Waffenlieferungen an die Ukraine: Schlecht kommuniziert

Erfolgreich unterstützt die Bundesregierung ein angegriffenes Land – und gilt trotzdem als unsolidarisch. Auch, weil sie bei Hilfe über Gebühr zögert.

Marder-Schützenpanzer stehen vor einer Halle mit blauen Toren

Marderpanzer stehen vor einer Halle des Rheinmetall-Werkes in Unterlüß Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Es ist phänomenal, was für eine kommunikative Fehlleistung die Bundesregierung seit Beginn des Ukrainekriegs hinlegt: In nie da gewesener Art und Weise unterstützt sie ein angegriffenes Land mit Waffen – und doch gilt sie im In- und Ausland als unsolidarisch und unnütz. Dieses Bild ist falsch. Es stimmt zwar, dass einige andere Staaten mehr liefern. Die USA, Polen, Großbritannien und Kanada leisten umfangreiche Hilfe, gemessen an Größe und Wirtschaftskraft auch die Balten und einige weitere Länder. Dagegen halten sich Frankreich, Spanien und Italien stärker zurück, ohne dafür vergleichbaren Zorn auf sich zu ziehen. Mit Haubitzen und Flugabwehrpanzern hat die Bundesregierung Waffen gespendet, die bei der erfolgreichen Gegen­offensive um Charkiw eine wesentliche Rolle gespielt haben. Mit der Lieferung von gepanzerten Transportern und weiteren Mehrfachraketenwerfern, am Donnerstag angekündigt, stärkt sie das ukrainische Militär weiter.

Dass diese Unterstützung nicht adäquat gewürdigt wird, liegt zum Teil an einem verzerrten Blick auf die deutsche Ukrainepolitik. Die deutschen Fehleinschätzungen vor dem Krieg haben ein hartnäckiges Misstrauen hervorgerufen. Dazu kommen innenpolitische Erwägungen vor allem in Polen, wo die PiS-Regierung traditionell mit Vorwürfen gegen Deutschland zu punkten versucht. Zum Teil hat sich die Bundesregierung aber auch selbst zuzuschreiben, dass das Misstrauen nicht schwindet – wegen der Zögerlichkeit, die jeder neuen Hilfszusage vorausgeht und deren Maß das einer begründeten Vorsicht schon lange überschreitet. Aktuell gilt das für die Weigerung von Kanzleramt und Verteidigungsministerium, auch Kampf- und Schützenpanzer zur Verfügung zu stellen oder zumindest deren Lieferung aus Industriebeständen zu gestatten.

Diese künstliche rote Linie ist an sich schon schwer begründbar. Deutschland liefert bereits Waffen mit enormer Kampfkraft, die offensiv einsetzbar sind und Ziele in Dutzenden Kilometern Entfernung erreichen können. Leopard- oder Marderpanzer sind im Vergleich dazu keine grausameren, gefährlicheren oder risikoreicheren Waffen, könnten der Ukraine aber bei der Befreiung weiterer besetzter Gebiete helfen.

In dieser Woche ist eines der letzten Gegenargumente der SPD zerbröselt, dem zufolge man sich mit den Nato-Partnern darauf geeinigt habe, keine westlichen Kampf- und Schützenpanzer zu liefern. Deutschland solle nicht vorpreschen und nicht aus dem „Geleitzug“ des Bündnisses aussteigen, behauptet seit Wochen unter anderem Olaf Scholz. Blöd nur, dass die Partner von einer solchen Vereinbarung nichts mehr wissen wollen. „So viel Unterstützung wie möglich“ forderte die US-Botschaft am Dienstag via Twitter. Die Entscheidung über die Art der Lieferungen könne jedes Land selbst treffen.

Deutschland dackelt hinterher

Die Äußerung wirft zwar die Frage auf, warum die USA dann ihrerseits keine Kampfpanzer zur Verfügung stellen. In Berlin kursiert die Version, die Amerikaner seien derzeit damit ausgelastet, einer Lieferzusage an Polen nachzukommen. Darüber hinaus fehlten ihnen selbst die Kapazitäten. Angesichts der immensen US-Arsenale ist diese Erklärung aber zumindest zweifelhaft.

Doch selbst wenn die Angaben aus dem Kanzleramt stimmen sollten und es eine freiwillige Selbstbeschränkung der Nato-Staaten gibt: Unveränderbar wäre sie nicht. Sollte die Bundesregierung es für richtig halten, die Aufrüstung der Ukraine weiter hochzufahren, könnte sie im Bündnis dafür werben, die Haltelinie aufzugeben. Mitstreiter würde sie sicherlich finden. Und gute Argumente hätte sie nach dem ukrainischen Erfolg um Charkiw auch.

Beim ständigen Verweis auf die vermeintliche Haltung der Nato-Alliierten stehenzubleiben, wirkt dagegen seltsam: Warum sollte es der Bundesregierung ausgerechnet in einer solch zentralen Frage nicht gelingen, eine eigene Position zu finden und im Bündnis zu vertreten? Warum macht sie ihr Handeln scheinbar komplett abhängig von Entscheidungen anderswo? Von einer „Führungsrolle“ für Europa spricht die Bundesregierung neuerdings gerne. Klingt gruselig? Keine Sorge. In Wirklichkeit dackelt Deutschland ja doch nur hinterher.

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Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.

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