Wasserstoff-Strategie der Ampel: Ein gewaltiger Kraftakt
Dass die Bundesregierung in Deutschland eine echte Wasserstoffwirtschaft aufbauen will, ist eine gute Idee. Nur könnte das länger dauern als geplant.
E ine gigantische Aufgabe ist das. Die Wasserstoffwirtschaft, die die Bundesregierung aufbauen will, ist heute quasi nicht vorhanden. Und übermorgen soll sie schon fertig sein. Bis zur geplanten Klimaneutralität 2045 sind es nur 22 Jahre. Vergleichbar ist dieser Kraftakt mit dem Bau der unterirdischen Wasser- und Abwasserleitungen im 19. Jahrhundert.
Deshalb hat die Regierung die Ziele in ihrer neuen Wasserstoffstrategie hochgesetzt. Denn das Gas soll eine zentrale Rolle in der nichtfossilen Zukunft spielen – als chemischer Grundstoff etwa in der Stahlindustrie, als klimaneutrale Energiequelle und als Speichermedium. Damit das überhaupt klappt, sollte man keine Farbenideologie der Wasserstoffsorten betreiben. „Grüner“ Wasserstoff, der mit Ökostrom hergestellt wird, ist zwar die Ideallösung. Aber auf dem Weg dorthin könnte beispielsweise auch aus fossilem Erdgas produzierter „blauer“ Wasserstoff eine Rolle spielen.
Das ist kein Beinbruch. Die neue Energiewirtschaft muss erst einmal ins Laufen kommen. Viele Elektroautos fahren heute teilweise auch mit fossilem Strom. Entscheidend ist, dass man diese Übergangsphase begrenzt. Jetzt geht es um den Startschuss – die ersten großtechnischen, staatlich mitfinanzierten Investitionen, wie den gas- statt kohlebefeuerten Hochofen von Thyssenkrupp in Duisburg. Oder den Bau der ersten Wasserstoffleitungen, die die Industriebetriebe miteinander verbinden.
Die durchschnittliche Wohnsiedlung in Deutschland wird weit von diesen wenigen Trassen entfernt liegen. Für die meisten Hausheizungen spielt Wasserstoff deshalb keine Rolle. Ähnliches gilt vermutlich für den Pkw-Verkehr. Schätzungsweise bleibt das neue Gas lange Zeit so knapp und teuer, dass es vor allem Lkws, Schiffe oder Flugzeuge antreiben kann. Wenn immerhin das gelingt, wäre schon viel gewonnen. Gut möglich aber, dass das alles ein bisschen länger dauern wird als bis zum Jahr 2045.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen