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Waldberater über Wasser in Kolumbien„Der Niedergang ist entsetzlich“

Dehydrierte Kühe und eingehende Kaffeepflanzen: In Kolumbien kämpfen Bauern gegen Klimawandel und Wasserknappheit. Lorenzo Mora Bautista hilft ihnen.

Der die Sierra retten will: Lorenzo Bautista Foto: Charlie Cordero
Katharina Wojczenko
Interview von Katharina Wojczenko

Wie können die einzigartigen Wälder und Wasserquellen der Sierra Nevada de Santa Marta in Kolumbien geschützt werden? Der Umweltschützer Lorenzo Mora Bautista (37) hat einige Umweltprojekte mit internationalem Geld scheitern sehen – und weiß aus Erfahrung, wie es besser geht. Zum Beispiel, wenn man die Bauern bei der Liebe zu ihren Kühen packt.

Taz: Kolumbiens Küstengebirge Sierra Nevada de Santa Marta ist einmalig auf der Welt in Sachen Artenvielfalt. In ihm entspringen auch mehr als 30 Flüsse, und 1,5 Millionen Menschen hängen vom Wasser der Sierra ab. Doch Klimakrise und illegale Abholzung bedrohen sie massiv. Viele Umweltprojekte haben versucht, das zu ändern. Wie bewerten Sie deren Ergebnisse?

Lorenzo Mora Bautista: Es fehlt vor allem an Methodik zur Bildung, damit sich die Bauern die Projekte aneignen. Viele Gelder der internationalen Zusammenarbeit zum Umweltschutz oder zur Rückgewinnung des Wassers gehen an Institutionen, die nur sehr einfache, oberflächliche Projekte umsetzen – zum Beispiel tausende Bäume pflanzen. Aber sie erklären den Leuten nicht, welche Vorteile das für sie hat. Es reicht nicht, den Leuten zu sagen, dass Wasser wichtig ist.

Schwindender Wald

Allein 2020 haben Waldbrände im unteren Bereich der Sierra mindestens 200 Hektar tropischen Trockenwald zerstört. Zudem schädigen Abholzung, Landwirtschaft und Ressourcenverschwendung das Ökosystem.

Man muss ihnen klarmachen, was das Wasser mit ihrem Überleben zu tun hat und welche Verbindung der Baum mit dem Wasser hat – und zwar in einer Sprache, die der Bauer versteht. Sonst passiert, was ich oft erlebt habe: Die Organisationen kamen und ließen Bäume pflanzen, gaben den Bauern dafür etwas Geld. Aber sobald sie die Bauern bezahlt hatten und wieder verschwunden waren, fällten die Bauern die Bäume wieder.

Warum fällen die Bauern die Bäume wieder? Bauen sie dort dann etwas an?

Nicht unbedingt. Sie sehen einfach keinen Nutzen in dem Baum. Das ist für sie „monte“, Gestrüpp. Also hauen sie das weg, damit das Land wieder sauber und ordentlich aussieht. Denn ein sauberes Stück Land bedeutet, dass es einen Eigentümer hat.


Erschlagen: Einheimische haben die Gefleckte Doppelschleiche wohl für eine Giftschlange gehalten Foto: Charlie Cordero

Was läuft da falsch?

Da kommen Experten und halten drei Stunden lange Reden, die nur ein Ingenieur versteht. Die Leute langweilen sich und schlafen ein. Hier bekommen sie oft ewig langes, kompliziertes Info-Material in die Hand gedrückt, das ein Bauer niemals lesen wird, der sich schon schwertut damit, seinen eigenen Namen zu schreiben. Viele konnten nicht oder nur kurz die Schule besuchen.

Anders als die Expert*innen, die für diese Projekte herkamen, stammen Sie mitten aus der Sierra und leben hier …

Im Interview: Lorenzo Mora Bautista

setzt sich als Umwelt- und Waldberater der Kaffeefinca La Victoria dafür ein, dass beim Kaffeeanbau die Wasserquellen in der Sierra Nevada geschützt werden. Außerdem arbeitet er als Guide für Tou­ris­t:in­nen und studiert Psychologie an der Universidad del Magdalena in Santa Marta. Die Schule beendete er erst mit 20 Jahren, weil seine ältere Schwester an Leukämie erkrankt war und die Eltern das Geld für die Behandlung brauchten. Später machte er an der öffentlichen Berufsschule eine Ausbildung in Umweltberatung und natürlichen Ressourcen und arbeitete anschließend als Waldhüter im Naturschutzreservat El Dorado der Vogelschutz-Stiftung Fundación ProAves in der Sierra Nevada. In seiner Freizeit beobachtete er die Tierwelt in der Sierra. Dabei trug er zur Wiederentdeckung der seit 113 Jahren nicht mehr gesichteten

und des bei.

Ich bin dort geboren, wo der Fluss Guachaca entspringt. Meine Eltern sind Bauern. Mein Papa, meine Mama und drei meiner Geschwister arbeiten immer noch in der Landwirtschaft. Wir bauen vor allem Kaffee an. Wir haben ein paar Rinder. Außerdem bauen wir Zuckerrohr an, Lulo, Brombeeren und Gemüse zur Selbstversorgung wie Kochbananen und Maniok. Wir wollen keine große Produktion, sondern autark sein.

Was ist Ihr Ansatz? Gehen Sie hin und trinken mit den Bauern Kaffee?

Ich kenne die meisten Bauern hier in der Gegend. Ich kann einfach vorbeischauen und mit ihnen reden. Zum Beispiel beschwert sich dann ein Bauer, dass seine Kaffeepflanzen eingehen. Ich schaue mir das an und sehe: Das ist klar, weil er seinen Kaffee unter offenem Himmel angepflanzt hat. Das geht in der Sierra Nevada aber nicht.

Und dann raten Sie, Bäume zu pflanzen?

Genau. Viele von ihnen haben ein Aber parat, und es ist wichtig, darauf eine Antwort zu haben: Aber was, wenn dann einer dieser Bäume umfällt und meine Kaffeepflanzen zerstört? Da sage ich: Das kann passieren. Aber wenn du keine Bäume pflanzt und deine Pflanzen keinen Schatten bekommen, werden sie eingehen und der Ertrag ist viel geringer, als wenn ein Baum auf sie fällt.

Also versuchen Sie mit wirtschaftlichen Gründen zu argumentieren.

Lorenzo Bautista Mora blickt über die Sierra Nevada Foto: Charlie Cordero

Es heißt immer: Pflanzt Bäume! Holzt bloß nichts mehr ab! Da sagt der Bauer: Was soll ich denn dann essen? Man muss ihnen ökologisches Wirtschaften beibringen – aber es nicht so nennen. Denn die Bauern interpretieren das als Hippie-Gerede. Ich kann nicht kommen mit: Man muss Bäume pflanzen, um die Natur zu schützen. Ich sage: Señor, wenn Sie Bananenstauden zwischen den Kaffeepflanzen anbauen, bindet die Banane den Stickstoff, hält das Wasser in der Trockenzeit auf dem Feld und entwässert es, wenn es feucht ist, weil sie das Wasser im Stamm speichert. Und das Beste ist: Wenn Sie Hunger haben und kein Geld, können Sie die Kochbananen ernten.

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Wie machen Sie das mit den Bauern, die Vieh haben?

Auf keinen Fall hingehen und sagen: Du darfst hier aber kein Vieh halten! Das ist, als würde man sagen: Sie dürfen nicht mehr von der Tätigkeit leben, die Sie beherrschen! Aber man kann sagen: Hombre, pflanz doch mehr Bäume auf deiner Weide, denn sonst passiert da noch ein Erdrutsch, und außerdem reduziert das den Stress für deine Kühe. Die haben viel mehr Durst, wenn sie keinen Baum haben, um sich vor der Sonne zu schützen. Hier in der Sierra Nevada scheint sie sehr intensiv, weil wir in einer tropischen Zone in der Nähe einer Wüste sind. Da dehydriert die Kuh sonst.

Also kommen Sie nicht mit der Umwelt, sondern sagen: Das ist für die Kühe, damit sie es besser haben?

taz folgt dem Wasser

Der Zugang zu sauberem Wasser ist auf der Welt höchst ungleich verteilt. Ein Rechercheprojekt auf verschiedenen Kontinenten über Trinkwasser, Dürre, Überschwemmungen und Geldströme in der Entwicklungszusammenarbeit unter taz.de/wasser

Ja, denn die Bauern lieben ihre Kühe, sie wollen sich um sie kümmern. Viele holzen Wald ab, damit das Vieh grasen kann, und merken nicht, dass es dann kein Wasser mehr hat. Aber die Kuh braucht Wasser. Also rate ich: Señor, lassen Sie diesen Bereich lieber stehen, da kommt immer ein Bächlein. Dann sparen Sie sich das Geld für Schläuche und müssen das Vieh auch nicht immer bis zum nächsten Bach treiben. Mit dem Wasserfall können Sie bewässern, damit das Grünfutter besser wächst. Pflanzen Sie auch Obstbäume wie Mangos oder Guaven. Die wachsen hier von ganz alleine, ohne Dünger.

Wenn ich zwanzig Mangobäume habe, stehen die Kühe ruhig im Schatten unterm Baum und fressen Mangos – anstatt auf der Suche nach Nahrung das Gebüsch plattzutrampeln und den Boden zu schädigen.

Wann haben Sie damit begonnen, Bauern so zu unterstützen?

Als ich 15 Jahre alt war. Ich hatte gute Noten in der Schule und deshalb hörten mir die Leute zu. Mein Vater fing damals an, Bäume dort zu pflanzen, wo wir gesehen hatten, dass welche gefällt worden waren. Das machte mich neugierig, ich las in Zeitschriften immer mehr über Umweltschutz. Manchmal brachte ich den Bauern Pflanzen vorbei, Setzlinge für Bäume. Das fanden sie toll und gleichzeitig war das für sie ein Grund, sie einzupflanzen.

Naturschutz und Gewalt

Der Umweltschutz in Kolumbien hat ein Sicherheitsproblem – besonders in den Nationalparks. Der Park in der Sierra wird von mehreren Drogenrouten durchkreuzt. Dadurch wird Umweltschutz lebensgefährlich: 2019 wurde ein Parkranger ermordet. 2020 floh der Nationalparkdirektor Tito Rodríguez mit seiner Familie nach Kanada ins Exil.

Zum Glück gibt es viele Menschen, die sich Zeit nehmen, um mir zuzuhören. Gleichzeitig geht es nicht nur darum, mit ihnen zu sprechen, sondern ihnen beim Pflanzen zu helfen, Steine wegzutragen, Material für Kompost zu bewegen. Das motiviert die Leute, mitzumachen. Sie respektieren mich dafür, und das ist für mich sehr wertvoll. Seit ein paar Jahren bin ich hier bei der Kaffeefinca als Umwelt- und Waldberater angestellt. Aber oft kommen Bauern von außerhalb der Finca und fragen mich um Rat.

Wissen Sie, was Sie so bewirken konnten?

Das lässt sich schwer sagen. Vielleicht sind so nur ein paar tausend Bäume gepflanzt worden – aber die werden 20, 50 Jahre alt werden. Viele Bauern habe ich kennengelernt, da hielten sie ihr Vieh noch unter komplett freiem Himmel, ihre Weiden waren wie Steinwüsten. Aber jetzt sehe ich auf ihnen grüne Punkte. Sie fällen keine Bäume mehr im Wald für Zäune, sondern pflanzen Bäume, um ihre Weiden abzutrennen.

Warum studieren Sie jetzt Psychologie?

Mein großes Ziel ist, die pädagogischen Fähigkeiten der Umweltorganisationen und der Umweltschützerïnnen zu verbessern, die gegen den Klimawandel kämpfen. Denn der macht mir eine Riesenangst. Deshalb will ich auch keine Kinder.

Der Niedergang der Gewässer ist entsetzlich. Flüsse, die ich vor 30 Jahren kennenlernte, in denen wir auf Floßen fuhren und schwammen, kann ich heute in Sandalen durchwaten und es werden gerade noch die Sohlen nass. Die Fische sind verschwunden. Wem das keine Angst macht, der braucht kein Wasser.

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8 Kommentare

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  • "Denn ein sauberes Stück Land bedeutet, dass es einen Eigentümer hat."



    Man hätte das zum Verständnis noch kurz hinterfragen sollen.

    Wofür ist das interessant?



    Weil in Kolumbien jeder ein unbewirtschaftetes Stück Land besetzen und bewirtschaften/bebauen darf, und nach 5 Jahren ist er der Eigentümer.

  • Die Sierra de Santa Marte ist ein einzigartiges Naturparadies. Ich wünsche Herrn Bautista viel Erfolg. Verständliche Erklärungen für die Bauern (und die ach so ignorante Stadtbevölkerung) würden garantiert auch in Deutschland helfen.

  • Durch Kolumbien läuft der Äquator. Die Temperaturen sind da generell hoch. Wenn Worst-Case-Szenarien eintreffen, notwendige Klimapolitik nicht die nächsten Jahren umgesetzt werden, werden die Temperaturen weiter ansteigen und Lebensräume in einem recht breiten Streifen um den Äquator womöglich für Menschen unbewohnbar werden. Bei sehr hoher relativer Luftfeuchte und Temperatur kann der Mensch nicht mehr schwitzen und überhitzt. Das würde global Milliarden Menschen treffen. Siehe auch:



    "Die Klimaschützerin verwies in Folge auf unbewohnbare Regionen rund um den Äquator. Die seien so heiß, dass der Körper sich nicht mehr kühlen könne, so Botzki. Eine in der Fachzeitschrift "Science Advances" veröffentlichte Studie gibt der Aktivistin recht. Die Kühlgrenz-Temperatur des Körpers, heißt es dort, liegt bei 35 Grad Celsius Feuchttemperatur, was in etwa einer Lufttemperatur von 45 Grad entspricht. Diese Grenze könnten in subtropischen Regionen in Zukunft immer häufiger überschritten werden, so die Wissenschaftler. Und in Gebieten wie der US-amerikanischen Golfküste oder dem Persischen Golf ist es bereits oft so heiß. Dennoch machen diese Temperaturen Regionen nicht gänzlich unbewohnbar. Bisher hätten sich Menschen vor Ort häufig in klimatisierten Räumen aufgehalten, heißt es in der Studie. Gerade in ärmeren Regionen oder bei länger anhaltenden Überschreitungen der Grenzwerte könne diese Situation allerdings extrem gesundheitsschädlich werden ...



    Außerdem behauptete Annemarie Botzki, dass drei Milliarden Menschen von der Klimakrise betroffen sein könnten. Sie müssten aus Gebieten fliehen, die zu heiß für menschliches Leben werden. Auch hier stützt eine Studie Botzkis Argument, die im Journal "Proceedings of the National Academy of Sciences" veröffentlicht wurde. Allerdings eröffnen die Wissenschaftler ein sehr düsteres Szenario ..."



    www.br.de/nachrich...ht-ein-faktencheck

    • @Uranus:

      Ja, weil eine Erderwärmung ganz stark vereinfacht eine Verschiebung der Klimazonen polwärts bedeutet, ist klar, was da passieren wird:

      Eine Spaltung der ITCZ in eine nördliche und südliche, und dazwischen eine aride Konvektionszone.

      Das bestätigt sich durch paläoklimatologische Analysen von "hothouse"-Klimaten: im späten Mesozoikum, als "Eiszeit" bedeutete, dass es im Zentrum der Antarktis einige kleine aber immerhin jahrtausendelang beständige Gletscher gab, war die Äquatorialgegend der Kontinentalmassen eine Halbwüste, und die feuchten Tropen bestanden aus 2 Bändern ungefähr auf 10° Nord/Süd.

      (Die von Uranus erwähnte Trockenheit in Guatemala liegt hingegen primär an der Abholzung; Mittelamerika hat so wenig Landmasse relativ zum umgebenden Meer, und ein so starkes Relief, dass es bei naturnaher Landnutzung immer halbwegs ausreichend Regen abbekommen würde.)

    • @Uranus:

      In Guatemala sieht es kaum anders aus als in Kolumbien. Die TAZ berichtete kürzlich erst und titelte:



      " Erderhitzung in Guatemala:Wo der Klimawandel begonnen hat



      Dürren und Stürme zerstören in Guatemala die Ernte von Rotilia García Pérez. Zudem werden die Maya, zu denen sie gehört, rassistisch ausgegrenzt"



      taz.de/Erderhitzun...uatemala/!5774511/

  • Weiterhin viel Erfolg bei Ihren Umweltprojekten in der Sierra Nevada de Santa Marta, Senor Bautista!



    Sie zeigen, dass man sich zugleich für den Erhalt dieser einzigartigen Naturlandschaft als auch für eine nachhaltige und ertragreiche Landwirtschaft zum Nutzen der Bevölkerung in der Sierra einsetzen kann … nur so kann es funktionieren.

  • Ich weiss nicht, ob ich mich jetzt freuen oder traurig sein soll. Immerhin gibt es immer mal wieder kleine Lichtblicke auf der Welt - aber die sind auch nur sichtbar, weil es drumherum so schlecht läuft.