Wahl in Hessen: Strafe für die Große Koalition
Wie schon in Bayern verlieren in Hessen Union und SPD – die Grünen hingegen profitieren vom Misstrauen gegen die Regierung in Berlin.
Um die 10 Prozentpunkte haben die Konservativen bei dieser hessischen Landtagswahl eingebüßt; das ergeben auch die folgenden Hochrechnungen. Angesichts von fünf Jahren ziemlich geräuschloser Regierungsarbeit mit den Grünen ist das eine heftige Klatsche. Kanzleramtschef Helge Braun ist an diesem Abend der Wesir der Königin. Merkels Mann beeilt sich, den anwesenden Medien das Ergebnis als Erfolg der CDU zu verkaufen. Er sehe einen klaren Regierungsauftrag für seine Partei, sagt er im Getümmel. Gefragt nach den Folgen des schlechten Ergebnisses für seine Partei und die SPD, sagt Braun: „Die große Koalition wird zusammenrücken.“
Die Zusammenarbeit innerhalb der Koalition in Berlin macht auch die CDU-Generalsekretärin zum zentralen Punkt ihrer Erklärung im Konrad-Adenauer-Haus. Der „beherzte Wahlkampf“ der Hessen-CDU habe sich ausgezahlt, sagt Annegret Kramp-Karrenbauer. „Aber wir als CDU sind mit unserem eigenen Ergebnis nicht zufrieden.“
Interessant ist Kramp-Karrenbauers expliziter Verweis auf die CSU als Verursacherin der Regierungskrise. Innenminister Horst Seehofers Chaostage samt Rücktrittsdrohung und Rücktritt vom Rücktritt nennt die CDU-Frau ein „einschneidendes Ereignis“. Die ebenfalls regierende SPD erwähnt sie nicht einmal.
Empfohlener externer Inhalt
Der Niedergang der SPD geht auch in Hessen weiter – rund ein Drittel weniger Stimmen hat sie als 2013. Auch der engagierte Wahlkampf von Thorsten Schäfer-Gümbel, auch die Fokussierung auf das Thema Mieten und Wohnen – nichts konnte den Sturzflug verhindern. Im Atrium im Willy-Brandt-Haus warten ein paar Berichtererstatter auf ein Statement der SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles. „Bei der Bayernwahl war es noch leerer. Das war ganz obskur“, sagt ein erfahrener SPD-Watcher. Die Wahlparty wurde schon bei der Bayernwahl eingespart – zu teuer.
Um kurz vor sieben kommt SPD-Chefin Andrea Nahles, lobt die „sehr gut aufgestellte SPD in Hessen“ und erklärt, dass die Große Koalition in Berlin verantwortlich für die Niederlage ist. „Wir legen unser Schicksal nicht in die Hände unseres Koalitionspartners“, sagt sie. Es klingt entschieden, wie eine Drohung. Am Montag will Nahles einen Fahrplan für die Groko bis zum Herbst 2019 vorlegen – den die Union offenbar akzeptieren soll. Es ist ein verzweifelter Versuch, aus der Defensive zu kommen. Nahles’ Auftritt dauert zwei Minuten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“