Warnstreiks im öffentlichen Nahverkehr: Es muss leider sein
Gewerkschaften und KlimaaktivistInnen machen gemeinsam Druck für bessere Arbeitsbedingungen im ÖPNV. Das ist gut so.
W enn Busse und Bahnen wegen eines Streiks nicht fahren, ist das alles andere als schön. Für Millionen von Menschen ist ein funktionierender öffentlicher Nahverkehr extrem wichtig. Funktioniert er nicht, wird es nervig oder teuer, wenn das Taxi unvermeidlich ist. Nicht jedeR kann aufs Auto oder Rad umsteigen. Aber: Gerade weil der ÖPNV für viele unverzichtbar ist, sind die Warnstreiks der Beschäftigten an diesem Dienstag richtig und wichtig.
Nur wenn die MitarbeiterInnen im öffentlichen Nahverkehr gute Arbeitsbedingungen haben, gibt es überhaupt die Option, mehr Verkehr auf Busse und Bahnen zu verlagern. Denn irgendwer muss den Betrieb aufrechterhalten und die Fahrzeuge fahren, und zwar auch nachts und am Wochenende.
Die Belegschaften haben ein hohes Durchschnittsalter, in den kommenden Jahren werden viele MitarbeiterInnen in den Ruhestand gehen. Der Personalbedarf ist groß, um den Status quo zu erhalten. Soll das Angebot ausgebaut werden, ist er riesig – und nur mit guten Arbeitsbedingungen und einer besseren Bezahlung zu decken.
Den AktivistInnen von Fridays for Future und etlichen Umwelt- und Jugendverbänden, die sich mit den Warnstreikenden solidarisch erklärt haben, ist das klar. Ihre Unterstützung ist für die Beschäftigten und ihre Gewerkschaft wichtig. Abgesehen davon, dass die AktivistInnen mit ihrem Anliegen völlig recht haben, dass der ÖPNV aus Klimagründen gestärkt werden muss. Sie leisten auch einen großen Beitrag dazu, dass sich die Stimmung nicht gegen die Streikenden dreht. Denn es gibt viele Fahrgäste und BeobachterInnen, die gar kein Verständnis für einen Warnstreik in Coronazeiten haben.
Berechtigte Forderung
Nur: Den Beschäftigten bleibt angesichts der hartleibigen öffentlichen Arbeitgeber keine andere Wahl, als sich jetzt mit aller Kraft für ihre Interessen einzusetzen. Die Coronakrise schafft an vielen Punkten Fakten. Wollen die Leute im ÖPNV mit ihrem Anliegen nicht vorschnell abgehakt werden, müssen sie jetzt etwas tun.
Der Unmut sitzengelassener PassagierInnen sollte sich statt gegen die Streikenden gegen die öffentlichen Arbeitgeber richten. Die sind nicht einmal bereit, über eine bundesweite Angleichung etwa der Urlaubstage zu sprechen. Verdi will den Einstieg in eine schrittweise Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Das ist eine berechtigte Forderung.
Denn es ist nicht einzusehen, dass die einen 26 Tage Urlaub haben und die anderen 30 Tage. Oder dass eine BusfahrerIn in Brandenburg knapp 2.100 Euro Einstiegsgehalt hat, in Baden-Württemberg aber fast 3.000 Euro. Solange sich die öffentlichen Arbeitgeber dagegen sperren, über mögliche bundesweite Vereinheitlichungen überhaupt zu reden, muss es weiteren Druck geben. Dass KlimaaktivistInnen und GewerkschafterInnen den gemeinsam aufbauen, ist der richtige Weg.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt