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Verschobene Wahl von Brosius-GersdorfGrüne wollen mit am Tisch sitzen

Fraktionschefin Haßelmann will kein neues Personalpaket für das Verfassungsgericht und warnt Schwarz-Rot: Für eine Lösung brauche es „immer auch uns“.

Britta Haßelmann, Bundestags-Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, will an Frauke Brosius-Gersdorf festhalten Foto: Niklas Treppner/dpa

Berlin taz | Mit einem Anruf bei den Grünen hatte es Jens Spahn nicht eilig. Nachdem die Wahl der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf ins Bundesverfassungsgericht am Freitag vorerst scheiterte, nahm der Unions-Fraktionschef keinen Kontakt zu seinem Grünen-Pendant Britta Haßelmann auf. Am Mittwoch erzählte Haßelmann in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ davon. „Bis heute nicht?“, frage der Gastgeber nach. „Nein“, antwortete die Grüne.

Wenn sich das mal nicht rächt. Die öffentliche Debatte konzentriert sich im Moment zwar auf die Frage, wie SPD und CDU/CSU einen Ausweg aus ihrer Koalitionskrise und dem Schlamassel um das Verfassungsgericht finden. Für die Wahl neuer Rich­te­r*in­nen braucht es im Bundestag aber weiterhin eine Zwei-Drittel-Mehrheit und somit – wenn die AfD außen vor bleiben soll – auch die Stimmen von Grünen und Linken.

Und zumindest die Grünen lassen keine Bereitschaft erkennen, von dem Personalpaket abzurücken, das Schwarz-Rot ursprünglich mit ihnen abgesprochen hatte und das vom Richterwahlausschuss des Parlaments schon mit Zwei-Drittel-Mehrheit bestätigt wurde. Neben Brosius-Gersdorf gehören dazu Ann-Katrin Kaufhold und Günter Spinner.

„Wir wollen, dass alle drei im Richterwahlausschuss gewählten Personen dem Bundestag vorgeschlagen werden. Frauke Brosius-Gersdorf wurde von Jens Spahn und Matthias Miersch vorgeschlagen. Wir erwarten, dass sie ihre Kandidatin nun auch unterstützen“, sagte Haßelmann am Donnerstag der taz.

Aus Erfahrung klüger?

Als Mehr­heits­be­schaf­fe­r*in­nen für ein mögliches neues Personalpaket stehen die Grünen demnach nicht zur Verfügung. „CDU und SPD müssen auch bedenken, dass es für eine Lösung auch immer uns braucht. Was nicht funktionieren wird: Dass sie untereinander irgendetwas aushandeln und einfach auf unsere Zustimmung setzen“, sagte Haßelmann.

Gewarnt sein müssten Union und SPD eigentlich von den Erfahrungen im März. In den Sondierungsgesprächen hatte Schwarz-Rot sich auf eine Lockerung der Schuldenbremse verständigt, CDU-Chef Friedrich Merz informierte die Grünen hinterher durch eine Mailbox-Nachricht an Haßelmann. Die Grünen reagierten pikiert und verweigerten zunächst ihre Zustimmung zu einer entsprechenden Grundgesetzänderung. Zur allgemeinen Überraschung hielten Haßelmann und ihre Co-Vorsitzende Katharina Dröge lange an ihrer Blockade fest und setzten dadurch am Ende noch umfangreiche Änderungen der Koalitionspläne durch.

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26 Kommentare

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  • "Grüne wollen mit am Tisch sitzen"

    Sorry, aber Ihr seid abgewählt.

    • @weather2018:

      Einfach erklärt: B90/Die Grünen wurden in den Bundestag gewählt, und ihre Fraktion war bereit, mit der Regierungskoalition für die bisherige Liste der Kandidat*innen zum BVerfG zu stimmen. So sollte die notwendige Mehrheit ohne AfD erreicht werden.



      Wenn die Liste der Kandidat*innen geändert werden soll, möchten Frau Haßelmann und ihre Partei bei der Auswahl „mit am Tisch sitzen".

    • @weather2018:

      Nein, sie sind auch gewählt. Konkoedanz ist den meisten Menschen aber zu demokratisch, ich weiß.

  • Hier hilft erstmal eine detaillierte Erklärung der CDU, gegenüber Frau Prof. Brosius-Gersdorf und auch der Bevölkerung gegenüber, aus welchen Gründen sie Frau Prof. Brosius-Gersdorf für unser Bundesverfassungsgericht nicht als kompetent und neutral ansehen würde.

  • Wenn der BT sich nicht einigen kann, geht’s in den Bundesrat, wieso wird das nicht diskutiert ? Und nicht die Kandidatin ist Schuld an der Krise, sondern Spahn und die CDU Abgeordneten, die sich von der Kampagne u Lügen manipulieren ließen .

  • "Und zumindest die Grünen lassen keine Bereitschaft erkennen, von dem Personalpaket abzurücken, das Schwarz-Rot ursprünglich mit ihnen abgesprochen hatte ..."



    Nun, wenn Frau Haßelmann schon vorher über die Medien hinausposaunt, was mit den Grünen auf keinen Fall geht, kann sie natürlich noch nächtelang auf den Anruf von Spahn warten. Warum sollte er auch?



    Okay, Spahn hat die Sache nach allen Regeln der Kunst verbockt. Ein Fraktionsvorsitzender muss eine gewisse Witterung dafür haben, was in seinem Laden geht u. was nicht u. das dann auch entsprechend eintüten.



    Was nun allerdings SPD und Grüne reitet, ausgerechnet das Fass "Abtreibung" wieder aufzumachen (Achtung: Kulturkampf!) erschließt sich mir nicht wirklich. Vor allem sollten Politprofis eigentlich wissen, was passiert, wenn man mit großem Getöse Positionen aufbaut: Man kann sie hinterher nicht ohne Gesichtsverlust wieder räumen. Ein vernünftiger Kompromiss erscheint so kaum möglich, dazu hat man das eigene Fußvolk schon zu sehr in Wallung gebracht. Man kann nur hoffen, dass Frau Brosius-Gersdorf ein Einsehen hat und alles hinschmeißt. Ansonsten ist nämlich klar, dass aus diesem Scharmützel nur die AfD als Gewinner hervorgeht.

    • @Schalamow:

      Die AFD IST bereits der Gewinner. Leider sind sich die Grünen nicht bewußt, dass auch ihre Politik zu einem explosionsartigen Anwachsen der AFD geführt hat. Deswegen bin ich auch so sauer auf die!

    • @Schalamow:

      "Man kann nur hoffen, dass Frau Brosius-Gersdorf ein Einsehen hat und alles hinschmeißt. Ansonsten ist nämlich klar, dass aus diesem Scharmützel nur die AfD als Gewinner hervorgeht."

      Diesen Satz halte ich für falsch. Wenn Frau Brosius-Gersdorf das machen würde (was ich gut verstehen könnte) hat die AFD gewonnen. Wie mittlerweile gut dokumentiert nachzuvollziehen ist wurden die Attacken von ganz rechts aussen gestreut und gebündelt. Die Kirche und die CDU/CSU haben sich -nicht zum ersten mal- vor einen rechten bis rechtsextremen Karren spannen lassen.

      Die Reaktion auf diesen Vorgang war letzte Woche ja schon entsprechend:



      "Am Freitagvormittag geht eine vergnügte Alice Weidel durch den Bundestag. Die AfD-Chefin frohlockt: Hach, ist das schön." (zdf.de)

      • @Josef 123:

        Dass sich CDU/CSU (genauer gesagt: Teile von ihr) sich für eine Rechtsaußen-Kampagne hätten einspannen lassen, wird zwar gerne behauptet, doch sind genau dafür die Belege recht dünn. Insbesondere die Chronologie passt da nicht so ganz. Bereits am 30.6. hatte die FAZ über B-G.'s Position zur Abtreibung berichtet und schon am 2.7. über ablehnende Stimmen in der CDU. Erst zu diesem Zeitpunkt drehten aber Nius & Co. voll auf.



        Worauf ich hinauswill, ist aber etwas anderes. Wenn Teile von CDU/CSU bei ihrer Ablehnung bleiben, B-G also scheitert, haben wir eine veritable Koalitionskrise, so dass ich nicht weiß, wie das die nächsten 4 Jahre weitergehen soll. Geben andererseits CDU/CSU nach, stoßen sie - nach der aufgeheizten Diskussion - Teile ihrer eigenen Wählerschaft vor den Kopf, die dann möglicherweise zur AfD abwandern. Und ich fürchte, manche Leute haben immer noch nicht wirklich begriffen, was für fatale Konsequenzen drohen, wenn die AfD zur stärksten Partei werden würde.

  • taz: *Fraktionschefin Haßelmann will kein neues Personalpaket für das Verfassungsgericht und warnt Schwarz-Rot: Für eine Lösung brauche es „immer auch uns“.*

    Fraktionschefin Haßelmann sollte nicht so viel warnen, sondern die einmal ausgesprochene Warnung dann auch 'durchziehen'.



    BlackRock-Fritz und Masken-Jens verstehen nämlich nur "die harte Tour", wie ja alle konservativ-rechten Unionspolitiker.

    • @Ricky-13:

      "die harte Tour",

      Und die wäre?



      Sie glauben doch nicht im ernst das die einknicken.



      Dann eher die Linke und die Grünen, wie gehabt.

  • "Grüne wollen mit am Tisch sitzen"



    Die Überschrift trifft es doch ganz gut. Sie wollen. Müssen, tun sie es nicht. Das weiß die Union, das wissen die Grünen.



    Aber irgendwie muss/will man in den Medien bleiben.



    Und da die Union kein Interesse zeigt, das Thema noch ad hoc vor der Sommerpause zu beenden, nutzen die Grünen die Gelegenheit um wenigstens selbst mal wieder ein zwei Nachrichten zu setzen.



    Der Union mag das vielleicht sogar ganz recht sein, jede Ablenkung hilft, die Hängepartie in der Sommerpause versanden zu lassen. Da mag dann Frau Brosius-Gersdorf endgültig die Lust verlieren oder die SPD kriegt kalte Füße und rückt selbst davon ab oder oder oder. Bis zum 8. September ist es weit.

    • @Saskia Brehn:

      Sind Sie sicher, dass CDUCSU und SPD die Grünen nicht einbinden und beteiligen müssen?



      Die CDUCSU sollte zumindest wissen, dass sie zu allen Entscheidungen, die im Deutschen Bundestag getroffen werden sollen und zu denen - wie zur Berufung an das Bundesverfassungsgericht - eine Zweidriitel-Mehrheit erforderlich ist und gebraucht wird, die Grünen und zumindest Teile der Linken brauchen.



      Ja, bis zum 08. September ist es weit - jedoch wird sich an den Notwendigkeiten und den Mehrheitsverhältnissen bis dahin nichts ändern.

      • @Der Allgäuer:

        Natürlich brauchen Union und SPD die Stimmen der Grünen, die Union will aber gerade keine Entscheidung herbeiführen, damit Frau Brosius-Gersdorf oder die SPD entnervt zurückziehen - und dafür brauchen sie die Grünen nicht...



        Da der/die neue Kandidat/in wieder ein SPD Vorschlag sein wird, werden sich grün und links dem dann wohl kaum verwehren (können).



        Bei der taz und in den Kommentaren sieht man in der Hängepartie eine Niederlage der Union, das sehe ich nicht. Frau Brosius-Gersdorf wurde demontiert, ohne großen Widerspruch aus der Bevölkerung oder gar dem Unionslager zu ernten. Das mag Grünen und Linken übel aufstoßen und die SPD beleidigen, aber unterm Strich hat die Union sich einer 'gefährlichen' Richterin für ihre Positionen entledigt, denn Frau Brosius-Gersdorf ist natürlich nicht linksradikal, aber schon sportlich progressiv.



        Ich sehe da eher einen Punktsieg der Union, wenn auch einiges Koalitionsgeschirr zu Bruch ging, aber auch dazu sei gesagt: der 8. September ist weit. Die Zeit spielt in jeglicher Hinsicht für die Union.

  • haha, die CDU wird hier wirklich vorgeführt. Ich musste an das gute alte englische Sprichwort denken: "He who sups with the devil must have a long spoon"



    und den haben Spahn und Merz nun wirklich nicht. Mal gespannt wie die sich da rauswinden wollen..

  • "... und setzten dadurch am Ende noch umfangreiche Änderungen der Koalitionspläne durch."

    Das schon. Friedrich Merz scheint seine damaligen Zusagen aber nicht besonders ernst gemeint zu haben. Beispielsweise wurde der Klima-Transformationsfonds zwar deutlich aufgestockt, aber Frau Reiche verwendet diesen jetzt, um den Gaspreis zu senken (WTF?). Zusagen von Merz sind das Papier nicht wert.

  • Die Arroganz der Macht in Form der CDUCSU. Für diese beiden Parteien sind alle anderen Parteien maximal Mehrheitsbeschaffer (Grüne, SPD, FDP), Diskursverschieber und Druckmittel (AxD) oder Feinde (Linke).

    Bürger sind bestenfalls Stimmvieh dessen Interessen bei der Umverteilung von "unten nach oben" nur stören.

    CDUCSU steht für Lügen, Betrügen, Mauscheln, Lobbyieren, Versprechen brechen und die Maximale Ausbeutung von Menschen, Tieren und der Natur.

    Jesus würde sich im Grab rumdrehen wenn er nicht auferstanden wäre und sich euch "Christen" aus der Metaperspektive anschauen muss.

  • Die Grünen wollen viel, nur haben die Wähler in Deutschland Ihnen gezeigt was sie davon halten.

    • @Filou:

      Hat nicht hauptsächlich die Bildzeitung & Co. den Deutschen gezeigt, was sie über die Grünen zu denken haben?

    • @Filou:

      Das stimmt zwar, jedoch haben die Wählerinnen und Wähler der CDUCSU gezeigt, dass sie nicht durchregieren kann, nicht so regieren kann, wie sie es möchte, sondern einen Koalitionspartner braucht, und bei bestimmten Entscheidungen - wie z.B. der Richterwahl für das Bundesverfassungsgericht - sogar die Grünen und zumindest Teile der Linken braucht.

      • @Der Allgäuer:

        Das stimmt zwar, jedoch haben die Wählerinnen und Wähler der CDUCSU gezeigt, dass sie nicht durchregieren kann, nicht so regieren kann, wie sie es möchte, sondern einen Koalitionspartner braucht,....

        Stimmt aber es geht leider auch ohne Grüne und Linke. Genau davor graut es mir.

    • @Filou:

      Die Grünen wurden mit dem zweitbesten Ergebnis ihrer Parteigeschichte in den Bundestag gewählt und sind für die notwendige Zweidrittelmehrheit unerlässlich. Also, ja: die Wähler haben gezeigt was sie davon halten und den Grünen ein deutliches Mandat gegeben.

      • @pumble:

        11,6% für die Grünen ist nun mal kein so deutliches Mandat. Ob es einem passt oder nicht, CDU und AfD haben ein deutliches Mandat der Wähler erhalten.

      • @pumble:

        Ein deutliches Mandat, mit 11,6 %, in der Opposition.Platz 4 von 5. Und die Grünen sind nicht unerläßlich für eine 2/3 Mehrheit.

        • @Martin Sauer:

          Wie schon geschrieben.



          Wenn Grüne und Linke es "übertreiben" gibt es für die CDUCSU, auch ohne SPD, leider eine "Alternative".



          Und die kann Niemand wollen!

          • @weather2018:

            Mit der AFD hat die CDU zwar eine Mehrheit, aber keine 2/3 Mehrheit. Und die SPD würde mit Sicherheit dagegen stimmen, wenn klar ist dass die Mehrheit nur mit der AFD erreicht wird. Somit ist das nichts worauf die CDU setzen kann. Mal abgesehen davon wird eine bewusste Zusammenarbeit der Union mit der AFD der Untergang der Union sein.