Volksinitiative gegen Werbetafeln: Reklame raus

Hamburger Ak­ti­vis­t:in­nen wollen Außenwerbeflächen verbannen. Am Montag meldeten sie deshalb eine Volksinitiative für ein Gesetz an.

Werbetafel in Innenstadt

Kann zwar auch auf gute Sachen hinweisen, ist aber selten der Fall: digitale Werbetafeln Foto: Oliver Berg/dpa

HAMBURG taz | Sie strahlen hell und flimmernd, sind mitunter mehrere Quadratmeter groß und stehen dutzendfach in der Stadt am Straßenrand: Hamburg ist von digitalen Werbeflächen überschwemmt. So sieht es zumindest eine Gruppe von Aktivist:innen, die sich dieser Flut nun entgegenstellen will. Nun startet die Gruppe „Hamburg Werbefrei“ eine Volksinitiative zur Einführung eines Werberegulierungsgesetzes. Mit einer Kunstaktion auf dem Rathausmarkt begann am Montag die Unterschriftensammlung.

„Außenwerbung ist ätzend“, sagt Martin Weise von der Initiative. Man könne ihr im öffentlichen Raum nicht entgehen. „Und dann belästigen einen auch noch dumme und plumpe Slogans der kapitalstärksten Unternehmen.“ Schuld dafür sieht er aber auch bei der Stadt Hamburg, die das zulässt und durch die Vermietung der Fläche Geld verdient – auf Kosten der Bürger:innen: „Meine Aufmerksamkeit wird durch die Stadt verkauft“, kritisiert Weise.

Die Gruppe möchte mit dem Gesetz digitale beleuchtete Werbung und solche, die zwischen verschiedenen Inhalten wechselt, verbieten und die Hälfte der Werbeflächen für nicht-kommerzielle Inhalte freihalten. Das soll die Lichtverschmutzung reduzieren und die Privatisierung des öffentlichen Raums aufhalten, sagt Weise.

Zudem soll es das Stadtbild erheblich verschönern und Ablenkungen im Verkehr vermeiden. Darunter fällt auch die Forderung, dass es künftig gestalterische Vorgaben für Werbeanlagen geben soll, sodass sich das Stadtbild trotz der Werbung verschönert. Dabei dient Genf in der Schweiz als Vorbild. Die Stadt hat letztes Jahr beschlossen, ab 2025 keine öffentliche Werbung mehr zuzulassen.

Linke dafür, Grüne skeptisch

Für ihr Anliegen hat die Gruppe zumindest die Linke-Fraktion in der Bürgerschaft gewonnen, die sich in zwei großen Anfragen 2021 und 2022 zu diesem Thema informierte. Auf zwei Aspekte weist die Initiative dabei besonders hin: auf die psychische Belastung und den Stress, den die Reklamelichter und die Aufmerksamkeit heischende Werbung verursachen sowie auf den ökologischen Schaden, den die zunehmende Digitalisierung von öffentlicher Werbung anrichtet.

Ein „Digital Light Board“ verbraucht – wenn es rund um die Uhr läuft – so viel Strom wie 15 Zwei-Personen-Haushalte zusammen, wie aus einer Anfragen der Linken hervorgeht. Die beiden Betreiber von Hamburgs öffentlichen Werbeanlagen, Wall und Ströer, verweisen darauf, dass sie ihre Anlagen ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energien betreiben und nachts die Anlagen ausschalten oder dimmen. Wie viel geringer der Stromverbrauch ihrer Werbetafeln dadurch ist, teilen sie jedoch nicht mit.

Die Regierungsfraktionen in der Bürgerschaft sind nicht sehr beeindruckt von der Volksinitiative. Dominik Lorenzen, Vorsitzender der Grünenfraktion, betont, dass das Anliegen der Initiative wichtig sei, Hamburg diesbezüglich aber bereits gut aufgestellt sei. „Es gibt in der Stadt eine gute Balance zwischen Werbeflächen und Platz für die Menschen“, sagt er.

Nicht nur Lorenzen distanziert sich von der Notwendigkeit der Initiative. Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) teilte der Gruppe in einem Gespräch mit, dass er die Einnahmen aus der öffentlichen Werbung lieber für Mobilitätsprojekte ausgeben wolle, sagt Weise. Die Stadt nahm 2020 für die Werbeflächen rund 27 Millionen Euro ein. Doch der Schaden durch die Außenwerbung überwiege in seiner Schwere die Vorteile der städtischen Einnahmen, finden die Aktivist:innen.

Volksentscheid für 2024 anvisiert

Damit das Gesetz offiziell bei Senat und Bürgerschaft Gehör findet, muss „Hamburg Werbefrei“ in den nächsten sechs Monaten insgesamt 10.000 Unterschriften sammeln. Schafft die Gruppe das, kann die Bürgerschaft den Gesetzentwurf verabschieden, wobei sie und der Senat das Recht haben, zunächst das Landesverfassungsgericht einzuschalten, um die Rechtmäßigkeit des Gesetzesentwurf zu prüfen. In den vergangenen Jahren sind dadurch schon mehrfach Volksinitiativen gescheitert, weil das Gericht die Ziele der Volksinitiativen für verfassungswidrig erklärte.

Beschließt die Bürgerschaft das Gesetz nicht, kann ein Volksbegehren beantragt werden, das innerhalb von drei Wochen fünf Prozent aller Wahlberechtigten unterstützen müssen, damit es Erfolg hat. Auch danach kann die Bürgerschaft eine Verabschiedung des Gesetzes ablehnen. Sollte dies geschehen, kommt es zum Volksentscheid, über den alle wahlberechtigten Ham­bur­ge­r:in­nen abstimmen können.

Es ist ein langer, mühsamer Prozess, den „Hamburg Werbefrei“ nun begonnen hat. Der Zeitplan der Gruppe steht jedoch schon. Dabei steht die Hamburger Gruppe in enger Zusammenarbeit mit einer gleich orientierten Berliner Initiative, die zeitgleich für ein ähnliches Gesetz in der Hauptstadt kämpft.

Nach dem erfolgreichen Sammeln der 10.000 Unterschriften soll 2023 das Volksbegehren losgehen. 2024 dann soll zeitgleich mit den Europawahlen der Volksentscheid auf den Stimmzetteln stehen, womit am Ende alle Wahlberechtigten über die Zukunft öffentlicher Werbung in Hamburg abstimmen könnten.

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