+++ Nachrichten zum Ukrainekrieg +++: Dimitro Kuleba zu Besuch in Berlin
Der ukrainische Außenminister wirbt in Deutschland um Unterstützung für den EU-Beitritt der Ukraine. SPD-Co-Chef Klingbeil spricht sich dafür aus.
Bundeswehr fliegt kriegsverletzte Ukrainer nach Deutschland
Die Bundeswehr hat mit einem weiteren Evakuierungsflug kriegsverletzte Ukrainer aus Polen nach Deutschland gebracht. Das Spezialflugzeug A310 MedEvac der Luftwaffe landete am Donnerstag mit mehr als 20 Patienten an Bord auf dem Flughafen Frankfurt/Main, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr. Die Luftwaffe hatte die Ukrainer und mehrere Begleiter dem Flughafen der polnische Stadt Rzeszow – etwa 90 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt – an Bord genommen.
Mit dem in Köln stationierten Flugzeug wurden in den vergangenen Wochen wiederholt schwer verletzte Kinder und Erwachsene zur Behandlung nach Deutschland geholt, um sie besser medizinisch versorgen zu können. Der A310 MedEvac ist die fliegende Intensivstation der Luftwaffe. Verletzte werden in der Luft von Sanitätssoldaten weiterbehandelt. (dpa)
EU-Kommission sucht neue Exportwege für ukrainisches Getreide
Angesichts stockender Getreideausfuhren aus der Ukraine durch Russlands Blockade ukrainischer Häfen will die EU-Kommission neue Exportwege über den Landweg finden. Da die Blockade der Häfen die weltweite Lebensmittelsicherheit bedrohe, „besteht dringender Bedarf, alternative Logistikrouten zu schaffen“, erklärte die EU-Kommission am Donnerstag. Dabei setzt die Brüsseler Behörde auf Lastwagen und Güterzüge.
Um Ausfuhren von Weizen, Sonnenblumenöl und Mais aus der Ukraine zu ermöglichen, schlug die Kommission vor, an den Grenzen zur EU das Personal zu verstärken, um rund um die Uhr Lastwagen abfertigen zu können. Zudem appellierte die Brüsseler Behörde an die Betreiber der Schienennetze in Europa, Exporten aus der Ukraine „zeitlich befristet“ Vorrang einzuräumen und ihnen Zeitfenster auf der Schiene bereitzustellen.
Denn die Lage ist dringend geworden, um die Ernten von den ukrainischen Feldern nicht verkommen zu lassen: Nach Angaben der Kommission warteten an den Grenzübergängen zwischen der Ukraine und der EU „tausende Waggons und Lastkraftwagen auf ihre Abfertigung“. Derzeit würden Waggons durchschnittlich zwischen 16 und 30 Tage auf ihre Abfertigung warten.
Eine der Herausforderungen dabei seien die unterschiedlichen Spurweiten der Schienen in der Ukraine und in der EU, „sodass die meisten Güter auf Lastwagen oder Waggons umgeladen werden müssen“, die den Abständen der EU-Schienen entsprechen. (afp)
Ukrainischer Außenminister Kuleba in Berlin
Kiew geht nach den Sticheleien gegen Deutschland nun in die Charmeoffensive. Der ukrainische Außenminister Dimitro Kuleba war Donnerstag in Berlin zu Gast und tourte zunächst durch die Bundestagsfraktionen. Den Anfang machte er am Morgen bei der SPD-Fraktion. Eigentlich selbstverständlich bei der Kanzlerpartei zu starten, aber auch ein Signal. Denn bei dem Gespräch war neben dem Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich auch Parteichef Lars Klingbeil zugegen, die SPD in Breite also.
Auf die Sozialdemokraten waren die ukrainischen Politiker:innen wegen ihrer russlandfreundlichen Politik in der Vergangenheit besonders sauer. Eine Politik, die ja nun Vergangenheit sei, versicherte der ukrainische Außenminister, als er nach dem 60-minütigen Gespräch zusammen mit Mützenich und Klingbeil vor die Presse trat. Kanzler Olaf Scholz habe eine Kehrtwende eingeleitet, er lobte das als ein Zeichen der Stärke. Insgesamt sehe er eine positive Dynamik in den deutsch-ukrainischen Beziehungen.
Worum es Kuleba geht, machte er auch klar, nämlich die Unterstützung Deutschlands beim angestrebten EU-Beitritt. Ende Juni entscheidet die EU, ob die Ukraine Beitrittskandidatin wird. „Die EU braucht die Ukraine so sehr wie die Ukraine die EU“, bekräftigte Kuleba. Vor laufenden Kameras sagte Klingbeil die geforderte Unterstützung zu. „Wir wollen, dass die Ukraine Mitglied wird und den Kandidatenstatus bekommt.“ Gleich danach ging's für Kuleba weiter zur FDP. Nur einer empfing ihn an diesem Tag nicht: Olaf Scholz. Ein Besuch im Kanzleramt sei nicht vorgesehen, hieß es aus der SPD. Beschweren wird sich Kuleba darüber wohl nicht. (ale)
🐾 Lieber hungern als nach Tegel
Viele Ukrainer*innen in der Hauptstadt meiden die offizielle Anmeldung als Geflüchtete, aus Angst, Berlin verlassen zu müssen, sagen Ehrenamtliche. Eine neue Anlaufstelle gibt praktische Hilfe. Aus Berlin berichtet Susanne Memarnia.
Russische Sanktionen gegen Ex-Gazprom-Töchter
Die früheren ausländischen Töchter des russischen staatlichen Energiekonzerns Gazprom sind nach Angaben des Kreml nun komplett vom Gashandel mit Russland ausgeschlossen. „Die Unternehmen können an dem Prozess nicht mehr teilnehmen“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax.
Mit den sanktionierten Firmen werde Russland keine Beziehungen mehr unterhalten. „Sie sind einfach verboten“, so Peskow. Demnach müssen andere Unternehmen in Europa den Gashandel mit Russland übernehmen. Konkrete Details zur Umsetzung der am Vortag veröffentlichten Sanktionen nannte Peskow nicht und verwies dazu auf Gazprom. Der Konzern hat sich bislang noch nicht dazu geäußert.
Nach dem von Russlands Präsident Wladimir Putin befohlenen Krieg gegen die Ukraine verhängte der Westen Sanktionen gegen mehrere Tochterunternehmen von Gazprom in Europa. Als der russische Energieriese versuchte, Gazprom Germania zu liquidieren, nahm die Bundesregierung im April die deutsche Gazprom-Tochter als strategisch wichtiges Infrastruktur-Unternehmen unter staatliche Kontrolle.
Daraufhin hat die russische Regierung Gazprom Germania und 30 weitere ehemalige Tochterunternehmen von Gazprom auf die Sanktionsliste genommen und russischen Unternehmen alle Geschäfte mit diesen Firmen verboten. (dpa)
SPD-Co-Chef Lars Klingbeil für EU-Beitritt der Ukraine
Lars Klingbeil, Co-Chef der SPD, hat sich dafür ausgesprochen, der Ukraine den Status als EU-Beitrittskandidat zu verleihen. Es sei wichtig, „dass wir ein klares politisches Signal auch setzen, dass wir die Ukraine in der Europäischen Union haben wollen“, sagte Klingbeil nach einem Treffen mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba am Donnerstag in Berlin. „Wir wollen, dass sie Mitglied wird und dann auch den Kandidatenstatus bekommt.“
Die EU-Kommission will im Juni über die Frage entscheiden und eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten abgeben. Kuleba selbst sagte, er hoffe, dass danach der EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs Ende Juni seinem Land den Kandidatenstatus gewähre. Auch wenn dies nicht eine „sofortige Mitgliedschaft“ bedeute, wäre dies für sein Land eine wichtige Entscheidung. (afp)
Russische Warnung gen Westen wegen Militärhilfe für Ukraine
Dmitri Medwedew, einer der engsten Vertrauten des russischen Präsidenten Wladimir Putin, warnt den Westen wegen dessen militärischer Hilfe für die Ukraine vor einem Konflikt zwischen Russland und Nato. „Ein solcher Konflikt birgt stets das Risiko, in einen vollständigen Atomkrieg zu münden“, erklärt Medwedew, der Putins Stellvertreter an der Spitze des russischen Sicherheitsrates ist, auf Telegram. „Nato-Länder, die Waffen in die Ukraine pumpen, Truppen für den Einsatz westlicher Ausrüstung ausbilden, Söldner entsenden und die Übungen von Bündnisstaaten in der Nähe unserer Grenzen erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines direkten und offenen Konflikts zwischen der Nato und Russland.“(rtr)
UN-Menschenrechtsrat: Tausende Leichen bei Kiew geborgen
In der Region der ukrainischen Hauptstadt Kiew sind nach Angaben des UN-Menschenrechtsrates bislang rund tausend Leichen geborgen worden. Viele der überprüften Menschenrechtsverletzungen könnten als Kriegsverbrechen eingestuft werden. Das Ausmaß ungesetzlicher Tötungen, einschließlich der Indizien für Hinrichtungen in Gebieten nördlich von Kiew, sei schockierend, sagt Michelle Bachelet, die Vorsitzende des in Genf ansässigen Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen, per Video-Schaltung. Der Rat wird im Laufe des Tages entscheiden, ob Ermittler mit einer offiziellen Untersuchung der Ereignisse in Raum Kiew und anderen Regionen seit der russischen Invasion beauftragt werden. Russland weist Vorwürfe zurück, dass bei dem von ihm so bezeichneten militärischen Sondereinsatz Zivilisten ein Ziel seien. (rtr)
Weniger Gas durch Moskaus Sanktionen gegen Gazprom-Töchter
Nach den von Russland verhängten Sanktionen gegen ehemalige Tochtergesellschaften von Gazprom im Ausland ist der Gas-Transit durch die Ukraine nach Europa deutlich gefallen. Das Auftragsvolumen für die Durchleitung russischen Gases lag nach Angaben des ukrainischen Netzbetreibers OGTSU am Donnerstag bei nur noch 53,2 Millionen Kubikmeter.
Laut dem aktuellen Transitvertrag können täglich maximal 110 Millionen Kubikmeter russisches Gas durch die Ukraine nach Europa gepumpt werden. Am Dienstag lag das Auftragsvolumen nach russischen Angaben noch bei 95,8 Millionen Kubikmetern und fiel am Mittwoch auf 72 Millionen Kubikmeter, da die Ukraine eine Pipeline durch die schwer umkämpfte Region Luhansk geschlossen hatte. Nun ist das Volumen noch einmal um mehr als ein Viertel gefallen. Ob der Rückgang mit den Sanktionen zusammenhängt, ist offen.
Russland hatte am Mittwochabend Sanktionen gegen Teile des Gaskonzerns Gazprom Germania angekündigt, der unter der Treuhandschaft der Bundesnetzagentur steht. Auf der Internetseite der Regierung in Moskau wurden insgesamt 31 Unternehmen aufgelistet, gegen die nicht genauer bezeichnete Maßnahmen erlassen werden. Auch EuRoPol GAZ PA gehört dazu, der Eigner des polnischen Abschnitts der Jamal-Europa Erdgas-Pipeline.
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am 3. Mai ein Dekret erlassen, wonach keine russische Einrichtung Geschäfte mit Firmen und Personen auf der Sanktionsliste tätigen darf. Ausdrücklich dürfen an sie keine Produkte oder Rohstoffe exportiert werden. (dpa, rtr)
Schnellere Unabhängigkeit von russischem Gas möglich
Deutschland könnte nach Einschätzung von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) schon in diesem Winter einen Boykott russischer Gaslieferungen verkraften. „Wenn wir zum Jahreswechsel volle Speicher haben, wenn zwei der vier von uns angemieteten schwimmenden LNG-Tanker schon am Netz angeschlossen sind und wenn wir deutlich an Energie sparen, können wir im Fall eines Abrisses der russischen Gaslieferungen einigermaßen über den Winter kommen“, sagte er der Wirtschaftswoche laut einer Vorabmeldung vom Mittwochabend.
Eine Unabhängigkeit von russischem Gas stellte die Regierung bislang aber erst „bis Mitte 2024“ in Aussicht. Damit es schneller soweit sei, müssten aber alle Beteiligten einen Beitrag leisten, sagte Habeck der Wirtschaftswoche. „Weniger Verbrauch ist das A und O beim Gas.“ Wenn Industrie und Privatleute zehn Prozent des Verbrauchs einsparten, „dann sind das die entscheidenden Prozente, um nicht in eine Notlage zu geraten“, fuhr der Minister fort. „Da sollten alle mitmachen.“
Zwei der vier für Deutschland georderten Flüssiggas (LNG)-Schiffe ersetzen laut Habeck bereits knapp ein Viertel der russischen Erdgas-Importe. Trotz der Fortschritte warnte Habeck allerdings in dem Interview auch vor den wirtschaftlichen Risiken eines Stopps russischer Gaslieferungen. „Auch unter den genannten Voraussetzungen wären die Gaspreise dann sicherlich sehr hoch und die Speicher am Ende des Winters leer.“ (afp)
Ukrainisches Militär meldet schwere Gefechte im Osten
Die russischen Streitkräfte haben nach ukrainischen Angaben ihre Angriffe im Osten des Landes verstärkt und dabei teilweise in der Region Donbass Geländegewinne erzielt. „Der Feind führt seine Angriffsbemühungen in der Operationszone Ost weiter fort mit dem Ziel, die volle Kontrolle über die Gebiete Donezk, Luhansk und Cherson herzustellen und den Landkorridor zur zeitweise besetzten Krim aufrecht zu erhalten“, teilte der ukrainische Generalstab am Donnerstag in seinem Lagebericht mit.
Die russischen Attacken im Donbass zielen demnach auf die Städte Sjewjerodonezk, Liman, Bachmut, Awdijiwka und Kurachowe sowie das großteils schon von russischen Kräften besetzte Rubischne. „In Richtung Sjewjerodonezk führt der Feind Angriffe auf Kudrjaschiwka und Sjewjerodonezk und hat dabei teilweise Erfolg“, räumte die ukrainische Militärführung ein. Zum Vorstoß auf die Kleinstadt Liman versuchten die russischen Streitkräfte derweil, Schwimmbrücken über den Fluss Siwerskyj Donez zu bauen. Mittwochabend schon hatte der Generalstab über die Zerstörung solcher Pontonbrücken berichtet.
Am Frontabschnitt vor Slowjansk, einem der wichtigsten Ziele der russischen Offensivbemühungen im Donbass, verstärke Moskau derweil seine Kräfte. Demnach sollen zur Vorbereitung neuer Angriffe rund 300 neue Militärfahrzeuge in den Raum verlegt worden sein. (dpa)
Treffen der G7-Außenminister in Schleswig-Holstein
Auf dem Schlossgut Weissenhaus in Schleswig-Holstein beginnt am Donnerstagabend das Treffen der G7-Außenminister unter deutscher Präsidentschaft. Im Mittelpunkt der dreitägigen Beratungen stehen nach Angaben des Auswärtigen Amtes in Berlin „der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und seine Auswirkungen beispielsweise auf die Energie und Ernährungssicherheit“. Als Gäste nehmen am Freitag die Außenminister der Ukraine und Moldaus, Dmytro Kuleba und Nicu Popescu, teil.
Zur G7-Gruppe zählen neben Deutschland die USA, Großbritannien, Frankreich, Kanada, Italien und Japan. Wegen einer Corona-Infektion voraussichtlich nicht persönlich an dem Treffen teilnehmen wird US-Außenminister Antony Blinken; er wird nach Angaben seines Ministeriums von Außenstaatssekretärin Victoria Nuland vertreten. Wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hatten die G7-Staaten in der vergangenen Woche den schrittweisen Ausstieg aus russischen Öl-Importen vereinbart und ihre Solidarität mit der Regierung in Kiew bekräftigt. (afp)
Russland wirft Ukraine Beschuss von Dorf nahe Grenze vor
Der Gouverneur der russischen Grenzregion Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, wirft ukrainischen Einheiten den Beschuss des Dorfes Solochi nahe der Grenze vor. Dabei seien ein Mensch getötet und sieben weitere verletzt worden. Die russischen Behörden in der Grenzregion haben der Ukraine wiederholt den Beschuss russischen Territoriums vorgeworfen. Die Regierung in Kiew hat nicht erklärt, dass für solche Angriffe ukrainische Einheiten verantwortlich seien. (rtr)
Deutsche Reservisten lassen sich wegen Wehrdienstverweigerung beraten
Seit Beginn des Krieges in der Ukraine ist die Zahl der Menschen, die Hilfe bei Beratungsstellen für Kriegsdienstverweigerer gesucht haben, deutlich gestiegen. Die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für KDV und Frieden (EAK) stellt einen deutlich höheren Bedarf an Beratungen vor allen Dingen für Reservistinnen und Reservisten fest.
Habe in den vergangenen Jahren höchstens eine Person im Jahr um Rat gefragt, seien es seit Ende Februar bereits fünf Reservisten gewesen, die ihren Dienst zum Teil schon vor zehn oder zwanzig Jahren absolviert und jetzt Sorge hätten, einberufen zu werden, sagte Pfarrer Martin Tontsch, Referent der Arbeitsstelle Kokon für konstruktive Konfliktbearbeitung in Nürnberg und Vorstandsmitglied der EAK, dem Evangelischen Pressedienst. (epd)
Russland blockiert alle Evakuierungsrouten aus Mariupol
Evakuierungen aus dem von russischen Truppen belagerten Mariupol sind nach Angaben eines Beraters von Bürgermeister Wadym Bojtschenko aktuell nicht möglich. Denn russische Kräfte blockierten alle Fluchtrouten, sagte Petro Andriuschtschenko am Mittwoch. Einige in der Stadt verbliebene Stadtbewohner kooperierten im Gegenzug für Nahrungsmittel mit den russischen Besatzungstruppen. Nach den wochenlangen Bombardements gebe es zudem nur wenige Wohngebäude, in denen man leben könne, ergänzte der Berater.
Die ukrainische Vize-Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk sagte derweil, ihr Land habe eine Freilassung russischer Kriegsgefangener angeboten, falls Russland die Evakuierung verwundeter Kämpfer aus dem belagerten Stahlwerk Azovstal zulasse. Russische Truppen haben die riesige Anlage umstellt, die als letzte Bastion des ukrainischen Widerstands in Mariupol gilt. Eine Einigung auf ein Tauschgeschäft sei noch nicht erzielt worden, doch liefen dazu Verhandlungen, sagte Weretschuk.
Die Verteidiger in Azovstal lehnen es ab, sich den russischen Truppen zu ergeben. Sie befürchteten, sonst gefoltert oder getötet zu werden, erklärten die ukrainischen Kämpfer. (ap)
Zufall oder Strategie? Ukraine hinter Bränden in Russland vermutet
Ein tödliches Feuer in einem russischen Forschungsinstitut, weitere Brände in einer Munitionsfabrik und in zwei Ölanlagen – in Russland schienen sich derartige Vorfälle in den vergangenen Wochen zu häufen. In einem großen Land wie Russland wird einem Feuer in einer abgelegenen Gegend normalerweise keine besondere Beachtung zuteil. In Zeiten des Krieges jedoch erregen solche Ereignisse große Aufmerksamkeit. So auch jüngst am Mittwoch vergangener Woche, als es in einer Chemiefabrik in Dserschinsk östlich von Moskau brannte.
Spätestens seit dem Feuer in einem militärischen Forschungsinstitut in Twer nordwestlich von Moskau am 21. April, bei dem mindestens 17 Menschen ums Leben kamen, wird in den Online-Netzwerken jede Meldung über einen Brand irgendwo in Russland als ukrainischer Sabotageakt gewertet. Mehr als ein Dutzend dieser Brände sind es mittlerweile.
Bislang bekannte sich in keinem der Fälle jemand als Brandstifter. Beobachter sehen aber durchaus Hinweise für den Versuch Kiews, den Krieg auf diese Weise ins Land der Angreifer zu tragen – etwa bei Bränden in Briansk nahe Belarus, die in Anlagen für den Öl-Export nach Europa ausbrachen. Ihnen lägen „zuverlässige“ Informationen vor, dass diese Feuer durch einen Angriff ukrainischer Bayraktar-Drohnen entfacht wurden, schrieben die anonymen Analysten von „Ukraine Weapons Tracker“.
Mychailo Podoljak, ein wichtiger Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski, gab sich bedeckt: Er bezeichnete die Brände in Briansk als „göttliches Eingreifen“. „Große Treibstofflager brennen regelmäßig – aus verschiedenen Gründen“, fügte er hinzu. Selenski-Berater Oleksij Arestowytsch äußerte sich gegenüber der US-Zeitung New York Times vieldeutig: „Wir bestätigen nicht und wir leugnen nicht“, sagte er. Und er fügte hinzu, dass Israel seine verdeckten Angriffe und Attentate nie zugebe. (afp)
Russisches Militär fordert Evakuierung ukrainischer Orte
Wohl zur Erleichterung eigener Angriffe hat das russische Militär internationale Organisationen zur Evakuierung ostukrainischer Orte aufgerufen. „Mit Blick auf die drohende katastrophale humanitäre Lage der meisten Zivilisten in Kramatorsk und Slowjansk rufen wir die Weltgemeinschaft, die UN, die OSZE und das Internationale Komitee des Roten Kreuzes auf, unverzüglich alle Maßnahmen zur schnellen und sicheren Evakuierung der Zivilisten aus diesen Städten unter der Kontrolle der ukrainischen Streitkräfte einzuleiten“, wurde der Generaloberst Michail Misinzew vom Verteidigungsministerium in Moskau von der Agentur Interfax zitiert.
Nach Misinzews Darstellung haben sich die ukrainischen Truppen in diesen Orten verschanzt und missbrauchten die eigene Zivilbevölkerung als lebenden Schutzschild. In Slowjansk und Kramatorsk hielten sich demnach rund 90.000 Zivilisten auf. Kramatorsk und Slowjansk gelten als Eckpfeiler der ukrainischen Abwehrlinien in der Ostukraine. (dpa)
Human Rights Watch: Russland und Ukraine setzen Streumunition ein
Die russischen Streitkräfte haben in der Ukraine nach einem Bericht der Organisation Human Rights Watch international geächtete Streumunition eingesetzt. Dadurch seien Hunderte Zivilisten ums Leben gekommen sowie Schulen, Wohn- und Krankenhäuser beschädigt worden, berichtete die Menschenrechtsorganisation am Donnerstag in Genf. Auch die ukrainische Armee habe solche Munition mindestens einmal eingesetzt.
Streumunition sind Bomben, die teils Hunderte kleinere Bomben enthalten und – abgeworfen aus einem Flugzeug oder als Rakete – in der Luft explodieren. Die Munition verbreitet sich so wahllos auf einem großem Gebiet. Bomben, die zunächst nicht zünden, können jahrelang am Boden liegenbleiben und sind so gefährlich wie nicht explodierte Landminen.
Human Rights Watch habe den russischen Einsatz solcher Munition in mehreren Städten dokumentiert, darunter in Charkiw und Mykolajiw, berichtete die Organisation. In Mykolajiw seien nach lokalen Medienberichten durch Streumunition am 13. März neun Menschen getötet worden, die vor einem Geldautomaten Schlange standen.
Wie viele Einsätze es insgesamt waren, sei schwer zu sagen, aber die Organisation gehe von Hunderten aus. Die Ukraine habe solche Munition Berichten zufolge in einem Dorf bei Charkiw eingesetzt, das unter russischer Kontrolle war. Nach ukrainischen Angaben seien bis zum 9. Mai bereits fast 100.000 Landminen und Teile von Streumunition geborgen und unschädlich gemacht worden. (dpa)
Kreml plant russische Annexion von Cherson
🐾 Die von Russland eingesetzten Behörden in der südukrainischen Stadt bitten Moskau um die Annexion. Bald soll dort mit Rubel bezahlt werden, schreibt taz-Redakteurin Barbara Oertel.
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