Waffenverbot im Hamburger ÖPNV: Politisches Placebo mit Nebenwirkungen
Hamburg hat ein dauerhaftes Waffenverbot in Bussen, Bahnen und Haltestellen beschlossen. Es ist ein Akt politischer Scheinaktivität im Wahlkampf.
E s soll nach Zupacken klingen, aber das dauerhafte Waffenverbot im Hamburger Nahverkehrsnetz ist ein bloßer Akt politischer Scheinaktivität im Wahlkampf. Am Hauptbahnhof gibt es ein solches Verbot seit Herbst 2023, zur Adventszeit wurde es – befristet bis zum 1. Januar – auf drei weitere Bahnhöfe und das S-Bahn-Netz ausgeweitet. Das Argument: Im Dezember werde viel gefeiert und getrunken, da sinke die Hemmschwelle für körperliche Auseinandersetzungen. Ab Montag gilt das Waffenverbot in allen Bussen, Bahnen, Fähren und Haltestellen des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV).
Auf den ersten Blick mag das sinnvoll klingen. „Jedes Messer, das wir einsammeln, ist ein Risiko weniger“, sagt Innensenator Andy Grote (SPD). Die Hoffnung ist, dass ein Verbot präventiv wirkt und sich Fahrgäste sicherer fühlen. Es mag auch sein, dass die Maßnahme potenzielle Gewalttäter:innen abschreckt und ein wenig sicherer mögen sich Fahrgäste auch fühlen, weil der gewaltaffin wirkende junge Mann gegenüber gerade nach Messern durchsucht wurde.
Tatsächlich entpuppt sich das Verbot aber als plumpe Symbolpolitik vor der Bürgerschaftswahl in Hamburg am 2. März. Die rot-grüne Koalition versucht, sich noch schnell als Garant der inneren Sicherheit zu profilieren. Grote prahlt, Hamburg nutze als erstes Bundesland die Möglichkeiten des neuen Sicherheitspakets des Bundes.
Urbane Gewaltkriminalität ist ein komplexes Problem
Statt echte Lösungen für das komplexe Problem der urbanen Gewaltkriminalität zu entwickeln, greift der Senat zu einer Maßnahme, die bestenfalls oberflächlich wirkt – und schlimmstenfalls bürgerliche Freiheiten einschränkt. Denn entweder bleibt das Verbot ein zahnloser Tiger. Oder es führt zu jeder Menge anlassloser Durchsuchungen. Wie die Regeln und Kontrollen genau aussehen, wollen Grote und Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) am Montag vorstellen.
Grundsätzlich fraglich ist, wie effektiv das Verbot in einem Liniennetz mit mehr als 10.000 Haltestellen umgesetzt und kontrolliert werden kann. Wer Gewalt ausüben will, wird sich von einem Schild nicht abschrecken lassen, Affekttäter:innen sowieso nicht. Und Erfahrungen aus anderen Städten zeigen deutlich, dass Waffenverbote wenig Einfluss auf die Kriminalitätsrate haben. Auch am Hamburger Hauptbahnhof, wo das Verbot seit einem Jahr gilt, gibt es bei Gewalttaten keine Trendwende.
Das Verbot trifft aber auch alle, die zum Beispiel für die Selbstverteidigung ein Pfefferspray mit sich führen – aber gesetzestreue Bürger:innen sind. Oder Handwerker*innen, die ihren Hammer in der Bahn dabei haben. Wie geht man denn damit um?
Vor allem birgt das Verbot die Gefahr, dass die „üblichen Verdächtigen“ traktiert und deren Bürger:innenrechte eingeschränkt werden. Wer Messer finden will, muss Menschen durchsuchen. Das birgt die Gefahr von Racial Profiling, denn die Maßnahme zielt ja implizit auf eine bestimmte Gruppe: jene jungen und oft migrantisch gelesenen Männer, um die auch die mediale Diskussion über Gewalttaten kreist.
Die wahren Gründe für Gewalt und Unsicherheit im öffentlichen Raum reichen von sozialer Benachteiligung über mangelnde Bildungschancen bis hin zu fehlenden Perspektiven für junge Menschen. Ein Waffenverbot im HVV wird keines dieser Probleme lösen. Es ist politisches Placebo mit bedenklichen Nebenwirkungen.
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