Versorgung in Deutschland: Das Gas reicht bis zum Winter
Trotz russischer Sanktionen gegen deutsche Gazprom-Töchter hält Robert Habeck die Lage für „beherrschbar“.

Denn betroffen von den Sanktionen sind nicht alle Gazprom-Töchter, sondern nur jene, die für Handel und Speicher zuständig sind, nicht aber die Netzbetreiber. Deshalb sind Gaslieferungen aus Russland generell weiter möglich – aber wohl nicht zu den bisherigen Konditionen. Denn die bestehenden Lieferverträge von Gazprom Germania, die langfristig und damit vergleichsweise günstig sind, müssen neu geschlossen werden. Dadurch höhere Preise zu erzielen, dürfte „der Sinn der ganzen Aktion sein“, sagte Habeck. Damit die Unternehmen die Mehrkosten aufbringen können, kündigte Habeck „finanzielle Garantien“ des Staates an. Details dazu bleiben zunächst unklar.
Betroffen von dem Handelsverbot sind aktuell 10 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag, berichtete der Präsident der Bundesnetzagentur Klaus Müller. Das entspricht 3 Prozent des deutschen Gasverbrauchs. Diese Menge könne durch Lieferungen aus anderen Ländern ausgeglichen werden. Obwohl auch die Gazprom-Tochter, die den größten deutschen Gasspeicher in Rheden betreibt, unter die neuen Sanktionen fällt, fürchtet Müller keine Probleme beim Füllen der Speicher. Möglicherweise könnten die staatlichen Vorgaben zum Füllstand der Speicher dadurch sogar leichter umgesetzt werden.
Voraussetzung dafür ist allerdings, dass insgesamt weiterhin genug Gas nach Deutschland gelangt. Und das ist – neben den Sanktionen – auch direkt durch den Krieg in der Ukraine gefährdet: Weil nach ukrainischen Angaben eine Verdichterstation in den russisch kontrollierten Gebieten in der Ostukraine nicht mehr sicher betrieben werden kann, gingen die Lieferungen von russischem Gas durch die Ukraine nach Deutschland in den letzten Tagen um ein Drittel zurück.
Sollte Russland seinerseits die Lieferung von Gas entgegen der Ankündigungen einstellen, wäre die Situation laut Habeck „für den Sommer beherrschbar“. Das sagte der Wirtschaftsminister am Nachmittag nach einem Treffen mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba in Berlin. Die Voraussetzungen, um ohne russisches Gas auch „über den Winter“ zu kommen, seien dagegen noch nicht erfüllt. Auch ein Gasembargo der EU ist demnach weiterhin nicht machbar.
Nicht nur Habeck empfängt Kuleba. Der ukrainische Außenminister wird am Freitag am G7-Außenministertreffen in Schleswig-Holstein teilnehmen und führte zuvor in Berlin Gespräche. Zunächst tourte er durch die Bundestagsfraktionen.
Ukraine fordert Unterstützung bei EU-Beitritt
Den Anfang machte er am Morgen bei der SPD-Fraktion. Auf die Sozialdemokraten waren ukrainische Politiker:innen wegen ihrer russlandfreundlichen Politik in der Vergangenheit besonders sauer. Eine Politik, die ja nun Vergangenheit sei, versicherte Kuleba, als er zusammen mit Fraktionschef Rolf Mützenich und Parteichef Lars Klingbeil vor die Presse trat. Dass Kanzler Olaf Scholz eine Kehrtwende eingeleitet habe, lobte er als Zeichen der Stärke.
Insgesamt sehe er eine positive Dynamik in den deutsch-ukrainischen Beziehungen, sagte Kuleba. Unterstützung der Bundesrepublik forderte er beim angestrebten EU-Beitritt ein. Ende Juni entscheidet die EU, ob die Ukraine Beitrittskandidatin wird. „Die EU braucht die Ukraine so sehr wie die Ukraine die EU“, bekräftigte Kuleba. Vor laufenden Kameras sagte Klingbeil die geforderte Unterstützung zu. „Wir wollen, dass die Ukraine Mitglied wird und den Kandidatenstatus bekommt.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
ifo-Studie zu Kriminalitätsfaktoren
Migration allein macht niemanden kriminell
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade