Weniger Dienstreisen nach der Pandemie: Videokonferenzen schonen Klima
Die Coronakrise hat Videokonferenzen zum Durchbruch verholfen. Künftig könnte ein Drittel der Geschäftsreisen wegfallen, so eine Studie.
In Deutschland wurden 2019 nach Regierungsangaben 805 Millionen Tonnen Treibhausgase ausgestoßen, davon 12 Millionen Tonnen durch Dienstreisen. 2019 fanden 195 Millionen beruflich begründete Reisen statt. Für die meisten wurden ein Auto oder Flugzeug genutzt. In der Coronakrise ist die Zahl der beruflich bedingten Touren nach Angaben des Reiseverbands VDR gegenüber 2019 um drei Viertel eingebrochen. Viele wurden durch Videokonferenzen ersetzt, wie die Untersuchung des Borderstep Institut zeigt. „Videokonferenzen sind seit 20 Jahren möglich, aber erst durch die Pandemie haben sie sich im Geschäftsleben fest etabliert“, sagte Studienautor Jens Clausen bei der Vorstellung der Untersuchung – in einer Videokonferenz.
Für die Studie hat das Institut 500 Geschäftsreisende befragt, die 2019 mindestens eine Dienstreise unternommen hatten. Bis zum Ausbruch der Coronakrise hatten 68 Prozent von ihnen noch keine oder kaum Erfahrung mit Videokonferenzen. Im vergangenen November waren es nur noch 27 Prozent. Zu diesem Zeitpunkt nahmen drei Viertel der Befragten mindestens einmal in der Woche an einer Videokonferenz teil, 30 Prozent täglich oder fast täglich. Als positiv bewerteten die Befragten durchweg die Zeitersparnis, als negativ den fehlenden Kontakt zu Kolleg:innen.
Die Befragten gehen davon aus, dass nach der Pandemie deutlich weniger dienstliche Trips stattfinden als vorher. Clausen rechnet damit, dass im Vergleich zu 2019 etwa ein Drittel der Geschäftseisen dauerhaft durch Videokonferenzen ersetzt wird. Für Unternehmen ist das attraktiv, weil sie Reisekosten sparen.
Wie klimafreundlich Homeoffice ist, ist unklar
Die Klimaeffekte sind groß: Zwei Geschäftsleute, die zu zwei Gesprächspartnern von Stuttgart nach Berlin reisen, verursachen bei der Anreise mit dem Flugzeug 470 Kilogramm CO2-Emissionen, mit dem Pkw 380 Kilogramm und mit der Bahn 65 Kilogramm. Führen die vier das Gespräch dagegen in einer Videokonferenz am PC, liegt der Treibhausgasausstoß bei 1,10 Kilogramm, am Laptop bei 0,80 Kilogramm. „Schon bei einer Anreise von 5 Kilometern mit dem Auto rechnet sich eine Videokonferenz für das Klima“, sagte VCD-Verkehrsexperte Michael Müller-Görnert. Um den Corona-Effekt bei Geschäftsreisen zu verstetigen, fordert der VCD unter anderem die Anpassung der Reise- und Datenschutzrichtlinien von Unternehmen. Außerdem müsse der Gesetzgeber die steuerliche Förderung von Dienstwagen abschaffen – denn damit werden viele Geschäftsreisen unternommen.
Videokonferenzen ersetzen nicht nur Dienstfahrten, sondern ermöglichen auch das Arbeiten in den eigenen vier Wänden. „Ob Homeoffice wirklich zu weniger CO2- Ausstoß führt, lässt sich noch nicht klären“, sagte Studienautor Clausen. Durch Pendeln vermiedene CO2-Emissionen könnten an anderer Stelle entstehen, etwa durch stärkeres Heizen zu Hause.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten