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Wiedervereinigung und AfDDemokratie resonant machen

Ute Scheub
Essay von Ute Scheub

Was tun gegen rechts? Not täte die Erweiterung von Demokratie. In Ostdeutschland wurde ein grundlegender Fehler bereits am 19. April 1990 begangen.

Foto: Katja Gendikova

M anche Fehler rächen sich Jahrzehnte später. Wenn man in der ostdeutschen Geschichte nach Gründen für die starke Zustimmung zur AfD gräbt, stößt man unter anderem auf den 19. April 1990. Damals entstand ein Keim für das, was eine der wichtigsten Ursachen für den heutigen Rechtspopulismus ist: das Gefühl, Opfer der Verhältnisse zu sein, überrollt zu werden, nicht gehört und gesehen zu werden. Zu lange her, nicht erinnerlich?

In der Sozialpsychologie ist längst bekannt, dass es „Gefühlserbschaften“ gibt, die von einer zur nächsten Generation weitergegeben werden – oft sogar ohne große Worte, nur mit Gesten, Blicken, Haltungen. Zur Erinnerung: Auf Initiative der DDR-Opposition tagte von Ende 1989 bis zur ersten freien Volkskammerwahl in Berlin ein „runder Tisch“.

Ute Scheub

ist taz-Mitgründerin, freie Journalistin und Autorin von 25 Büchern. Zuletzt erschien „Zukunftsbilder 2045 – eine Reise in die Welt von morgen“.

Eine Arbeitsgruppe aus Ver­tre­te­r:in­nen der alten Macht und der neuen Bürgerbewegung entwarf eine Verfassung, die progressiver war als das Grundgesetz der Bundesrepublik: Sie enthielt erweiterte soziale Grund- und Menschenrechte sowie plebiszitäre Elemente. Die Präambel dafür formulierte damals die Schriftstellerin Christa Wolf; diese umfasste „Würde und Freiheit“, „gleiches Recht für alle“, „die Gleichheit der Geschlechter“ und den Schutz der „natürlichen Umwelt“.

Wäre das als neue gemeinsame Verfassung beider „Deutschländer“ verabschiedet worden, dann hätten die Ostdeutschen in der Wendezeit eine stärkere Verhandlungsposition gehabt und wir heute wohl viele Probleme weniger. Doch der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl und seine CDU waren nicht daran interessiert. Sie wollten die schnelle umfassende Machtübernahme.

Einheit und Deindustrialisierung

Schon bevor die DDR-Bürgerbewegung bei den Volkskammerwahlen am 18. März 1990 sehr schlecht abschnitt, brachte die West-CDU ihre ostdeutsche Schwesterpartei auf Linie. Und als die Au­to­r:in­nen im April 1990 ihren Verfassungsentwurf mit den neu Gewählten der Volkskammer diskutieren wollten, „wurde so getan, als sei er gar nicht da“, so die daran beteiligte Rechtsprofessorin Rosemarie Will.

Der Bürgerrechtler Gerd Poppe berichtete später dem Deutschlandfunk: „Leider sind diese Entwürfe gar nicht verteilt worden, mindestens in der CDU-Fraktion, aber ich glaube, auch nicht in der SPD-Fraktion.“ Poppe konnte nur eine Aktuelle Stunde der Volkskammer am 19. April durchsetzen, und in der fungierte die CDU-Abgeordnete Brigitta-Charlotte Kögler als Sprachrohr Kohls: „Wozu brauchen wir noch eine Verfassung? Wir gehen mit eiligen Schritten […] auf die Einheit zu.“

Die Einheit kam dann sehr schnell und mit ihr auch die Deindustrialisierung der DDR. Abertausende verloren ihren Job, fühlten sich gedemütigt und kämpften mit Existenzängsten. Alles sei neu und fremd gewesen, „bis zur Zahnpastamarke“, beschrieb die Psychoanalytikerin Annette Simon, Tochter von Christa Wolf, die Gefühlslage der Ostdeutschen. Es half dann auch nicht mehr, dass nach der Vereinigung auf Initiative von ost- und westdeutschen Bürgerbewegten nochmals eine Verfassungskommission eingesetzt wurde.

Die Regierung Kohl nahm deren Arbeit nicht ernst, alles versandete. Die so erzeugten Gefühle der Wut, des Opfersein und der Fremdbestimmung setzen sich bis heute fort. Das Soziologenteam Oliver Nachtwey und Carolin Amlinger hat für sein Buch „Gekränkte Freiheit“ mehr als 60 Tiefeninterviews mit Querdenkerinnen und AfD-Anhängern geführt. Sie legen dar, dass diese Menschen – vorwiegend ältere Männer – sich narzisstisch gekränkt und wütend fühlen, weil sie glauben, dass ihnen ihre individuelle Freiheit gestohlen wurde.

Kränkungen sind Nährboden für Rechtspopulismus

Die Wendezeit kommt im Buch allerdings kaum vor. Dabei ist unübersehbar: Das 1990 erzeugte Gefühl der Fremdbestimmung wandelte sich in mehreren Wellen immer stärker in Angst vor den Fremden. Migranten und Geflüchtete wurden zur Projektionsfläche von Verdrängtem. Viele wollten sich nicht eingestehen, dass sie selbst die schnelle Wiedervereinigung gewollt hatten – mit dem anschließenden flächendeckenden Bankrott der DDR-Wirtschaft.

Kränkung ist ein Kernressentiment der Rechts­populist:innen, Gekränkte sinnen auf Rache. Unabsichtlich hat etwa der frühere US-Präsident Barack Obama einmal dafür gesorgt, dass die Rache fürchterlich wurde. 2011 machte er nach Beobachtung des Journalisten Adam Gopnik bei einem Dinner im Weißen Haus den anwesenden Donald Trump so lächerlich, dass der völlig versteinerte – und offensichtlich in der Folge beschloss, selbst Präsident zu werden.

In Deutschland wäre das politische Klima von heute sicher besser, wenn die Wendezeit zum Anlass genommen worden wäre, unser ganzes politisches und wirtschaftliches System zu demokratisieren, einschließlich Bürgerbeteiligung und betrieblicher Mitbestimmung. Damals gab es eine große Sehnsucht nach echter erfahrbarer Demokratie, die sich nicht durch Zettelabwurf alle vier Jahre in eine Urne (!) erschöpft. Aber sie erfüllte sich nicht.

Nur deshalb konnte Raum frei werden für rechtspopulistische und rechtsradikale Führer, die allesamt behaupten: Wir verkörpern das Volk, wir kämpfen gegen die korrupte Elite. In der Demokratie spielt die Stimme eine entscheidende Rolle – sie beinhaltet ein Mindestmaß an Resonanz im Sinne von Widerhall: Regierte sollten sich von Regierenden gehört fühlen. Nichtresonanz produziert Wutbürger:innen, die sich nicht beachtet fühlen. Die rein parlamentarische Form der Demokratie aber erzeugt kaum mehr Resonanz.

Wider den Fraktionszwang

Im Bundestag und anderswo setzen sich nicht die besten Argumente durch, sondern es herrschen meist Parteienlogik und Frak­tions­zwang. Weil die Abstimmungsergebnisse von vornherein feststehen, sind die Debatten oft sterbenslangweilig. Und: So wie Unternehmen konkurrieren, so konkurrieren auch Parteien untereinander – oft mit Slogans, die sogar noch Waschmittelwerbung unterbieten und die meisten Menschen anöden.

Der Fraktionszwang – eigentlich grundgesetzwidrig, weil Abgeordnete nur ihrem Gewissen folgen sollen – sorgt dafür, dass die Regierungsmehrheit völlig unabhängig von Argumenten agieren kann. Und kaum kon­trol­lier­ter Konzernlobbyismus führt zu skandalösen politischen Entscheidungen. Wenn Frak­tions­zwang und Lobbyismus eingedämmt würden, dann würden Parlamentsdebatten endlich wieder lebendig. Mächtige Interessen würden zugunsten des Gemeinwohls ausgebremst.

Es gäbe noch weit mehr Möglichkeiten, Demokratie wieder resonant zu machen. Etwa durch die Einführung einer „Proteststimme“, die eine Person abgeben darf, wenn sie mit dem gegenwärtigen Angebot an Parteien und Kan­di­da­t:in­nen unzufrieden ist. Damit würde zumindest ein Teil der Stimmen für die AfD umgelenkt.

Elementar wäre die Ergänzung der parlamentarischen Demokratie durch direkte und konsultative Formen, durch Volksbegehren und Bürgerräte, die durch eine repräsentative Zufallsauswahl eine Art Minirepublik bildeten und Empfehlungen oder Bürgergutachten erarbeiteten. Die bisherigen Erfahrungen mit sieben bundesweiten und zahlreichen kommunalen und regionalen Bürgerräten sind durchweg positiv, die meisten Beteiligten äußerten sich hinterher begeistert.

Es braucht mehr Bürgerräte

Rechts­po­pu­lis­t:in­nen konnten sich dort bisher nirgendwo durchsetzen. Denn ganz anders als im Parlament hören sich Menschen in Bürgerräten gegenseitig zu. Wenn sich parlamentarische, konsultative und direkte Demokratie ergänzen, gelingt sogar die Befriedung großer gesellschaftlicher Konflikte. Im Auftrag des irischen Parlaments diskutierte 2013 eine Bürgerversammlung ein ganzes Jahr unter anderem über Homo-Ehe und Abtreibung.

Am Ende stimmten 77 von 100 Angehörigen der Bürgerversammlung für deren Legalisierung. 2015 hielt die Regierung darüber ein Referendum ab. 62 Prozent stimmten einer Verfassungsänderung zu. Und das wohlgemerkt im erzkatholischen Irland. Im ebenfalls katholischen Frankreich führte die Einführung der Homo-Ehe ohne vorherige Bürgerkonsultationen zu Protestdemonstrationen von Hunderttausenden.

Zugegeben, im Wahljahr 2024 sind solche Modelle nicht auf die Schnelle realisierbar. Es würde aber schon ungeheuer helfen, wenn die Regierungen auf Bundes-, Länder und kommunaler Ebene runde Tische für alle brennenden Probleme organisieren und Mitbestimmungsmöglichkeiten in Aussicht stellen würden. Rechtspopulistische Anführer sind damit nicht erreichbar, wohl aber ihre potenziellen Wähler:innen.

Diese brauchen dringend Räume, in denen sie Resonanz erfahren, in denen ihnen zugehört wird – was nicht gleichbedeutend ist mit Zustimmung. Es gibt inzwischen genügend gute Dialog- und Moderationsformate, die mittels vorheriger klarer Vereinbarungen dafür sorgen, dass Diskussionen konstruktiv bleiben – siehe Bürgerräte.

Grüne strichen Volksentscheide aus dem Programm

Viele Po­li­ti­ke­r:in­nen haben entweder aus Angst vor AfD und Co oder vor Machtverlust aber inzwischen genau den gegenteiligen Weg eingeschlagen. Die Grünen, lange Befürworter von bundesweiten Volksentscheiden, haben diese aus ihrem Programm gestrichen. Dabei zeigt das Beispiel Schweiz, wo mit der SVP auch eine starke rechtspopulistische Partei existiert: In mehr als 150 Jahren direkter Demokratie gab es bisher nur 20 Volks­ini­tia­ti­ven, die sich gegen Minderheitenrechte richteten, und nur vier wurden angenommen.

Und obwohl der inzwischen verstorbene CDU-Politiker Wolfgang Schäuble bundesweite Bürgerräte unterstützte, folgte ihm seine Partei nicht. „Unser Bürgerrat ist der Wahlkreis“, so der CDU-Abgeordnete Steffen Bilger. Damit wiederholt die CDU den Fehler von 1990 und verkennt völlig die Wut auf den übermächtigen Parteienstaat. In Wahlen entsteht genau dieses Gefühl nicht, das viele so dringend brauchen: Mir wird zugehört, ich werde gesehen. Deshalb das Wutkreuz vieler bei der AfD.

Am 19. April 1990 begann die Kränkung sich durch Ostdeutschland zu fressen: wisch und weg mit dem mühsam erarbeiteten Verfassungsentwurf. Runde Tische und Bürgerbeteiligungen auf allen Ebenen könnten die Demokratie wieder resonant machen, Kränkungen heilen und den Rechtspopulismus schwächen.

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25 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Volksentscheide verringern die Verantwortlichkeit der Abgeordneten, die dann so etwas wie den Brexit ans Volk delegieren können.



    Bitte nur in Systemen ohne Regierungswechsel (Bayern, Schweiz).



    Bei aller Sympathie für eine gemeinsame Verfassung wurde eben leider für Kohl/Maizière nach Art. 23 gestimmt: Marlboro, VHS und Golf GTI waren einfach zentraler als Ideale einiger.

    Ansonsten sind die rechts oben dargestellten drei Personen der ADis ja schon physiognomisch ostdeutsch lesbar.

    Wichtiger als Ost-West etc. bleibt die Klassen- und Machtfrage

  • Zum dem vielen hier schon gesagten!

    Aber mit Verlaub Frau Ute Scheub!



    Warum - bitte - benennen Sie denn zum



    zutreffend skizzierten ostdesaströsen Fehlstart Schland1990 - neben Helmut Kohl - nicht den wahren Drahtzieher brutalé - den taz-Buddy Wolfgang Schäuble nicht! Unabdingbar! Woll.



    Der die Kommissionen et al. in die Tonne gekloppt - systemwidrig den Beitritt forciert und durchgesetzt hat!



    Und - mir fiel am Tisch die Gabel aus der Hand - im Einigungsvertrag die Todespille “Rückgabe vor Entschädigung



    durchdrückte! (“Seid ihr verrückt geworden? Das ist der Todesstoß für die DDR und deren Wirtschaft!“ 🍴 zum Tischnachbarn & abgeordnet ins Innenministerium!)



    &



    kurz - Der! Vom Saulus zum Paulus???



    Kein Stück •

    unterm——Art. 23 Grundgesetz - GG -



    Während die Verhandlungen über den Einigungsvertrag (EV) liefen, entbrannten unter Verfassungsrechtlern sowie in der Öffentlichkeit der beiden damaligen deutschen Staaten heftige Diskussionen über den besseren Weg: einen Beitritt nach Artikel 23 Satz 2 GG oder eine staatliche Neukonstituierung nach Art. 146 GG. Im August 1990 votierte die Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) für den Beitritt nach Art. 23 GG; den Weg, den der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble bevorzugt hatte[14] und den auch Bundeskanzler Helmut Kohl als „Königsweg“ bezeichnete.…



    Art. 23 a.F. wurde nach Art. 4 Nr. 2 EV, der gemäß Art. 45 EV mit beiderseitiger Ratifikation am 29. September 1990 in Kraft trat, mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland, der am 3. Oktober 1990 wirksam wurde, aufgehoben.…“

    ps ZUR DIMENSION noch dies! Gelle.



    Als die Ossi-Vertreter in ihrer Freude zur anstehenden Wiedervereinigung von



    FRIEDENSVERTRAG - schwärmten!



    Wurden sie von den Wessi-Vertretern



    “Ja seid‘s denn wahnsinnig?!!!



    Dann ( = KRIEGSENDE!) - stehen SCHLAND - REPARATIONEN - in unkontrollierten Dimensionen ins Haus!



    NEJ TAK!



    &



    Dr 🥬 & Mielke auf Rädern - Eiderdaus! Richtig geraten!

    SO KAM ES AUCH •

    So geht das! Woll

    • @Lowandorder:

      "Rückgabe vor Entschädigung"

      Ja klar doch! Wer hätte die Entschädigungen denn bezahlen sollen? Angesichts der ohnehin zu erwartenden gigantischen Kosten wollte man das den westdeutschen Steuerzahlern aber nicht auch noch aufbürden.

      Dito Friedensvertrag und Reparationen.

      Manche Vorstellungen, die da so von Ostseite kamen, waren schlicht blauäugig.

      • @Schalamow:

        Na - Sie Wirtshausstratege - erst 🧠



        Einschalten! Danke.

        Der Effekt dieser Langzeittodespille - wa!



        Basiert doch darin - daß niemand investiert - in dem Wissen - es kann ihm irgendwer zackoflex den Stuhl unterm Arsch wegziehn! Gellewelle&Wollnich!



        ZB - der Familie meiner 1. Ex gehörten ganze Viertel im Stadt/Umland von Dresden! Die Grundbücher waren regelmäßig nicht geändet worden usw usf!

        kurz - Für BWL mag‘s ja mal gereicht haben - reicht hierfür aber nicht! Woll



        Mit Verlaub.

    • @Lowandorder:

      Nachklapp - weil mir wg sojet immer wieder auch und vor allem wg tazis ala



      “Chefinnen“ - der Kragen platzt!

      Glaubt hier irgendwer im around?!



      Daß ein Helmut Kohl 🥬 - das verfassungswidrige demokraiefeinliche



      BIMBESSYSTEM bis in den allerletzten



      CDU-Ortsverein - zuwege gebracht hat?



      Nein! Dieses für ein Impeachment glatt



      ausreichende über Geld Meinung steuernde Bimbessystem hat kein anderer als euer Buddy Wolfgang Schäuble gefingert! Hand drauf!

      Spiegelredakteur Jürgen Leinemann - ob er schon was ahnte? who know’s -



      Mokierte sich in seinem Kohl-Festure -



      Drei Stunden pro Tag 📞☎️ bis in den letzten CDU-Ortsverein!! Was man sich von Willy Brandt oder Helmut Schmidt wahrlich nicht vorstellen kann!!

      Heute wissen wir mehr! Aber euch ficht das ja alles & die Kette ist ja zudem wahrlich mehr als lang!



      Grexit zB - “… wer anderes von mir verlangt. Dann trete ich zurück!“Newahr



      Normal

      Na Mahlzeit

  • "Viele wollten sich nicht eingestehen, dass sie selbst die schnelle Wiedervereinigung gewollt hatten – mit dem anschließenden flächendeckenden Bankrott der DDR-Wirtschaft."

    Ich weiß nicht, ob hier nur schlampig formuliert worden ist, aber der Satz suggeriert Kausalzusammenhänge, die schlicht nicht stimmen. Die DDR-Wirtschaft war bereits 1989 bankrott und der Zusammenbruch zahlreicher Betriebe zahlreicher Betriebe nach der Wiederverinigung war die schlichte Folge davon.

    Gleichwohl hat sich im Osten - politisch fleißig bewirtschaftet von PDS/Die Linke - eine Art zweiter Dolchstoßlegende etabliert, wonach die Treuhand hunderte blühender und wettbewerbsfähiger Betriebe an Wessis verscherbelt und erst damit Hundertausende arbeitslos gemacht habe. Das Gefühl, Opfer eines übermächtigen Westens zu sein, hat hier seine Wurzeln. Es beruht aber auf einer Selbsttäuschung, auch, weil man das eigene Mitläufertum in der DDR nicht wahrhaben will.

    • @Schalamow:

      Es ist ziemlich unumstritten, dass viele Betriebe im Osten sehr wohl konkurrenzfähig waren.

      • @Kaboom:

        Nach Einschätzung der Treuhand waren ca. 31% der DDR-Betriebe wettbewerbsfähig deutsche-einheit-1...schaft-im-umbruch/

        D.h. mehr als 2/3 waren es nicht bzw. nicht in ihrem damaligen Zustand. Klar, es gibt ja auch Betriebe, die überlebt haben.

        Mein Kommentar bezog sich allerdings auf den Zustand der gesamten DDR-Volkswirtschaft. Dass dieser desaströs war, ist wiederum ebenfalls unstrittig.

        Mein eigentlicher Punkt ist aber ein anderer: Was mich stört, sind diese politischen Legendenbildungen, von denen heute eben die AfD profitiert. Die beruhen aber auf massiven Geschichtsklitterungen, die immer mehr Auftrieb erhalten. Geradezu als Geschäftsmodell betreibt so etwas bspw. die "Berliner Zeitung", herausgegeben bekanntlich von einem ehem. Stasi-Spitzel, .

        • @Schalamow:

          Na da schau her! Einroll & nochens

          Die Einschätzungen der Treuhand?!



          Mach Bosse! Gelle.



          Einschätzungen pro domo einer kriminellen Vereiningung! Newahr.



          Die waren vorrangig - etwas anders als Mielke auf Rädern - an den Briefumschlägen interessiert! Woll

          Ein selfmademan & lange geschätzter ehrenamtlicher Richter schilderte das so



          “Na ich wußte - ich hatte das beste Angebot. Is ja alles klar und da zögerte er‘s doch noch hinaus!



          Ich wusste genau - was der wollte: den Umschlag! Nix! - Ne halbe Stunde später - es hätte sich doch anders ergeben!

          So geht das - Alter!

          unterm—— entre nous but not only



          “Rowedder?! Da hatte ich echt klammheimliche Freude!“ “Büst verrückt?!“ Ein Mitschüler erzreaktionäres Elternhaus - RA & Notar



          in Berlin, “Hör auf! Ich weiß was ich sage! Hab jahrelang das zweifelhafte Vergnügen mit diesen Berufskriminellen

          Laß es mal dabei bewenden. Ein Café Gast - als RA von Anfang dabei - da zieht‘s dir endgültig die Schuhe aus!



          Nix für hier! Newahr.



          Normal Schonn

          • 9G
            95820 (Profil gelöscht)
            @Lowandorder:

            Preisdiktat durch Monopol auf der Käuferseite... führt schnell zur Pleite.

      • @Kaboom:

        …anschließe mich -

        btw richtig ist - daß trotz aller Erfolge - ua wg Comecon als Aderlaß permanent - die DDR-Wirtschaft bereits mittte der 60er begann - von der Hand in den Mund zu leben - das ruiniert auf Dauer im Gesamtfeld.

        unterm ——



        Der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (kurz RGW; russisch Совет экономической взаимопомощи Sowet ekonomitscheskoi wsaimopomoschtschi, kurz СЭВ; englisch Council for Mutual Economic Assistance, kurz CMEA oder Comecon) war eine internationale Organisation von sozialistischen Staaten unter Führung der Sowjetunion.



        de.wikipedia.org/w...e_Wirtschaftshilfe

  • Warum wird "Deindustrialsierung" immer so verteufelt und Industrialisierung mit "Wohlstand" gleichgesetzt?



    Rational betrachtet haben wir unsere massiven Umweltprobleme doch der Industrialisierung zu " verdanken".



    Und so richtig glücklich macht der Wohlstand in der Neid - und Giergesellschaft auch nicht, egal unter welcher politischen Ausrichtung!

  • Ein hervorragendes Beispiel einer politischen Theorie, die das Ausland vollkommen ignoriert. Wie sind denn die Postfaschisten in Italien an die Macht gelangt, so ganz ohne Wiedervereinigung? Hätte eine neue Verfassung die USA vor Trump bewahrt? Könnte mehr betriebliche Mitbestimmung Ungarn von Orban befreien?



    Die Studie mag verdienstvoll sein, um die Gefühle von Ostdeutschen zu erhellen, eine brauchbare Theorie für eine bessere Politik liefert sie nicht. Ich würde auch eher vermuten, dass viele Ostdeutsche sich voller Vorfreude auf die (besonders wirtschaftlichen) Verheißungen des Westens gefreut hatten und sich anpassen wollten, aber von der erfahrenen Realität enttäuscht wurden. Die narzisstische Kränkung stimmt wahrscheinlich, das ist dann aber auch schon die ganze Erkenntnis.



    Politik kann die Realität nicht verhindern, sie sollte aber versuchen, den Menschen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten besser zur Seite zu stehen. Allein: Es mangelt an sozialer Politik!

  • Die hier gerühmte Bürgerbewegung (bzw. deren Vertreter) hatte mit ihren Ideen keine hinreichende Basis in der damaligen DDR, wie die Wahlen deutlich gemacht haben. Dies nach 34 Jahren zu bedauern…wem hilft es?



    Die Personen, die sich heute (leider) nach rechts orientieren mit „gekränkten Gefühlen“ erklären zu wollen, ist sehr simpel, dient zu sehr der folgenden Argumentation für Bürgerräte. Ist es nicht so, dass die offensichtlichen Verlierer (Gekränkten) der Wiedervereinigung vor allem die Profiteure des Unrechtssystems waren?



    Das Thema ist wichtig aber komplex. Der Bezug zu Bürgerräten wirkt nicht logisch.

  • Mehr Mitbestimmung ist doch politisch gar nicht gewollt. In der repräsentativen Demokratie ist es doch ausreichend alle 4 Jahre sein Kreuz zu machen, anscheinend würde mehr den Bürger überfordern.

    Selbst kleine Fortschritte sind nicht zu erkennen, wie Wahlrecht ab 16 bei Bundestagswahlen und Wahlrecht für Menschen mit Migrationshintergrund und ständigem Erstwohnsitz, da liegen sinnvolle Projekte wie Bürgeräte noch ausser Reichweite. Von Volksentscheiden ganz abgesehen.

  • "Doch der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl und seine CDU waren nicht daran interessiert. Sie wollten die schnelle umfassende Machtübernahme."



    Und die Mehrheit der Ostdeutschen wollte mehrheitlich einen ebensolchen Kohl. Seine Ergebnisse waren in Ost besser als in West. Die mutigen DDR-Ippositionellen, die für all das standen, was hier als gerechtere und demokratischere Alternativentwicklung angemahnt wird, haben nur wenige Prozent Zustimmung bekommen.



    Und als Der Große Dicke König dann nicht das Paradies brachte, waren sie alle Opfer.



    Das soll keineswegs die vielen richtigen Gedanken des Artikels schmälern, aber es gehört zur bitteren Wahrheit dazu.

  • Die Gedanken über die Einheit und deren Ausgestaltung sowie mit den Bürgern, die diese für uns erkämpft haben haben, da kann ich nachvollziehen, viele Verletzungen



    hervorgerufen.



    Danke für den Artikel, er gibt nicht nur viele politische Anregungen, sondern macht auch verständlicher, warum Bürger aus dem Osten so wählen ....

  • Die AFD ist auch in Bundesländern im Westen stark, nur sind die anderen Parteien hier stärker. Das ist der Unterschied, zum anderen ist es Demographie und Struktur. Im Osten leben mehr alte, mehr Arme, mehr Männer, weniger Migranten etc. Bei ähnlicher sozialer Gemengelage ist die AFD im Westen auch stark.

    • @Machiavelli:

      Und jetzt mal zurück in die reale Welt: Im Westen gibt es in vielen Regionen wesentlich schlechtere Rahmenbedingungen wie im Osten. Mehr als doppelt so hohe Arbeitslosigkeit, wesentlich schlechterer Zustand der Infrastruktur, wesentlich höhere Mieten, etc. pp.



      Und trotzdem ist die AfD in diesen Regionen nicht annähernd so stark wie im Osten.

    • @Machiavelli:

      Danke, treffende Einordnung.



      Demokratie ausweiten ist trotzdem ein guter Vorschlag. Ich habe dabei aber auch an ein Wahlrecht für Ausländer:innen und Minderjährige gedacht. Meinetwegen ist Ersteres aufgrund des Volksbegriffs im GG derzeit für die Parlamentswahlen verfassungswidrig. Nichts hindert den Gesetzgeber aber daran, auch ohne Verfassungsänderung ein Gremium einzurichten, das parallel zur BT-Wahl von den in D lebenden Ausländer:innen gewählt würde und den BT beriete sowie sich zu politischen Themen öffentlich äußerte. Und in bestimmten Fragen (Ausländerrecht) vom BT angehört werden müsste.



      In diesem Sinne: No taxation without representation!

  • Danke für diese sehr gut Analyse.. Die gleichzeitig ein Plädoyer ist, für mehr Demokratie, eine andere Gesprächskultur und nicht zuletzt mehr Elemente von direkter Demokratie..

    Ich hoffe, dass sich trotz (oder gerade wegen) der Schwierigkeiten dies in gelebte Demokratie zu über führen, daraus ein nachhaltiger Diskurs entwickelt.

    Auch mir ist in letzter Zeit klar geworden, daß die sog. Wiedervereinigung den Namen nicht verdient. Was in 1990 passiert ist, war eher ein Anschluss. Was in der Zwischenzeit passiert ist, war also eher eine Angleichung der Lebensverhältnisse auf wirtschaftlicher Ebene. Die eigentliche Wiedervereinigung (die die Herzen der Menschen wirklich einbezieht..) steht noch aus.. Aber dafür ist es nie zu spät. Lasst uns also ins Gespräch kommen..Gräben überbrücken..und vor allem: hören wir einander wirklich zu. An jedem Ort, in den Parlamenten..von Ost nach West und West nach Ost..

    Und wem das zu weit ist, hier eine schöne Möglichkeit für jede/n sofort damit zu beginnen:

    hören sie doch mal rein in die sog. freien Radios..aus Sachsen..Schleswig Holstein..Thüringen...Baden Württemberg..usw..

    de.m.wikipedia.org/wiki/Freies_Radio

  • Entschuldigung, aber das ist wirklich Unsinn! Die Leute wählen AfD, weil sie Rassisten sind, weil sie Angst vor allem haben, was anders ist, weil sie Veränderungen nicht ertragen können, weil sie dumm sind und voller Hass. Diesen Menschen ist doch völlig egal, ob sie eine Verfassung von 1990 oder von 1949 haben. Ihre Vorstellung von Demokratie besteht darin, dass das Volk homogen so wäre wie sie und deswegen alles nach ihrem Willen gehen muss.



    Die Betriebe im Osten wären nach 40 Jahren kommunistischer Misswirtschaft und Gängelung durch die Sowjetunion bei jeder Verfassung marode gewesen Die Wirtschaft hätte so oder so neu aufgebaut werden müssen, mit allen daraus entstehenden Brüchen - und Chancen, die bei der Opfererzählung der Ostdeutschen so gerne vergessen werden.



    Dass die AfD und andere Rechte und populistische Parteien im Osten etwas stärker sind als im Westen, hat demographische Gründe, viele jüngere, viele hoch qualifizierte und viele Frauen sind in den Westen gegangen, so dass demographische Gruppen überrepräsentiert sind, bei denen überall in Deutschland die AfD relativ stark ist. Dazu kommt, dass im Westen praktisch alle in der Demokratie aufgewachsen sind, während die Älteren im Osten Demokratie nach vielen Jahren kommunistischen Propaganda erst lernen mussten- und das nicht immer getan haben.



    Wenn wir mal aufhören, die neuen Länder mit den alten zu vergleichen, sondern den viel sinnvolleren Vergleich mit Ländern anstellen, die eine ähnliche Geschichte haben, mit Polen, Ungarn oder Russland, stellen wir fest, dass diese trotz Verfassungen, die in den 90ern eingeführt wurden, viel stärkere rechte und antidemokratische Kräfte haben.



    Die Wahlergebnisse von 1990 zeigen ziemlich klar, dass die Mehrheit im Osten - gerade auch diejenigen, die heute AfD wählen - kein Bürgerrechtlerexperiment wollten, sondern genau das, was det Westen hatte.



    Man hat 1990 aus gutem Grund auf Plebizute verzichtet, der Erfolg der Populisten bestätigt dies eigentlich.

    • @Ruediger:

      "Entschuldigung, aber das ist wirklich Unsinn! Die Leute wählen AfD, weil sie Rassisten sind, weil sie Angst vor allem haben, was anders ist, weil sie Veränderungen nicht ertragen können, weil sie dumm sind und voller Hass."

      Ich finde den Erklärungsversuch auch zu verkopft aber wenn es so einfach wäre, wie Sie schreiben, hätten die AfD-Wähler vorher alle NPD und Co gewählt und nicht z.B. die Linkspartei.

    • @Ruediger:

      Ich bin geneigt, dem zuzustimmen. Das Entscheidende steht ja auch in dem Beitrag oben:



      "Viele wollten sich nicht eingestehen, dass sie selbst die schnelle Wiedervereinigung gewollt hatten – mit dem anschließenden flächendeckenden Bankrott der DDR-Wirtschaft."



      Die Bürgerrechtsgruppen, die an einer neuen Verfassung gearbeitet haben und teilweise ja auch davon träumten, die DDR als eine echte sozialistische und demokratische Alternative zur BRD zu bewahren, waren ja selber eine intellektuelle Elite und Minderheit, die mit ihren Ideen in der Mehrheitsgesellschaft der DDR überhaupt keine Mehrheit hatte. Ich bezweifle stark, dass dieser Personenkreis also diese Minderheit der Intellektuellen der DDR, heute AFD wählt und zu Wutbürgern mutiert ist. Ich vermute eher, dass es eben genau die sind, die sich heute nicht eingestehen wollen, dass ihr Traum von westlichen Wohlstand und der Vorstellung, dass jetzt mal das gemacht wird, was sie sagen, so nicht in Erfüllung gegangen ist. Das ist im Grunde genommen ein zutiefst spießbürgerlicher, reaktionärer Menschentyp, der nicht damit klarkommt, dass Menschen, die nicht so sind wie sie selbst, auch Rechte und Wohlstand genießen dürfen.

      • @Bussard:

        Als kleine Ergänzung zu ihrer treffenden Analyse :

        Ein klareres Profil ergibt sich, wenn man die Einstellungsmerkmale der Wählerschaft betrachtet. Die AfD-Wähler weisen hier zum einen im Vergleich zu den anderen Wählern ein wesentlich höheres Unzufriedenheitsniveau, zum anderen eine größere Nähe zu rechtsextremen Überzeugungen auf. Protest- und Einstellungswahl gehen bei der AfD insofern Hand in Hand und decken sich mit dem Selbstverständnis einer "Anti-Establishment-Partei". Am deutlichsten ablesbar sind die Unterschiede zur politischen Konkurrenz bei der Bewertung der Migrations- und Flüchtlingspolitik.

        Im Osten ist sie in ländlichen Regionen stark, die unter Abwanderung leiden und ökonomisch abgehängt zu werden drohen. Arbeiter und Arbeitslose sind unter den Wählern zwar überdurchschnittlich vertreten, machen aber nur ein Viertel der AfD-Gesamtwählerschaft aus, während die übrigen drei Viertel auf Angestellte, Beamte und Selbständige entfallen. Auch bei den formalen Bildungsabschlüssen dominieren die mittleren Ränge.

        Quelle Bundeszentrale für politische Bildung