WählerInnen-Potenzial der Linkspartei: Bei den Grünen wildern
Neu-WählerInnen kann die Linke vor allem bei den Grünen erschließen, zeigt eine interne Analyse. Auch strategische Überlegungen weisen nach grün.
„Wie stellen wir uns für das Wahljahr 2019 auf“, war daher eine der zentralen Fragen, die sich die 69 Bundestagsabgeordneten der Linken Anfang Januar auf ihrer Klausurtagung stellten. Stoff und Anregung zum Nachdenken erhofften sie sich gleich zu Anfang von Torsten Schneider-Haase, der den Bereich Politikforschung beim Umfrageinstitut Emnid leitet. Und Schneider-Haases Analyse hatte es in sich.
Laut seiner Präsentation, die der taz vorliegt, kann die Linkspartei nämlich vor allem bei den Grünen neue WählerInnen erschließen. Demnach könnten sich 22 Prozent aller Wahlberechtigten derzeit vorstellen, die Linke zu wählen. Aber drei Viertel dieser potenziellen WählerInnen entscheide sich anders, jeder Dritte davon kreuze eher die Grünen an. Kaum Potential für die Linkspartei sieht Emnid dagegen bei AfD-AnhängerInnen: Von den potentiellen WählerInnen tendiert nur ein Prozent zur dorthin.
Strategisch übersetzt heißt das für die Linkspartei: Sie müsste viel stärker bei den Grünen wildern und könnte ihre Bemühungen um AfD-WählerInnen im Gegenzug fast einstellen.
An keine Partei so viel verloren wie an die AfD
Genau über eine solche Richtungsentscheidung hat sich die Partei in den letzten Monaten heftig ge- und auch zerstritten. Fraktionschefin Sahra Wagenknecht betonte in Interviews immer wieder, man müsse AfD-Wählerinnen zurückgewinnen. Entsprechend sprach sie auch in der von ihr mitgegründeten Sammlungsbewegung Aufstehen viel über die Themen Soziales und Migration.
In der Tat hat die Linke bei der Bundestagswahl 2017 an keine Partei so viele WählerInnen verloren wie an die AfD. 380.000 waren es im Saldo. Doch laut Emnid-Präsentation ticken AnhängerInnen von AfD und Linken unterschiedlich: Während den AfD-AnhängerInnen Themen wie Innere Sicherheit und Zuwanderung wichtig sind, priorisieren AnhängerInnen der Linken Bildung, Soziale Gerechtigkeit und – Umwelt. Ein weiterer Wink, sich stärker in Richtung grün zu orientieren.
Und es deutet einiges darauf hin, dass die Linke diesen Kurs einschlagen könnte. Die beiden Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger haben vergangene Woche einen Aufruf veröffentlicht und wollen für sozialen Aufbruch und mutigen Klimaschutz gleichermaßen mobilisieren.
Strategie: „Linke muss antirassistisch sein“
Noch unveröffentlicht ist ein Strategiepapier des Fraktionsgeschäftsführers Jan Korte und der hessischen Fraktionsvorsitzenden Janine Wissler, welches mit „Die Kämpfe verbinden“ überschrieben ist und der taz ebenfalls vorliegt.
Bemerkenswert ist allein schon die Kombination der VerfasserInnen. Korte gilt als Ur-Realo, der den Wahlkreis Anhalt-Bitterfeld vertritt, eine Hochburg der AfD, die von „Abwanderung, Leerstand und Desillusionierung“ geprägt ist, wie es im Papier heißt. Wissler kommt aus der trotzkistischen Strömung Marx21 der Linken und ist im kosmopoliten Frankfurt am Main aktiv, „einer wirtschaftlich starken Region, in der viel Geld verdient wird aber immer mehr Menschen kaum noch über die Runden kommen“.
Die Problemlagen seien unterschiedlich, hingen aber zusammen, schreiben beide. Sie plädieren dafür, den Kampf um soziale Rechte nicht gegen den für vermeintliche „Nebenwidersprüche“ wie die Gleichstellung von Frauen, die Akzeptanz verschiedener sexueller Orientierungen und Antirassismus abzuwägen. „Eine linke Partei muss zwingend eine antirassistische Partei sein“, schreibt das flügelübergreifende Duo.
Natürlich müsse versucht werden, WählerInnen von der AfD zurückzuholen. Das werde man aber nur dann erreichen, „wenn wir die Milieus nicht gegeneinander ausspielen lassen.“
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