagte Fuchs in seiner Ansprache anstelle der sonst üblichen Unternehmenspräsentation. BASF betreibt in Schwarzheide ein eigenes Gaskraftwerk zur Energiegewinnung. Darüber hinaus gibt es eine Photovoltaikanlage. Aber die trägt nur minimal zum Bedarf bei. Chemie, Stahl – diese Branchen sind Energiefresser.
Bei BASF stellt man sich aktuell auch auf Entlassungen ein. Trotz Gaspreisbremse. „Bereits im Herbst hatte der Konzern ein Kosteneinsparprogramm mit Fokus auf Europa und insbesondere Deutschland angekündigt. Das werde auch mit einem Stellenabbau verbunden sein, heißt es auf Anfrage der taz. Die Details würden derzeit ausgearbeitet. Die Pressestelle beantwortet alle Fragen schriftlich. An einem persönlichen Gespräch zur Energiepreisthematik bestehe seitens der Geschäftsführung derzeit kein Interesse, lässt die Sprecherin ausrichten.
Die Zurückhaltung hängt möglicherweise auch mit dem gleichzeitigen Aufbau neuer Produktionsstätten in China zusammen. BASF will 10 Milliarden Euro in einen neuen Standort im südchinesischen Zhanjiang investieren, früher ein Fischerdorf, heute eine boomende Industriestadt.
Von einer Verlagerung der Produktion zu sprechen, entspreche jedoch nicht der Realität, so die BASF-Pressestelle. „Wenn wir in China investieren, geht es uns nicht um eine Verlagerung der Produktion, sondern um den Aufbau von Kapazitäten für den stark wachsenden Chemiemarkt in China“, heißt es. Bis 2030 würden mehr als zwei Drittel des weltweiten Wachstums der Chemieproduktion auf China entfallen und China werde die Hälfte der weltweiten Chemieproduktion ausmachen.
Neue Chinastrategie
Die von der Bundesregierung angestrebte vorsichtige Lösung aus der chinesischen Importabhängigkeit sieht anders aus. Nach dem russischen Angriffskrieg hatte die Ampel angekündigt, das Verhältnis zu China einer kritischen Revision zu unterziehen. Eine neue Chinastrategie soll in Kürze veröffentlicht werden. Die Großmacht, die ihre hegemonialen Ansprüche immer selbstbewusster und drohender formuliert, gilt inzwischen auch als Systemrivalin.
Hofft BASF, dass die Bundesregierung dem Chemiekonzern auch dann zur Seite steht, falls China Taiwan angreifen sollte? Solche hypothetischen Fragen werde man nicht kommentieren, antwortet BASF.
Unternehmer Jeschonowksi denkt nicht an eine Verlagerung seiner Produktion ins Ausland. Im Gegenteil. Gerade erst hat er einen Arbeitsgang aus Tschechien wieder nach Thüringen geholt. Vor kleinen Spültischen sitzen einige Frauen und kleben vorsichtig Abziehbilder auf Porzellanbecher. „Porsche, Dallmayr, Sacher – die bestellen alle bei uns“, sagt Jeschonowski stolz, nimmt einen Becher und streicht mit dem Daumen fast zärtlich über den Boden mit dem blauen Kahla-Stempel.
Dennoch hat er bereits Sparmaßnahmen ergriffen. Porzellan wird zweimal gebrannt – die Rohlinge im Glühbrand bei etwa 1.000 Grad und nach der Glasur im Glattbrand bei 1.200 Grad. Vor dem Krieg liefen die Öfen das ganze Jahr durch. Bereits seit Ostern hat Kahla die Abläufe umgestellt. Eine Woche wird gebrannt, danach auf Vorrat produziert und die Öfen sind für zwei Wochen aus. Dreißig Prozent Energie würde man so einsparen, berichtet der Unternehmer.
Gut für Klimaschutz
Warum man das nicht schon früher so gemacht habe? Jeschonowski breitet die Hände aus. „Das hätte sich bei den billigen Gaspreisen gar nicht gelohnt, die Öfen immer wieder hoch- und runterzufahren.“
Die Gaskrise hat also auch etwas Gutes. Sie zwingt die Unternehmen, Energie einzusparen. Was angesichts des Klimawandels und der Notwendigkeit, die Erderwärmung in den Griff zu bekommen, auch bitter nötig ist. Deutschland will bis 2045 komplett klimaneutral sein, Industrie und Verbraucher:innen sollen gar keine klimaschädlichen Treibhausgase mehr in die Atmosphäre blasen. Derzeit stößt die deutsche Industrie noch 120 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr aus.
Die deutsche Stahlindustrie macht sich auf den Weg, CO2-frei zu produzieren – ist allerdings noch ganz am Anfang. Sie wird gewaltige Mengen an Energie brauchen – und an Geld. „Das kann die Industrie nicht alleine bewältigen“, sagt Geschäftsführer Theuringer. „Sie braucht eine Anschubfinanzierung durch die Politik.“ Um die Produktion von 1 Million Tonnen Stahl umzustellen, muss 1 Milliarde Euro investiert werden.
Für eine klimaneutrale Produktion ist die zehnfache Menge des heutigen Strombedarfs erforderlich. Immerhin: Bis 2030 könnte die Stahlindustrie bis zu 50 Prozent ihres CO2-Ausstoßes reduzieren, wenn die Rahmenbedingungen stimmen – insbesondere was die Verfügbarkeit von „grüner“ Energie angeht.
Die Kurve zeigt nach oben
Auch im thüringischen Kahla will man künftig stärker auf Strom setzen. „Wir stellen um, wo es möglich ist“, sagt Jeschonowski. Ganz werde das wohl nicht gelingen. Beim Glattbrand sei eine bestimmte chemische Atmosphäre wichtig für die Glasur. Und für die brauche es Gas. „Aber wir werden künftig stärker dann produzieren, wenn Energie günstig ist – im Sommer, wenn das Gas billig ist und die Sonne scheint.“ Er bereite bereits Arbeitszeitkonten vor.
Jeschonowski klappt seinen Laptop auf und schaut auf die Umsatzprognose. Die Kurve zeigt nach oben. Auch einen neuen Gasanbieter hat er inzwischen. Jede Kilowattstunde CO2 wird kompensiert. Vielleicht, sagt er, gehe man sogar gestärkt aus dieser Krise.
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