Volkskammerwahl am 18. März 1990: Eine Frau der wilden Zeit
Dörte Martini zum Berge war CDU-Abgeordnete der letzten DDR-Volkskammer, die vor 25 Jahren gewählt wurde. Sie hatte anfangs nicht mal ein Büro.
BERLIN taz | Der Trabi war für ein paar Wochen ihr Kleiderschrank und ihr Büro. Als Dörte Martini zum Berge von Dresden, wo sie am 18. März 1990, heute vor 25 Jahren, für die CDU in die 10. Volkskammer der DDR gewählt wurde und nach Berlin zog, hatten die meisten der 400 Abgeordneten der ersten frei gewählten DDR-Volksvertretung nicht mal ein Büro.
Am Anfang wohnte Martini zum Berge in wechselnden Berliner Hotels, später teilte sie sich ein Doppelzimmer in einem ehemaligen Stasi-Wohnheim. Es gab kein Telefon, dafür Berge von Papier. „Es war eine wilde Zeit“, sagt die heute 71-Jährige.
Die Kandidatinnen und Kandidaten der letzten DDR-Volkskammer hatten gerade mal ein paar Wochen Zeit für den Wahlkampf. Martini zum Berge fuhr mit dem Trabi durch die Gegend, klebte Plakate und stand auf Marktplätzen. Sie war kaufmännische Angestellte und in einer kommunalen Verwaltung in Dresden zuständig für deren Finanzen.
In Berlin wurde sie Mitglied im Ausschuss für Handel. Der hatte unter anderem die Aufgabe zu kontrollieren, warum bestimmte Waren nicht dort ankamen, wo sie ankommen sollten. Schuhe zum Beispiel. Die blieben in den Depots, weil das jemand so angeordnet hatte. „Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen“, sagt Martini zum Berge.
Vorstellen kann man sich heute auch nicht mehr, dass manche damalige Abgeordnete nicht wussten, worauf sie sich einließen, als sie sich zur Wahl stellten. „Plötzlich waren wir Berufspolitiker, damit hatten viele gar nicht gerechnet.“ Sie mussten sich entscheiden: Job oder Politik.
Martini zum Berge entschied sich dafür, den Beruf „ruhen zu lassen“. Sie ahnte, dass die letzte Volkskammer nicht lange existieren wird. Gerechnet hatte sie mit „wenigstens zwei Jahren“. Es waren dann gut acht Monate, bis zum 2. Dezember 1990. An diesem Tag wurde der erste gesamtdeutsche Bundestag gewählt.
Zurück in Dresden, blieb die Christin, die seit 1968 Mitglied der CDU ist und nach der Wende oft als Blockflöte beschimpft worden ist, der Politik treu. Sie engagierte sich im Ortsverein Dresden-Schönfeld-Weißig, unter anderem als Schatzmeisterin. Jetzt ist sie Rentnerin und pflegt Angehörige.