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Verfassungsschutz an UnisDas falsche Mittel

Frederik Eikmanns
Kommentar von Frederik Eikmanns

Die Antwort auf Antisemitismus an den Hochschulen ist Bildungsarbeit. Geheimdienstler, wie Klein sie vorschlägt, haben dort nichts zu suchen.

Pro-Palästina-Protest vor der Humboldt Universität, Mai 2024 Foto: Florian Boillot

G inge es nach dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, dann würde der Verfassungsschutz den Antisemitismus an den Universitäten bekämpfen. Was für eine fürchterliche Idee. Es stimmt zwar, dass es bei propalästinensischen Demonstrationen an den Hochschulen immer wieder zu antisemitischen Vorfällen kommt. Deren Bandbreite reicht von Hamas-Symbolen bis zu extremer Gewalt, wie etwa Anfang 2024 beim Angriff auf einen jüdischen Studenten in Berlin.

Ju­den*­Jü­din­nen fühlen sich an vielen Unis nicht mehr sicher. Das ist eine Schande. Aber für strafbare Taten sind Polizei und Staatsanwaltschaften zuständig. Studierende, die mit antisemitischen Taten auffallen, können schon jetzt exmatrikuliert werden. Und für alles, was nicht justiziabel ist, versprechen Präventions- und Bildungsarbeit die geeigneteren Gegenmittel zu sein.

Keine Frage: Bisher funktioniert das alles nicht besonders gut. Aber daran würde sich nichts ändern, wenn nun auch noch Geheimdienstler mitmischten. Was es stattdessen bräuchte, ist mehr Problembewusstsein und Konsequenz bei den Unileitungen. Mehr Geld für Beratungsangebote. Bessere Koordination und mehr Fingerspitzengefühl, etwa bei der Auswahl von universitären Antisemitismusbeauftragten. Verfassungsschützer an die Unis zu schicken, wäre dagegen eine hohle Geste.

Eine, die mit ihrem martialischen Ton die Befürchtung nährt, der geistige Freiraum an den Unis solle eingeschränkt werden. Kleins Vorschlag ist schon deshalb falsch, weil er suggeriert, Unis seien Inseln des Judenhasses, während ringsherum alles in Ordnung ist. Antisemitismus unter Studierenden ist keineswegs eine Besonderheit, die den Rest der Bevölkerung nicht betrifft. Ein Lagebild zeigt, dass es 2023 insgesamt 150 antisemitische Vorfälle an deutschen Hochschulen gab.

In der gesamten Gesellschaft waren es über 4.000. Im Wissen um solche Zahlen von Geheimdienstlern an Unis zu fabulieren, ist nicht nur sinnlos. Es verschleiert auch, wie groß das gesamtgesellschaftliche Problem Antisemitismus wirklich ist.

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Frederik Eikmanns
Fachredakteur Inland
schreibt über alles, was im weitesten Sinn mit Migration zu tun hat.
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3 Kommentare

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  • Es funktioniert eben nicht so gut, heißt es im Text.

    Was wäre wohl los, würden sich rechtsextreme Studenten oder Aktivisten derartig an den Unis agieren.

    Keine Frage, es gäbe gewaltige Demos dagegen. Zurecht natürlich.

    Geht es um Antisemitismus, bei dem sowieso keiner so genau weiß, wie man ihn definieren soll, eines der letzten wissenschaftlichen Rätsel überhaupt, sieht die Chose ganz anders aus.

    Und die Hamas lacht sich eins.

  • Wenn an einer Universitäten Seminare, Vorlesungen und Veranstaltungen missliebiger ProfessorInnen und RednerInnen wegen Blockade und Gewalt nicht stattfinden können (wenn sie bestimmten Studentengruppen und/oder dem ASTA nicht passt) dann hat die Universität ein schwerwiegendes Problem. Dabei geht es nicht immer um den Konflikt in Palestina, weiter Themn sind Geschlechterforschung, Geschichte, ... Mit "Bildungsarbeit" allein kommt man dem nicht bei, es gilt die Diskursfreiheit und die freie Meinungsäusserung an der Uni mit Rechtsmitteln durchzusetzen, für alle Seiten.

  • Im Großen und Ganzen Stimme ich dem Beitrag zu. Besonders wichtig ist für mich der Punkt Konsequenz bei den Unileitungen.

    Aber:



    "Studierende, die mit antisemitischen Taten auffallen, können schon jetzt exmatrikuliert werden. "

    Ist das auch in nur einem Fall passiert? Bei den Gewaltübergriffen, Sachbeschädigungen, antisemitischen Parolen und Schmierereien?

    Hat auch nur einer dieser Antisemiten/ fehlgeleiteten Kinder Konsequenzen aus seinem Handeln ziehen müssen?

    Zumindest in den Medien nichts davon gehört.