Verbot von Reichsbürgerverein: Die „GmbH“ schlägt zurück
Seehofer verbietet erstmals einen Reichsbürgerverein. Die Gruppe fiel durch Drohschreiben auf – und durch Solidarität mit einem Holocaustleugner.
Ganz so harmlos aber war die Gruppe nicht. Am Donnerstag nun wurde sie vom Bundesinnenministerium verboten. Am frühen Morgen durchsuchten 400 Polizisten in zehn Bundesländern die Wohnungen von 21 Führungspersonen der Gruppe und übermittelten diesen den Verbotsantrag. Es ist das erste Verbot in der Reichsbürgerszene. Mit verboten wurde die Teilgruppe „Osnabrücker Landmark“.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) wirft der insgesamt rund 120 Mitglieder zählenden Gruppe vor, „rassistische und antisemitische Schriften zu verbreiten und damit unsere freiheitliche Gesellschaft systematisch zu vergiften“. Auch habe diese gegen Amtsträger und ihre Familien „verbale Militanz und massive Drohungen“ ausgeübt.
„Wir setzen den Kampf gegen Rechtsextremismus auch in Krisenzeiten unerbittlich fort“, erklärte Seehofer. „Für Rassismus und Antisemitismus haben wir in unserer Gesellschaft keinen Millimeter Platz.“
Die BRD als GmbH
Die Gruppe „Geeinte deutsche Völker und Stämme“ hatte sich 2017 zusammengetan. In einem Gründungsschreiben wurde gegen „moderne Arroganz“ gewettert, welche die Natur zerstöre. Ein „Seehandelssystem“ beherrsche die Welt, gelenkt „von einer handvoll geübter breithüftiger Kaufleute“ und unterstützt von der „kasharischen Mafia“ – eine antisemitische Verschwörungstheorie.
Auch die Bundesrepublik sei nur ein illegtimes „Handelskonstrukt“, eine bloße GmbH, unterjocht von „Besatzungsmächten“. Das Grundgesetz sei eine „Besatzungsordnung“. Die Gruppe stellte dagegen ihr fabuliertes „Höchstes Gericht der geeinten deutschen Völker und Stämme“, das über den hiesigen Gerichte stehe und über angebliche Bodenrechte verschiedene Gebiete für sich reklamierte.
Einer der führenden Köpfe war dabei Heike W. aus Berlin, die selbsternannte „Generalbevollmächtigte“. Zuvor war sie schon in der Region um die niedersächsische Stadt Melle aktiv, wo der Verein „Landmark e.V.“ angesiedelt war. In Videos warb Heike W. dafür, „dass die Volksseele wieder aufsteht“. Sie wolle „die Rechte zurückholen für die Menschen“. Dazu schickte sie Schreiben an Behörden, in denen sie diese für illegitim erklärte. Am Donnerstag wurde nun auch Heike W.s Wohnung durchsucht.
Vor allem durch diese Drohschreiben fiel die Gruppe zuletzt auf. Den adressierten Behörden drohte sie eine „Inhaftierung“ an, hohe „Strafgebühren“ oder „Sippenhaft“. In einigen Briefen wurde die Übertragung von Liegenschaften und Immobilien auf Privatpersonen gefordert, in Berlin-Zehlendorf sollte ein Rathaus an die Gruppe übergeben werden.
Drohschreiben auch an Merkel
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel erhielt 2017 ein Schreiben der Truppe, in dem sie aufgefordert wurde, die Bundestagswahl abzuschaffen und das „Unternehmen Bundesrepublik“ zu „schließen“. Stattdessen halte nun die „GdVuST“ die „oberste Gerichtsbarkeit“. Zudem solidarisierte sich die Gruppe auch mit dem inhaftierten Holocaustleugner Horst Mahler und forderte dessen Freilassung.
Das Bundesinnenministerium wirft der Gruppe „schwerwiegende Verletzungen der Grundrechte und insbesondere der Menschenwürde anderer“ vor. Sie bringe durch „Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus ihre Intoleranz gegenüber der Demokratie zum Ausdruck“ und leugne die Legitimität der Bundesrepublik, welche als „niedrigste Staatsform“ diskreditiert werde. Auch schreckten die Mitglieder nicht vor Straftaten zurück.
Schon im September 2019 gab es dazu eine Razzia in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern – wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Gruppe. Bei den jetzigen Durchsuchungen wurden Schusswaffen, Baseballschläger, Propagandamaterialien sowie geringe Mengen Betäubungsmittel sichergestellt.
Die Sicherheitsbehörden hatten die Reichsbürger-Szene lange kaum auf dem Schirm. Erst als 2016 ein Reichsbürger im bayrischen Georgensgmünd einen Polizisten erschoss, änderte sich der Kurs. Seitdem beobachtet der Verfassungsschutz die Szene strukturierter. Reichsbürger sollen außerdem entwaffnet werden. Bundesweit rechnen die Sicherheitsbehörden der Szene 19.000 Personen zu, 950 davon gelten als klar rechtsextrem.
Erst im Januar hatte das Bundesinnenministerium die rechtsextreme Gruppe „Combat 18“ verboten – als Reaktion auf die rechtsextremen Mordanschläge in Halle und auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Seehofer hatte nach Combat 18 weitere Verbote angekündigt. Das ist nun erfolgt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“