Rechtsextreme und Waffen: Bundesrat will Zugang beschränken

Wer den Sicherheitsbehörden als Extremist aufgefallen ist, darf unter Umständen trotzdem Waffen besitzen. Das will der Bundesrat ändern.

Stephan Ernst, Tatverdächtiger im Fall des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, wird nach einem Haftprüfungstermin beim Bundesgerichtshof von Polizisten zu einem Hubschrauber gebracht

Stephan Ernst in Begleitung der Polizei: Sein mutmaßlicher Komplize darf legal Waffen besitzen Foto: dpa

Sie waren beide als Rechtsex­tremisten bekannt, und sie waren beide Mitglieder in einem Schützenverein: Stephan Ernst, der mutmaßliche Mörder des CDU-Politikers Walter Lübcke, und sein mutmaßlicher Komplize und Waffenbeschaffer Markus H. Die Stadt Kassel hatte Markus H. eigentlich mehrmals keine Waffenbesitzkarte freigeben wollen. Doch im Jahr 2015 entschied das Verwaltungsgericht Kassel, dass ihm die Erlaubnis gewährt werden müsse. Am Freitag hat der Bundesrat eine Verschärfung des Waffenrechts gefordert, damit so etwas in Zukunft nicht mehr passieren kann. Jetzt schon gibt es aber Zweifel, ob das umsetzbar sein wird.

Obwohl Markus H. unter anderem schon wegen gefährlicher Körperverletzung und der Verwendung verfassungswidriger Symbole aufgefallen war, durfte er seit dem Gerichtsbeschluss Waffen erwerben – und soll später Stephan Ernst Waffen für Schießübungen zur Verfügung gestellt haben.

Wenn es nach dem Bundesrat geht, soll Extremisten die Möglichkeit zum legalen Umgang mit Waffen nun verwehrt werden. Dem Vorstoß zufolge sollen die jeweils zuständigen Waffenbehörden in Zukunft verpflichtend bei den Verfassungsschützern der Länder abfragen, ob ein Anwärter auf Waffenbesitz den Sicherheitsbehörden bekannt ist. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) geht noch weiter: Er will erreichen, dass beim Verfassungsschutz gespeicherte Extremisten automatisch keine Lizenz für Waffen bekommen.

Das CSU-geführte Innenministerium in Bayern hält den von Hessen eingebrachten Automatismus schon jetzt für „nicht praktikabel“. Dies gelte „insbesondere für mögliche Rechtsstreitigkeiten“ – ein kleiner Wink an die Schwierigkeiten, die bei der Entwaffnung von Extremisten jetzt schon bestehen.

Erkenntnisse zu alt

Waffenbesitzer müssen als „zuverlässig“ gelten, um eine Besitzkarte zu bekommen. Neben unregelmäßigen Kontrollen überprüfen die Waffenbehörden alle drei Jahre, ob eine Befugnis verlängert wird. Eigentlich stehen im Gesetz schon jetzt einige Vorbehalte gegen Extremisten, zusätzlich fragen die Behörden bei der Polizei nach und schauen im Register der Staatsanwaltschaft und im Zentralregister, ob etwas vorliegt. Tatsächlich kommt es jetzt schon oft vor, dass die Behörden Informationen der Verfassungsschützer verwenden. Doch nicht immer reichen die Informationen aus, um jemandem die Erlaubnis zu verwehren oder wieder zu entziehen.

Im Fall des mutmaßlichen Waffenbeschaffers Markus H. etwa hatte das Kasseler Gericht die Waffenbesitzkarte gezwungenermaßen erlaubt: Die letzten Erkenntnisse des Verfassungsschutzes über H. hätten zu diesem Zeitpunkt schon länger als fünf Jahre zurückgelegen, hieß es. So alt dürfen relevante Erkenntnisse laut Waffengesetz nicht sein, um die Lizenz zum Waffenbesitz abzulehnen.

Selbst wenn eine Person in bestimmten Fällen als rechtsextrem eingeschätzt wird, muss ihr derzeit nachgewiesen werden, dass sie verfassungsfeindliche Bestrebungen aktiv umsetzen will – das niedersächsische Innenministerium zum Beispiel klagt, dass dieser Nachweis manchmal schwerfällt.

Die Folge: Das Bundesamt für Verfassungsschutz schätzte im Jahr 2017, dass 750 Rechtsextremisten in Deutschland legal Waffen besitzen. In Bayern etwa haben 191 Rechtsextremisten den Sicherheitsbehörden zufolge eine Waffenerlaubnis, in Mecklenburg-Vorpommern weiß das Innenministerium derzeit von 50 Personen, wobei knapp die Hälfte davon den kleinen Schein besitzt, der etwa Schreckschusswaffen erlaubt; in Sachsen dürfen derzeit 22 Rechtsextremisten legal mit Waffen schießen.

Wie viel Personal?

Die geplante Verschärfung des Waffengesetzes sieht auch vor, dass eine Begründung dafür, wieso der Verfassungsschutz einen Extremisten für unzuverlässig hält, nicht mehr nötig sein soll. Denn manchmal geben die Verfassungsschützer ihre Erkenntnisse aus Gründen der Geheimhaltung überhaupt nicht weiter. Durch die Änderung könnte der Dienst zumindest die Information an sich weitergeben, dass er eine Person für gefährlich hält. Der Bundesrat hat am Freitag beide Empfehlungen verabschiedet, in den kommenden Wochen müssen noch Bundesregierung und Bundestag der Verschärfung zustimmen.

InnenpolitikerInnen im Bundestag befürworten den Vorstoß. Aber: Sie halten es für notwendig, dass die Kontrollbehörden infolge der Gesetzesänderung aufgestockt werden. „Die Kontrollen müssen engmaschiger werden“, sagte etwa Irene Mihalic, sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, der taz. „Die Zuverlässigkeitsprüfung muss häufiger erfolgen.“

Uli Grötsch, für die SPD im Innenausschuss, sagte, die Landratsämter müssten „mehr Leute einstellen“. Ähnlich sieht das der Rechtsextremismus-Experte David Begrich vom Magdeburger Verein Miteinander: „Dieser neue Vorbehalt bringt nur dann etwas, wenn er regelmäßig kontrolliert wird“, sagte Begrich. „Die Frage ist, wer das kontrollieren soll.“

Dass es mit den rechtlichen Voraussetzungen nicht getan ist, zeigt der Fall der sogenannten Reichsbürger, die die Gesetze der Bundesrepublik nicht anerkennen. Die im Herbst 2016 angekündigte Entwaffnung der zum Teil rechtsextremen „Selbstverwalter“ ist in mehreren Bundesländern immer noch nicht abgeschlossen. Für den Verfassungsschutzbericht vom vergangenen Jahr hatte der Dienst noch rund „910 Szeneangehörige“ mit Waffenerlaubnis gezählt. Derzeit haben immer noch über 300 Reichsbürger eine Erlaubnis.

Reichsbürger erschoss Polizisten

Zum einen wehren sich die Reichsbürger vor Gericht und zögern die Rückgabe der Waffenbesitzkarte so hinaus. Nordrhein-Westfalen muss sich etwa in 40 Fällen mit Anfechtungen auseinandersetzen, in Bayern hängen 35 Entwaffnungen vor Gericht. Einzig Hamburg und Brandenburg geben an, die ihnen bekannten Reichsbürger entwaffnet zu haben.

Ausgelöst hatte die Entwaffnung der Fall eines bayerischen Reichsbürgers aus Georgsmünd, der einen Polizisten tödlich verletzt hatte – und ebenfalls in einem Schützenverein aktiv war. Hier liegt auch eine zweite Schwierigkeit: „Die Entwaffnung der Reichsbürger ist vor allem ein Vollzugsproblem“, sagte die Bundestagsabgeordnete und Rechtsextremismus-Expertin Martina Renner von der Linksfraktion der taz.

Es brauche für die Entwaffnung der Extremisten mehrere Beamte der Waffenbehörden und die Unterstützung der Polizei. Eine Entwaffnung sei schließlich „keine Kirmesgenehmigung“, sondern ein „krasser Vorgang“, sagt Martina Renner, auch mit Blick auf den getöteten Polizisten in Georgsmünd.

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